Entscheidungsstichwort (Thema)
Anlageberatung durch Banken beim Vertrieb von eigenemittierten Zertifikaten
Leitsatz (amtlich)
1. Beim Vertrieb von Zertifikaten im Festpreisgeschäft sind beratende Banken zur Offenlegung von Rabatten auf den Emissionspreis verpflichtet.
2. Zur anleger- und anlagegerechten Kundenberatung durch Banken beim Vertrieb von eigenemittierten Zertifikaten
Normenkette
BGB § 280 Abs. 1
Verfahrensgang
LG Frankfurt am Main (Urteil vom 14.10.2010; Aktenzeichen 2-12 O 32/10) |
Tenor
Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des LG Frankfurt/M. vom 14.10.2010 (Az.: 2-12 O 32/10) abgeändert.
Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 18.250 EUR nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 30.9.2009 Zug um Zug gegen Übereignung von 20 Stück Lehman Brothers Global Champion Zertifikate (WKN 0AMJHE) zu zahlen.
Es wird festgestellt, dass sich die Beklagte mit der Annahme der 20 Stück Lehman Brothers Global Champion Zertifikate (WKN 0AMJHE) in Annahmeverzug befindet.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Die weitergehende Berufung wird zurückgewiesen.
Von den Kosten des Rechtsstreits beider Instanzen tragen die Klägerin 53 % und die Beklagte 47 %.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Den Parteien bleibt nachgelassen, die Vollstreckung der gegnerischen Partei gegen Sicherheitsleistung i.H.v. 110 % des aus dem Urteil vollstreckbaren Betrages abzuwenden, wenn nicht die vollstreckende Partei vor der Vollstreckung Sicherheit i.H.v. 110 % des zu vollstreckenden Betrages leistet.
Die Revision wird zugelassen.
Gründe
I. Mit der Berufung wendet sich die Klägerin gegen die Abweisung ihrer Klage, mit der sie die Beklagte wegen fehlerhafter Anlagenberatung auf Schadensersatz in Anspruch genommen hat.
Die Klägerin verlangt Schadensersatz im Wege der Rückabwicklung zweier Wertpapieranlagegeschäfte, Feststellung des Annahmeverzugs sowie Erstattung vorprozessual entstandener Rechtsanwaltsgebühren.
Die Klägerin erwarb am 6.2.2007 20 Stück Lehman Brothers Global Champion Zertifikate (WKN A0MJHE) und am 11.7.2007 180 Stück Dresdner Bonus Express Zertifikate V (WKN DR5YGJ). Beiden Wertpapiergeschäften gingen Telefongespräche zwischen der Klägerin und einem Mitarbeiter der Rechtsvorgängerin der Beklagten (nachfolgend auch: Beklagte), dem Zeugen Z1, voraus, in deren Rahmen Herr Z1 der Klägerin die vorgenannten Wertpapiere vorstellte und zum Erwerb vorschlug. Die Beklagte führte die beiden Kaufordern der Klägerin im Wege des Festpreisgeschäfts aus, wobei ihr im Zusammenhang mit dem Verkauf der Lehman Brothers Global Champion Zertifikate von der Emittentin mit 3,5 % des Nennbetrags vergütet wurde.
Hinsichtlich des Weiteren Sachverhalts wird gem. § 540 Abs. 1 Nr. 1 ZPO auf die tatsächlichen Feststellungen im angefochtenen Urteil Bezug genommen.
Die Klägerin hat erstinstanzlich beantragt,
I. die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin 38.597,92 EUR zu zahlen nebst Zinsen seit dem 30.7.2009 i.H.v. 5 % über dem Basiszinssatz Zug-um-Zug gegen Übereignung von
- 20 Stück Lehman Brothers Global Champion Zertifikate (WKN 0AMJHE),
- 180 Stück Dresdner Bonus Express Zertifikate V (WKN DR5YgJ);
II. festzustellen, dass sich die Beklagte mit der Annahme der insgesamt 200 Stück der im Antrag I. näher bezeichneten Zertifikate in Annahmeverzug befinde;
III. die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin vorgerichtliche Anwaltskosten i.H.v. 1.419,19 EUR zu zahlen nebst Zinsen seit dem 30.7.2009 i.H.v. 5 % über dem Basiszinssatz.
Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen.
Das LG hat die Klage abgewiesen. Hierzu hat es im Wesentlichen ausgeführt, es habe sich nach der durchgeführten Anhörung der Klägerin sowie der durchgeführten Beweisaufnahme nicht feststellen lassen, dass die Beklagte ihre Pflichten aus den zwischen den Parteien geschlossenen Anlageberatungsverträgen verletzt habe. Über das Risiko eines Totalverlusts habe die Klägerin nicht gesondert aufgeklärt werden müssen. Im Februar 2007 sowie im Juli 2007 sei die Wahrscheinlichkeit, dass die Klägerin mit den erworbenen Zertifikaten einen Totalverlust erleide, als gering anzusehen gewesen. Es sei insbesondere fernliegend gewesen, dass sich das mit den Zertifikaten verbundene Emittentenrisiko verwirklichen würde. Dies gelte auch für die Lehman-Zertifikate, die von führenden Ratingagenturen bis in den September 2008 hinein mit dem Prädikat "investment grade" eingestuft worden seien. Dass die Klägerin über das allgemeine Emittentenrisiko nicht aufgeklärt worden sei, behaupte sie selbst nicht. Auf das Risiko von Verlusten aufgrund der Entwicklung der Basisindizes habe der Zeuge Z1 die Klägerin für das Lehman Zertifikat unstreitig hingewiesen. Denn dieses ergebe sich aus der Funktionsweise des Zertifikats. Dass die Klägerin über die Bedeutung der Barriere informiert worden sei, habe sie bei ihrer persönlichen Anhörung im Termin zur mündlichen Verhandlung bekundet. Dass die Klägerin dies im Nachgang auf eine Suggestivfrage des Klägervertreters relativiert habe, sei für die Einsch...