Entscheidungsstichwort (Thema)
Ende des Staatsnotstandes der Republik Argentinien; Rückzahlung von Staatsanleihen
Leitsatz (amtlich)
Die Republik Argentinien kann die Rückzahlung von Staatsanleihen gegenüber Privatgläubigern nicht mehr mit der Berufung auf Staatsnotstand verweigern.
Normenkette
IWF-Übereinkommen Art. VIII
Verfahrensgang
LG Frankfurt am Main (Aktenzeichen 2-21 O 294/02) |
Gründe
I. Die Kläger verlangen von der Beklagten im Urkundsprozess Zahlung des Anleihebetrags aus Inhaberschuldverschreibungen mit einem Nennwert von insgesamt 1.533.875,64 EUR.
Die Beklagte begab im Dezember 1996 8 ½ % DM - Inhaberschuldverschreibungen zum Nennbetrag von je 100.000 DM mit der Wertpapierkennnummer (WKN)... In den diesen Anleihen zugrunde liegenden Anleihebedingungen (ALB) verpflichtete sich die Beklagte, an den Inhaber der Urkunde am 23.2.2005 den Nennbetrag zu zahlen. Den Inhabern wurde ein Kündigungsrecht bei Ausfall der zwischenzeitlich zugesagten Zinszahlungen eingeräumt. Des Weiteren verzichtete die Beklagte auf den Einwand der Immunität. Die Anleihe unterliegt deutschem Recht, Gerichtsstand ist Frankfurt/M. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Ablichtung der Anleihebedingungen (Blatt 40 d.A.) verwiesen.
Die Beklagte ist seit einigen Jahren mit erheblichen volkswirtschaftlichen Problemen konfrontiert, die sie am 6.1.2002 dazu veranlasst haben, mit Gesetz Nr. 25.561 den nationalen Notstand "auf sozialem, wirtschaftlichem, administrativem, finanziellem und währungspolitischen Gebiet" auszurufen. Mit Verweis auf die Verordnung Nr. 256/2002 vom 6.2.2002 und das Notstandsgesetz setzte die Beklagte durch Resolution 73/2002 ihren Schuldendienst für sämtliche in Schuldverschreibungen verbrieften Auslandsverbindlichkeiten aus, um Verhandlungen über eine Umschuldung zu erreichen (nachfolgend: Moratorium).
Die Kläger haben behauptet, der Kläger zu 1) sei Inhaber von 15 Stück der o.g. Schuldverschreibung über je 100.000 DM mit den Nummern ...-..., die Klägerin zu 2) sei Inhaberin weiterer 15 Stück der Schuldverschreibung mit den Nummern ...-... (Ablichtungen Blatt 10-39 d.A.). Sie hätten die Anleihen mit Einschreiben vom 18.4.2002 wirksam gekündigt und Rückzahlung verlangt (Blatt 43/46 d.A.). Bis heute hat die Beklagte unstreitig keine Zahlungen auf die streitgegenständlichen Anleihe- bzw. Zinsforderungen erbracht.
Die Beklagte hat vorgetragen, die Klage sei im Hinblick auf die Bestimmungen des Übereinkommens über den Internationalen Währungsfonds (IWF) unzulässig. Im Übrigen hat sie sich auf Staatsnotstand sowie privaten Notstand berufen, weil sie zahlungsunfähig sei. Der Staatsnotstand sei im Völkergewohnheitsrecht anerkannt und durch Art. 25 des Regelungsentwurfs zur Staatenverantwortlichkeit der sog. International Law Commission, einer von den Vereinten Nationen eingesetzten Expertengruppe, in seinen Voraussetzungen und Wirkungen konkretisiert. Er gelte über Art. 25 Abs. 2 des Grundgesetzes auch unmittelbar gegenüber Privatgläubigern.
Die Beklagte hat den Staatsnotstand und die Aussetzung ihres Schuldendienstes damit begründet, dass sie sich in einer schweren Wirtschaftskrise mit einer alle Wirtschaftszweige berührenden Depression befinde (reales Wirtschaftswachstum: - 11 %). Daneben wurden die erheblichen sozialen Unruhen und der Staatsbankrott zitiert. Als Eckdatum hat die Beklagte u.a. ihre Verschuldung genannt, die zum 31.3.2002 bei erdrückenden 139 % des Bruttosozialprodukts liege. Verschärft werde diese Situation, weil die Beklagte eine erhebliche "Kapitalflucht" gewärtigen müsse und zu den internationalen Kapitalmärkten keinen Zugang mehr habe. Ihre Devisenreserven stünden für einen Schuldendienst nicht zur Verfügung, da sie zur Stabilisierung des Wirtschafts- und Finanzsystems unerlässlich seien und durch laufende Kredite des Internationalen Wahrungsfonds und der Weltbank ständig ergänzt werden müssten, um die Erfüllung grundlegender Staatsaufgaben zu ermöglichen. Erst wenn ein wirtschaftliches Programm und ein finanzielles Hilfspaket mit dem Internationalen Währungsfonds vereinbart seien und sich die wirtschaftliche und soziale Lage im Land stabilisiert habe, könnten die Kapitalmarktverbindlichkeiten der Beklagten umstrukturiert werden. Die Vollstreckung einzelner Privatgläubiger könne eine Sogwirkung auf den internationalen Kapitalmärkten auslösen, die einen Erfolg der Umschuldung und der wirtschaftlichen Konsolidierung gefährde. Der Zahlungsaufschub und die geplanten Umschuldungsverhandlungen seien deshalb ihre einzig möglichen Maßnahmen, um eine schwerwiegende Gefährdung der essentiellen Staatsinteressen abzuwenden. Die Zahlungsansprüche der Privatgläubiger müssten deshalb während des Staatsnotstands ausgesetzt bleiben.
Das Notstandsgesetz der Beklagten bzw. ihr Moratorium müsse von den deutschen Gerichten im Übrigen nach den Regeln des Internationalen Privatrechts als autonome Devisenvorschrift bzw. als Eingriffsnorm beachtet werden, was einer Verurteilung entgegen stehe. Hilfsweise hat sich die Bek...