Entscheidungsstichwort (Thema)
Negative Äußerungen eines Autors über Bücher von Wettbewerbern ("Schrottbücher")
Leitsatz (amtlich)
1. Äußert sich ein Autor von Ratgeberbüchern auf der Plattform eines sozialen Netzwerkes negativ über Bücher von Wettbewerbern ("Schrottbücher"), liegt ein Verstoß gegen § 4 Nr. 1 UWG dann nicht vor, wenn eine Gesamtwürdigung unter Berücksichtigung des Rechts auf freie Meinungsäußerung ergibt, dass eine Herabsetzung nicht vorliegt.
2. Dabei kann sich zugunsten des Autors auswirken, dass über die anderen Wettbewerber nicht identifizierend berichtet wird.
Normenkette
GG Art. 5 Abs. 1; UWG § 4 Nr. 1
Verfahrensgang
LG Frankfurt am Main (Beschluss vom 31.01.2022; Aktenzeichen 2-3 O 45/22) |
Tenor
Die Entscheidung ist nicht anfechtbar.
Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Beschwerdeverfahrens hat die Antragstellerin zu tragen.
Der Beschwerdewert sowie der Wert des Verfahrens in erster Instanz werden auf 35.000 EUR festgesetzt.
Gründe
I. Die Antragstellerin vertreibt auf der Amazon-Plattform Ratgeberbücher, u.a. zum Thema Persönlichkeitsentwicklung. Der Antragsgegner ist Verleger und Autor von Büchern zur Persönlichkeitsentwicklung. Er veröffentlichte auf der Plattform "A" am XX.XX.2021 folgenden Beitrag:
(Von der Darstellung wird abgesehen - die Red.)
Der Link führte zu einer umfangreichen Darstellung des Antragsgegners mit dem Titel "Wettbewerbswidrige Schrottbücher übernehmen den Ratgebermarkt" (Anlage LHR4).
Das Landgericht hat den auf Unterlassung der Verbreitung des Beitrages gerichteten Unterlassungsantrag zurückgewiesen und auf die sofortige Beschwerde hiergegen dieser nicht abgeholfen und die Sache dem Senat zur Entscheidung vorgelegt.
II. Die zulässige Beschwerde hat in der Sache keinen Erfolg. Das Landgericht hat den Verfügungsantrag mangels Vorliegens eines Verfügungsanspruchs zu Recht zurückgewiesen.
1. Der Antragsgegner hat bei seiner Veröffentlichung in Wettbewerbsabsicht gehandelt.
Zwar sind negative Urteile über - auch ungenannte - Wettbewerber objektiv geeignet, den Wettbewerb der Konkurrenten zum Nachteil der Betroffenen zu fördern. Hieraus kann aber noch nicht ohne weiteres auf das Vorliegen einer entsprechenden Absicht geschlossen werden. Bei redaktionellen Beiträgen in den Medien fehlt es wegen des Presse- und Rundfunkprivilegs gemäß Art. 5 Abs. 1 GG grundsätzlich an einer geschäftlichen Handlung (BGH GRUR 95, 270, 272 - Dubioses Geschäftsgebaren; BGH GRUR 02, 987, 993 - Wir Schuldenmacher). Kritische Äußerungen über Gewerbetreibende in Presse, Rundfunk und Fernsehen fallen daher weitgehend aus dem Anwendungsbereich des § 4 Nr. 1 UWG heraus und sind nach §§ 823 ff. BGB zu beurteilen (BGH GRUR 86, 812, 813 - Gastrokritiker; BGH GRUR 98, 167, 168 - Restaurantführer). Auch private Blogs können unter § 4 Nr. 1 UWG fallen, wenn die Äußerung auch der Förderung des Unternehmens dient, bei dem der Blogger tätig ist.
Der Antragsgegner betreibt allerdings kein redaktionell gestaltetes Angebot etwa in Form eines Blogs oder ähnlichem, sondern hat auf der A-Seite seines Unternehmens B.de ein Posting erstellt. Wie sich aus der Anlage LHR3 ergibt, nutzt der Antragsgegner diese Seite zur Bewerbung seiner beruflichen Tätigkeit, u.a. in Form von Werbung für sein neues Buch. Anlass, an einer geschäftlichen Handlung zu zweifeln, besteht daher nicht.
2. Das Landgericht ist jedoch zu Recht davon ausgegangen, dass ein Unterlassungsanspruch aus §§ 8 Abs. 1, 3, 4 Nr. 1 UWG nicht besteht.
a) Einer Herabsetzung stünde allerdings nicht entgegen, dass die Antragstellerin in der streitgegenständlichen Veröffentlichung weder namentlich genannt noch sonst wie identifizierbar ist. Der Antragsgegner beschreibt vielmehr nur allgemein das Verhalten einiger "schwarzer Schafe" in der Branche.
Ob auch ohne Identifizierung eines konkreten Wettbewerbers eine Herabsetzung im Sinne von § 4 Nr. 1 UWG vorliegen kann, ist umstritten. So wird vertreten, dass im Rahmen von § 4 Nr. 1 UWG der betroffene Mitbewerber nicht erkennbar gemacht werden muss (OLG Saarbrücken GRUR-RR 2014, 150, 152; OLG Düsseldorf WRP 2020, 88 Rn. 64), weshalb § 4 Nr. 1 UWG auch und gerade bei der kollektiven Herabsetzung oder Verunglimpfung eingreife (so auch OLG Frankfurt am Main, Urteil vom 18.2.2021 - 6 U 181/20; OLG Hamburg GRUR-RR 2010, 257; OLG Hamm WRP 2017, 609 Rn. 29; OLG Düsseldorf WRP 2020, 88 Rn. 64; Harte-Bavendamm/Hennig-Bodewig UWG, 5. Aufl. 2021, § 4 Nr. 1 Rn. 26). Dies wird - auch unter Verweis auf den Wortlaut - teilweise abgelehnt (Ohly/Sosnitza UWG, 7. Aufl. 2016, § 4 Rn. 1/10). Im Ergebnis kann dies jedoch dahinstehen.
b) Das Landgericht ist nämlich zu Recht davon ausgegangen, dass es an einer Herabsetzung oder Verunglimpfung im Sinne von § 4 Nr. 1 UWG fehlt.
(1) Herabsetzung ist die sachlich nicht gerechtfertigte Verringerung der Wertschätzung des Mitbewerbers (oder seines Unternehmens und/oder seiner Leistungen) durch ein abträgliches Werturteil oder eine abträgliche wahre oder unwahre Tatsachenbehauptung; Verunglimpfung ...