Entscheidungsstichwort (Thema)
Unterbringung eines psychotischen Patienten zur Verhinderung von Suizid
Leitsatz (amtlich)
Anforderungen an ein Allgemeinkrankenhaus zur Unterbringung eines akut psychiotischen Patienten zwecks Verhinderung von Selbstgefährdung/Suizid Unterbringung eines psychotischen Patienten zur Verhinderung von Suizid
Normenkette
FrhEntzG HE § 10
Verfahrensgang
LG Frankfurt am Main (Urteil vom 10.07.2007; Aktenzeichen 2-18 O 282/02) |
Tenor
Auf die Berufung der Beklagten wird das am 10.7.2007 verkündete Urteil des LG Frankfurt/M. (2-18 O 282/02) abgeändert.
Die Klage wird abgewiesen.
Der Kläger hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung i.H.v. 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit i.H.v. 110 % des zu vollstreckenden Betrages leistet.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Der Gebührenstreitwert des erstinstanzliche Verfahrens beträgt 125.000 EUR und der des Berufungsverfahrens beträgt 87.500 EUR.
Gründe
I.Der Kläger nimmt die Beklagte, die Krankenhausträgerin der A in O1, mit am 26.6.2003 eingegangener Klage auf Schmerzensgeld i.H.v. 125.000 EUR und Feststellung der Ersatzpflicht für künftigen immateriellen und allen materiellen Schaden in Anspruch.
Bei dem Kläger war erstmals 1991 eine paranoid-halluzinatorische Psychose aufgetreten, die sich 1995 wiederholte. Wegen seit 3 Tagen andauernder Schlaflosigkeit, motorischer Unruhe, Verwirrtheit und Agitiertheit nahm der Kläger am 9.10.1998 zwei Tabletten des Schlafmedikaments ... ein. Nach der Einnahme schlief der Kläger kurz und verließ dann in verwirrtem, unruhigem Zustand seine Wohnung. Nach kurzem Umherirren brach er in einem Geschäft zusammen. Der herbeigerufene Notarzt brachte den Kläger nach der Erstversorgung als Notfall mit dem Verdacht auf eine paradoxe Reaktion auf das Schlafmedikament gegen 14.45 Uhr in die A in O1. Nach der Erstuntersuchung erfolgte die Aufnahme des Klägers auf der inneren Station C 5 im 5. Obergeschoss. Die damalige Ärztin im Praktikum, die Zeugin Z1, fand bei der durchgeführten körperlichen Untersuchung keine Auffälligkeiten. Der Kläger verhielt sich ruhig, ohne Zeichen von Verwirrtheit, motorischer Unruhe oder oraler Automatismen und war vollständig orientiert. Er wirkte verlangsamt und introvertiert. Die Zeugin Z1 bat die Angehörigen, den Kläger nicht allein zu lassen. Die Mutter, die Zeugin Z2, blieb daraufhin bei ihm. Die Zeugin Z1 versuchte aufgrund der bekannten paranoid-halluzinatorischen Psychose sowie des Verdachts auf eine erneute akute Psychose, die Verlegung des Klägers in eine psychiatrische Klinik zu organisieren. Die diensthabende Ärztin der zuständigen Psychiatrie in O2 (B) lehnte in zwei Telefonaten die Übernahme des Patienten wegen Vollbelegung ab. Sie wies darauf hin, dass eine Fixierung bei suizidgefährdeten Patienten nach § 10 HFEG auch auf internistischen Stationen möglich sei. Da der Kläger jedoch ruhig und verlangsamt war und keine Suizidgedanken äußerte, verzichtete die Zeugin Z1 auf die Fixierung. Sie besprach sich mit dem Stationsarzt. Weiterhin bemühte sie sich um die Verlegung des Klägers auf eine Station im Erdgeschoss, was aus Mangel an freien Betten nicht gelang. Währenddessen kontrollierte die Zeugin Z1 mehrfach den Zustand des Klägers. Obgleich sie den Kläger gegen 19.10 Uhr ruhig vorfand, entschied sie sich, ihn in das zuständige psychiatrische Krankenhaus zu verlegen. Zwischenzeitlich sprang der Kläger jedoch abrupt auf, riss ein Fenster auf und stürzte sich in suizidaler Absicht in die Tiefe. Er erlitt schwerste Verletzungen.
Der Kläger hat behauptet, seine aufgrund der akuten Psychose bestehende akute Selbstmordgefährdung sei erkennbar gewesen und von der Zeugin Z1 auch erkannt worden. Das Unterlassen geeigneter Sicherungsmaßnahmen stelle einen der Beklagten zu 1. zurechenbaren Behandlungsfehler dar. Die Beklagte zu 1. habe zudem die ihr obliegenden Sicherungspflichten verletzt: Bei Aufnahme akut psychotischer Patienten auf einer internistischen Station eines allgemeinen Krankenhauses sei bis zur Verlegung des Patienten in ein PKH von dem Krankenhausträger organisatorisch zu fordern, dass er
Die Beklagte hat einen Behandlungsfehler in Abrede gestellt, da lediglich eine latente Selbstmordgefährdung erkennbar gewesen sei. Die von dem Kläger dargestellte räumliche und personelle Ausstattung sei weder zu fordern noch zu leisten. Hinsichtlich der deliktischen Ansprüche hat die Beklagte die Einrede der Verjährung erhoben.
Nach Zeugenvernehmung Z2 und Z1 (Bl. 110-113, 113-117 d.A.) sowie nach Einholung eines psychiatrischen Gutachtens Prof. Dr. med. Dr. phil. SV1 (Bl. 165-195 d.A.) hat das LG mit Urteil vom 10.7.2007 dem Schmerzensgeldanspruch i.H.v. 62.5...