Entscheidungsstichwort (Thema)
Anspruch eines Inkassounternehmens auf Einziehung von offenen Krankenversicherungsprämien aufgrund einer Vollmacht bei Beteiligung durch Provisionen i.R.d. Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen eines Schuldners
Normenkette
RDG § 2 Abs. 3; AktG § 15; InsO §§ 38, 103
Verfahrensgang
LG Frankfurt am Main (Urteil vom 16.03.2012; Aktenzeichen 2-27 0 441/11) |
BGH (Entscheidung vom 03.12.1987; Aktenzeichen VII ZR 374/86) |
Tenor
Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Einzelrichters der 27. Zivilkammer des Landgerichts Frankfurt am Main vom 16.3.2012 abgeändert.
Der Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 5.357,40 EUR nebst 1% Säumniszuschlag (53,57 EUR) je angefangenem Monat hieraus ab dem 1.9.2010 zu zahlen.
Im übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.
Von den gerichtlichen Kosten des erstinstanzlichen Verfahrens haben die Klägerin 5% und der Beklagte 95% zu tragen. Von den im erstinstanzlichen Verfahren entstandenen außergerichtlichen Kosten der Klägerin hat der Beklagte 95% zu tragen. Im übrigen tragen die Parteien ihre im erstinstanzlichen Verfahren entstandenen außergerichtlichen Kosten selbst.
Die Kosten des Berufungsverfahrens hat der Beklagte zu tragen.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Tatbestand
I.
Die Klägerin ist eine Tochtergesellschaft der … und betreibt das Inkasso offener Krankenversicherungsprämien für die … aufgrund einer Vollmacht, „im eigenen Namen … Beitragsforderungen … einzuziehen”. Am Erfolg ist sie durch Provisionen beteiligt.
Der Beklagte unterhielt bei der … eine private Krankheitskostenversicherung. Seit Oktober 2008 blieb er die Prämien schuldig. Am 2.12.2008 wurde über sein Vermögen das Insolvenzverfahren eröffnet. Seit 13.10.2009 ist der Beklagte bei der AOK krankenversichert. Die … kündigte den Versicherungsvertrag mit dem Beklagten mit Schreiben vom 11.8.2011, der Beklagte erklärte mit Schreiben vom 15.11.2011 rückwirkend zum Beginn seiner Mitgliedschaft in der AOK die Kündigung des Versicherungsvertrags.
Die Klägerin verlangt mit der Klage nach der Insolvenzeröffnung fällig gewordene Prämien für Januar 2009 bis September 2010 abzüglich einer Beitragsrückerstattung.
Das Landgericht hat die Klage abgewiesen, weil der Kläger gemäß § 80 InsO nicht prozessführungsbefugt sei, denn die Klägerin begehre eine Leistung aus der Insolvenzmasse. Zur Masse gehöre neben dem bei der Eröffnung vorhandenen Vermögen auch der Neuerwerb. Daraus, dass Leistungen eines Krankenversicherers insolvenzfreies Vermögen seien, könne nicht geschlossen werden, dass auch die Beitragsforderungen ein insolvenzfreies Schuldverhältnis seien, weil dadurch bestimmte Gläubiger gesetzeswidrig privilegiert würden und der Schuldner dennoch die Möglichkeit erhalte, in diesem Rahmen über die Insolvenzmasse zu verfügen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des erstinstanzlichen Sach- und Streitstandes und wegen der in erster Instanz zuletzt gestellten Anträge wird auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils verwiesen.
Gegen dieses Urteil richtet sich die Berufung der Klägerin, die die Ansicht vertritt, dass § 103 InsO auf Krankenversicherungsverträge des Schuldners keine Anwendung finde. Denn die Hauptleistung aus dem Versicherungsvertrag sei wegen Unpfändbarkeit gemäß § 850b Abs. 1 Nr. 4 ZPO insolvenzfrei, – so dass die Masse auch nicht für die Prämien haften könne. Deshalb müsse die Prämienklage gegen den Schuldner gerichtet werden, wenn nicht der Verwalter ausdrücklich die Erfüllung des Vertrags wähle und die Prämien aus der Masse entrichte. Nach zutreffender Ansicht des Amtsgerichts Kiel müsse wegen der Versicherungspflicht der Schuldner auch während eines Insolvenzverfahrens die Möglichkeit haben, einen privaten Krankenversicherungsvertrag weiter zu erfüllen.
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Landgerichts Frankfurt am Main – 2-27 O 441/11 – vom 16.3.2012 aufzuheben und den Beklagten zu verurteilen, an die Klägerin 5.357,40 EUR nebst 1 Prozent Säumniszuschlag (53,57 EUR) je angefangenem Monat hieraus ab dem 1.9.2010 und 2,50 EUR Nebenforderung zu zahlen.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung der Klägerin zurückzuweisen.
Der Beklagte verteidigt das angefochtene Urteil und trägt ergänzend vor, dass ein insolvenzfreies Schuldverhältnis auch praktisch nicht denkbar sei, weil dem Schuldner die Befugnis, über Vermögenswerte zur Erfüllung solcher Verpflichtungen zu verfügen, fehle. Es bestehe dann statt eines Anspruchs gegen die Insolvenzmasse ein Titel ohne Mittel. Der Beklagte ist im Übrigen der Ansicht, dass bei der Klägerin die Voraussetzungen einer zulässigen gewillkürten Prozessstandschaft nicht vorlägen.
Entscheidungsgründe
II.
Die Berufung der Klägerin ist, abgesehen von der geringfügigen Nebenforderung, begründet.
Die Klägerin kann die seit Insolvenzeröffnung fällig gewordenen Prämien außerhalb des Insolvenzverfahrens gegenüber dem Beklagten persönlich geltend machen.
Die Klägerin ist befugt, den Prozess über das fremde Recht selbst zu führen.
Die der Klägerin erteilte „Vollmacht”, i...