Entscheidungsstichwort (Thema)
Unzulässige Schmähkritik sowie unlautere Herabsetzung eines anderen Anwalts in Anwaltsschriftsätzen
Leitsatz (amtlich)
1. Die in einem anwaltlichen Schriftsatz aufgestellte Aussage, der gegnerische Rechtsanwalt begehe "gewerblich Prozessbetrug" und sei ein "Meisterbetrüger", stellt eine verfahrensrechtlich nicht privilegierte, unzulässige Schmähkritik dar; dies gilt ohne Rücksicht darauf, ob der Vorwurf des Prozessbetrugs in Einzelfällen berechtigt ist.
2. Der von einem Rechtsanwalt öffentlich oder in Schriftsätzen einem anderen Rechtsanwalt gegenüber erhobene Vorwurf des Prozessbetrugs stellt eine unlautere (§ 4 Nr. 7 UWG) Herabsetzung eines Mitbewerbers dar, wenn dies ohne konkreten Bezug zum weiteren Inhalt der Gesamtäußerung steht. Soweit der Vorwurf in einem Schriftsatz erfolgt, kann sich der Rechtsanwalt jedenfalls dann nicht auf den Grundsatz der verfahrensrechtlichen Privilegierung berufen, wenn an dem Verfahren, zu dem der Schriftsatz eingereicht wird, weder der andere Rechtsanwalt noch dessen Mandant beteiligt sind.
Normenkette
BGB § 823 Abs. 1, § 1004; UWG § 4 Nr. 7
Verfahrensgang
Tenor
Das Versäumnisurteil vom 13.6.2013 wird aufrechterhalten.
Dem Beklagten werden die weiteren Kosten des Rechtsstreits auferlegt.
Dieses Urteil und das angefochtene Urteil - soweit es durch das Versäumnisurteil bestätigt worden ist - sind ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte kann die Zwangsvollstreckung des Klägers durch Sicherheitsleistung i.H.v. 170.000 EUR abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Zwangsvollstreckung Sicherheit in entsprechender Höhe leistet.
Gründe
I. Die Parteien sind Rechtsanwälte. Der Kläger verlangt von dem Beklagten Unterlassung geschäftsehrverletzender Äußerungen. Wegen des Sachverhalts wird gem. § 540 Abs. 1 Nr. 1 ZPO auf die tatsächlichen Feststellungen in dem angefochtenen Urteil des LG Frankfurt/M. verwiesen.
Das LG hat den Beklagten verurteilt, es bei Meidung gesetzlicher Ordnungsmittel zu unterlassen, den Kläger in Newslettern als Prozessbetrüger zu bezeichnen, wenn dies geschieht wie im Newsletter 262 vom 9.3.2011 (Anlage K 9), sowie den Kläger in Schriftsätzen, die in Verfahren eingereicht werden, in denen die X Bank oder die X Bank 1 AG nicht Prozesspartei und der Kläger nicht deren Prozessbevollmächtigter ist, als Prozessbetrüger zu bezeichnen, wenn dies geschieht wie im Schriftsatz des Beklagten vom 9.5.2011 (Anlage K 20). Die weiter gehende Klage ist abgewiesen worden.
Der Kläger hat gegen das Urteil form- und fristgerecht Berufung eingelegt, mit der er unter Wiederholung seines bisherigen Vortrags das Ziel verfolgt, dem Beklagten über die bisherige Verurteilung hinaus zu verbieten, den Kläger in Schriftsätzen an ein Gericht als "gewerblich Prozessbetrug begehenden Rechtsanwalt Y" oder "Meisterbetrüger Y" zu bezeichnen. Der Beklagte hat Anschlussberufung eingelegt, mit der er unter Wiederholung und Vertiefung seines bisherigen Vortrags vollständige Klageabweisung erreichen will.
Im Verhandlungstermin vom 13.6.2013 hat der Beklagte keine Anträge gestellt. Der Senat hat auf Antrag des Klägers gegen den Beklagten am selben Tag Versäumnisurteil erlassen, mit dem das am 23.2.2012 verkündete Urteil der 3. Zivilkammer des LG Frankfurt/M. teilweise abgeändert und den Beklagten über die erfolgte Verurteilung hinaus verurteilt hat, es bei Meidung der vom LG angedrohten Ordnungsmittel zu unterlassen, den Kläger in Schriftsätzen an ein Gericht als "gewerblich Prozessbetrug begehenden Rechtsanwalt Y" oder "Meisterbetrüger Y" zu bezeichnen. Die Anschlussberufung des Beklagten ist zurückgewiesen und ihm sind die Kosten des Rechtsstreits auferlegt worden.
Der Beklagte hat gegen das Versäumnisurteil form- und fristgerecht Einspruch eingelegt. Er weist darauf hin, dass an die Einstufung einer Äußerung als sog. "Schmähkritik" besonders hohe Anforderungen zu stellen sind. Dies habe das BVerfG in einer aktuellen Entscheidung vom 2.7.2013 (1 BVR 1751/12, NJW 2013, 3021 "Winkeladvokatur") nochmals verdeutlicht. Eine herabsetzende Äußerung müsse in dem Gesamtzusammenhang, in dem sie gefallen sei, beurteilt werden. Ferner müsse eine Abwägung der gegenseitigen Interessen vorgenommen werden. Es sei zu berücksichtigen, dass der Begriff des "gewerbsmäßigen Betrügers" im Hinblick auf § 263 Abs. 3 S. 2 Nr. 1 StGB ein Rechtsbegriff sei, der der juristischen Wertung zugänglich sei. Ferner habe der Beklagte den Begriff "Meisterbetrüger Y" so gewählt und verstanden, dass es aus Sicht des Beklagten eine erhebliche Leistung darstelle, die Instanzgerichte und den BGH über Jahre hinweg "an der Nase herumzuführen". Ergänzend trägt der Beklagte mit Verweis auf mehrere Rechtsstreitigkeiten von Kapitalanlegern gegen die X Bank vor, dass der Beklagte dort bewusst den Gerichten einen falschen Sachve...