Entscheidungsstichwort (Thema)
Unlauteres Verhalten durch herabsetzende Äußerungen über Mitbewerber
Leitsatz (amtlich)
Die gegenüber einem Dritten getätigte Äußerung, ein Mitbewerber habe noch "eine ganze Reihe von vertraglichen Pflichten zu erledigen", ist nicht als Tatsachenbehauptung, sondern als Meinungsäußerung einzustufen. Die Äußerung stellt jedenfalls dann keine unlautere Herabsetzung (§ 4 N. 1 UWG) des Mitbewerbers dar, wenn die Äußerung als Reaktion auf ein Schreiben des Mitbewerbers an den Dritten erfolgt, in welchem der Mitbewerber seinerseits die Verletzung vertraglicher Pflichten durch den Äußernden in den Raum gestellt hat.
Normenkette
UWG § 4 Nr. 1
Verfahrensgang
LG Frankfurt am Main (Entscheidung vom 19.09.2018; Aktenzeichen 3/8 O 94/18) |
Tenor
Die Berufung der Antragstellerin gegen das Urteil der 8. Kammer für Handelssachen des Landgerichts Frankfurt a.M. vom 19.09.2018, 3-08 O 94/18 wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Berufungsverfahrens trägt die Antragstellerin.
Das Urteil ist rechtskräftig.
Der Streitwert wird auf 35.000,- EUR festgesetzt.
Gründe
I. Von der Darstellung des Sachverhalts wird gemäß §§ 540 II i.V.m. 313a ZPO abgesehen.
II. Es kann dahinstehen, ob - wie das Landgericht meint - dem Verfügungsantrag aufgrund der Privilegierung vorgerichtlicher Äußerungen das Rechtsschutzbedürfnis fehlt, da der Verfügungsantrag jedenfalls unbegründet ist. Der Antragstellerin steht der geltend gemachte Unterlassungsanspruch aus keinem rechtlichen Gesichtspunkt zu.
Der Senat kann die Zulässigkeit des Verfügungsantrages dahinstehen lassen. Soweit im Klageverfahren aufgrund der unterschiedlichen Rechtskrafterstreckung der als unzulässig und der als unbegründet abgewiesenen Klagen das Gericht im Regelfall die Zulässigkeit nicht dahinstehen lassen kann, gilt dies im einstweiligen Verfügungsverfahren nicht, da insoweit aufgrund des nur vorläufigen Charakters schon gar keine Rechtskraft eintritt.
Den geltend gemachten Unterlassungsanspruch kann die Antragstellerin nicht auf §§ 8 I, 4 Nr. 2 UWG stützen, da es an einer tatbestandlich notwendigen Tatsachenbehauptung fehlt.
Tatsachen sind Vorgänge oder Zustände, deren Vorliegen oder Nichtvorliegen dem Wahrheitsbeweis zugänglich ist (vgl. BGH GRUR 1997, 396, 398 [BGH 31.01.1996 - VI ZR 386/94], Rnr. 38 - Polizeichef; BGH GRUR 2009, 1186 [BGH 14.05.2009 - I ZR 82/07] Rnr. 15 - Mecklenburger Obstbrände; BGH WRP 2016, 843 [BGH 31.03.2016 - I ZR 160/14] Rnr. 23 - Im Immobiliensumpf). Im Gegensatz dazu sind Werturteile nicht dem Beweis ihrer objektiven Richtigkeit zugänglich, sondern durch das Element des Wertens, Meinens und Dafürhaltens geprägt (BGH WRP 2018, 682 Rn. 29 - Verkürzter Versorgungsweg II). Oft steckt jedoch in einem Werturteil zugleich die Behauptung einer Tatsache; dann gelten insoweit die obigen Grundsätze. Ist die Abgrenzung nicht durchführbar, weil Tatsachenbehauptung und Werturteil vermengt werden, kommt es darauf an, ob nach der Auffassung der Verkehrskreise das Gewicht mehr auf dem tatsächlichen oder mehr auf dem wertenden Moment liegt. Letzteres ist dann anzunehmen, wenn eine Trennung der tatsächlichen und der wertenden Gehalte den Sinn der Äußerung aufhöbe oder verfälschte. In diesem Fall wird die Äußerung insgesamt als Werturteil behandelt (vgl. BVerfGE 85, 1, 15 f.; BGH NJW 2016, 1584 [BGH 19.01.2016 - VI ZR 302/15] Rnr. 18; BGH WRP 2018, 682 [BGH 01.03.2018 - I ZR 264/16] Rnr. 29 - Verkürzter Versorgungsweg II).
Danach liegt der Schwerpunkt der Äußerung der Antragsgegnerin hier im wertenden Bereich, so dass sie als Werturteil anzusehen ist. Der Vorwurf rechtswidrigen oder unlauteren Verhaltens (z.B. "betrügerisch", "illegal", "korrupt", "standeswidrig"; "Plagiat") ist grundsätzlich als Werturteil anzusehen (vgl. BGH NJW 2002, 1192, 1193 [BGH 29.01.2002 - VI ZR 20/01] ; BGH WRP 2009, 631 [BGH 03.02.2009 - VI ZR 36/07] Rnr. 15 - Fraport-Manila-Skandal; Senat GRUR-RR 2014, 391, 393). Insbesondere ist von einem Werturteil auszugehen, wenn ein strafrechtlich relevanter Vorwurf erhoben wird, der eine komplexe rechtliche Würdigung erfordert und bei dem der wertende Gehalt der Äußerung einen etwaigen Tatsachenkern überlagert (BGH WRP 2016, 843 [BGH 31.03.2016 - I ZR 160/14] Rn. 29 ff. - Im Immobiliensumpf: "Ich halte das für organisierte Kriminalität, bei der gezielt Anleger ruiniert werden"). Für vertragliche Ansprüche bzw. den Vorwurf vertragswidrigen Verhaltens sind nach Auffassung des Senats dieselben Grundsätze anzuwenden. Ob und inwieweit eine Partei vertraglichen Verpflichtungen nicht nachgekommen ist, erfordert ebenso eine rechtliche Würdigung wie der Vorwurf sonstigen rechtswidrigen Verhaltens. Der jeder rechtlichen Würdigung zugrunde liegenden Tatsachenkern wird dabei von dem wertenden Gehalt der Äußerung überlagert. In der Äußerung der Antragsgegnerin, vor Auslieferung des Video-Materials und Veröffentlichung seien "eine ganze Reihe von vertraglichen Pflichten zu erledigen", ist daher ein Werturteil zu sehen.
Aber auch aus §§ 8 I, 4 Nr. 1 UWG e...