Entscheidungsstichwort (Thema)
Ersatzfähigkeit von unfallbedingten Mietwagenkosten
Verfahrensgang
LG Gießen (Urteil vom 22.12.2009; Aktenzeichen 5 O 226/09) |
Tenor
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des LG Gießen vom 22.12.2009 - 5 O 226/09 - wird zurückgewiesen.
Der Kläger hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar,
Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung i.H.v. 110 % des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Die Revision wird zugelassen.
Gründe
I. Der Kläger begehrt von der Beklagten Schadensersatz aufgrund eines durch sie verursachten Verkehrsunfalls. Die volle Haftung der Beklagten steht außer Streit. Gegenstand der Berufung ist die Ersatzfähigkeit der dem Kläger entstandenen Mietwagenkosten.
Der Kläger hatte für die Zeit vom 8.6. bis zum 20.6.2009 in Butzbach einen (klassenniedrigeren) Pkw Audi Altea XL 1,9 TDI für insgesamt 2.025,33 EUR, ausgewiesen als "Normaltarif, angemietet. Der Mietwagentarif war auf Basis der Schwackeliste zzgl. eines Zuschlags von 30 % kalkuliert. Die Versicherung der Beklagten hat nur 510 EUR erstattet; die Differenz i.H.v. 1.515,33 EUR bildete insoweit in erster Instanz den Streitgegenstand.
Zu den näheren Umständen der Anmietung des Ersatzfahrzeugs oder zu etwaigen vorangegangenen Preisvergleichen hat der Kläger nichts vorgetragen. Sein beschädigtes Fahrzeug war noch betriebsfähig und verkehrssicher. Er beruft sich auf die "Schwackeliste 2006", die Beklagte hält die demgegenüber wesentlich niedrigeren Mietkostenwerte auf Grundlage des Mietwagen - Marktpreisspiegels des Fraunhofer-Instituts, (465,99 EUR = 271,83 EUR Wochenpreis/7 × 12 Anmietungstage) für maßgeblich.
Das LG hat der Klage hinsichtlich der Mietwagenkosten nur i.H.v. 31,08 EUR stattgegeben und sie im Übrigen abgewiesen. Es hat die erforderlichen Mietwagenkosten auf der Grundlage des Fraunhofer-Marktpreisspiegels 2009 gem. § 287 ZPO auf 45,09 EUR für 12 Tage = 541,08 EUR geschätzt und die durch den Kläger gegenüber diesem Mietpreisspiegel erhobenen methodischen Bedenken nicht geteilt.
Hiergegen richtet sich die Berufung des Klägers, der beantragt, die Beklagte unter Abänderung der angefochtenen Entscheidung zu verurteilen, an ihn weitere 1484,25 EUR nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz zu zahlen.
Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.
Sie verteidigt das angefochtene Urteil.
Zur Ergänzung des Sach- und Streitstands wird auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils, das Protokoll der mündlichen Verhandlung vor dem Senat vom 24.6.2009 sowie auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.
II. Die Berufung hat keinen Erfolg. Die durch das LG gem. § 287 ZPO auf der Grundlage der "Fraunhofer-Liste" vorgenommene Schätzung der Höhe der ersatzfähigen Mietwagenkosten des Klägers begegnet keinen durchgreifenden tatsächlichen oder rechtlichen Bedenken.
21) Der Geschädigte kann nach § 249 Abs. 2 Satz 1 BGB als Herstellungsaufwand den Ersatz derjenigen Mietwagenkosten verlangen, die ein verständiger, wirtschaftlich vernünftig denkender Mensch in seiner Lage für zweckmäßig und notwendig halten darf. Er hat nach dem aus dem Grundsatz der Erforderlichkeit hergeleiteten Wirtschaftlichkeitsgebot im Rahmen des ihm Zumutbaren stets den wirtschaftlicheren Weg der Schadensbehebung zu wählen. Das bedeutet für den Bereich der Mietwagenkosten, dass er von mehreren auf dem örtlich relevanten Markt - nicht nur für Unfallgeschädigte - erhältlichen Tarifen für die Anmietung eines vergleichbaren Ersatzfahrzeugs (innerhalb eines gewissen Rahmens) grundsätzlich nur den günstigeren Mietpreis verlangen kann (BGH, 14.10.2008 - VI ZR 308/07, VersR 2008, 1706; zuletzt; BGH NJW 2009, 58, 58; BGH, Beschl. v. 13.1.2009 - VI ZR 134/08).
2) Die Frage, ob ein Unfallersatztarif aufgrund unfallspezifischer Kostenfaktoren erforderlich i.S.d. § 249 Abs. 2 Satz 1 BGB ist, kann offen bleiben, wenn feststeht, dass dem Geschädigten ein günstigerer "Normaltarif in der konkreten Situation ohne weiteres zugänglich war, so dass ihm eine kostengünstigere Anmietung unter dem Blickwinkel der ihm gem. § 254 BGB obliegenden Schadensminderungspflicht zugemutet werden konnte (vgl. BGH -14.2.2006 - VI ZR 32/05, VersR 2006, 564, 565; vom 4.7.2006 VI ZR 237/05- VersR 2006, 1425, 1426; v. 23.1.2007 - VI ZR 18/06, VersR 2007, 515, 516; v. 6.3.2007 - VI ZR 36/06, VersR 2007, 706, 707; v. 12.6.2007 - VI ZR 161/06 -, a.a.O., 1145; vom 26, Juni 2007 - Vi ZR 163/06, VersR 2007, 1286, 1287; v. 24.6.2008 - VI ZR 234/07, NJW 2008, 2910, 2911).
Ebenso kann diese Frage offen bleiben, wenn zur Überzeugung des Tatrichters feststeht, dass dem Geschädigten die Anmietung zum "Normaltarif nach den konkreten Umständen nicht zugänglich gewesen ist, denn der Geschädigte kann in einem solchen Fall einen den "Normaltarif" übersteigenden Betrag im Hinblick auf die subjektbezogene Schadensbetracht...