Entscheidungsstichwort (Thema)
Vergabe von Wegerechtskonzessionen für ein Energieversorgungsnetz
Leitsatz (amtlich)
1. Eine Gemeinde verstößt bei der Ausschreibung eines Wegenutzungsvertrages für ein Energieversorgungsnetz gegen das aus §§ 19 GWB, 46 EnWG hervorgehende Transparenzgebot, wenn die Ausschreibungsunterlagen und namentlich die Bewertungsmatrix nicht durchschaubar oder gar irreführend sind.
2. Der sog. "Altkonzessionär" kann seine Einwände in Bezug auf die Rechtsmäßigkeit eines Auswahlverfahrens auch dann gegenüber dem von der Gemeinde ausgewählten Energieversorgungsunternehmen geltend machen, wenn er davon abgesehen hat, die Auswahlentscheidung durch ein gegen die Gemeinde gerichtetes Eilverfahren anzufechten.
Normenkette
BGB § 134; EnWG § 46; GWB § 19
Verfahrensgang
LG Frankfurt am Main (Entscheidung vom 08.03.2017; Aktenzeichen 3-08 O 141/16) |
Nachgehend
Tenor
Die Berufung der Klägerin gegen das am 8. März 2017 verkündete Urteil der 8. Kammer für Handelssachen des Landgerichts Frankfurt am Main (Az.: 3 - 8 O 141/16) wird zurückgewiesen.
Die Klägerin hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.
Dieses Urteil und das angefochtene Urteil sind ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin kann die Zwangsvollstreckung der Beklagten durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Zwangsvollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrags leistet.
Die Revision wird zugelassen.
Der Streitwert des Berufungsverfahrens beträgt 1.200.000 EUR.
Gründe
I. Die Parteien sind Energieversorgungsunternehmen und streiten über die Berechtigung der Klägerin, von der Beklagten die Übergabe und Übereignung des im Stadtgebiet Stadt1/Kreis1 befindlichen Stromverteilungsnetzes zu fordern.
Die Beklagte ist Eigentümerin des Stromverteilnetzes und Vertragspartnerin der Stadt1 in Bezug auf den zum 1. Juni 2012 beendeten Konzessionsvertrag. Sie hat ihr Stromnetz an ihre Tochtergesellschaft A GmbH verpachtet, welche den Stromnetzbetrieb durchführt.
Auf die öffentliche Ausschreibung der Stadt1 meldeten die Klägerin und die Beklagte (über ihre Tochtergesellschaft A GmbH) ihr Interesse am Abschluss eines neuen Konzessionsvertrages. Mit Schreiben vom 30.5.2012 versandte der von der Stadt1 beauftragte Rechtsanwalt B eine erste Bewerberinformation, der verschiedene Anlagen, unter anderem eine Anlage "Bewertungsmatrix", beigefügt waren (Anlage B 2). Die Bewerber erhielten mit einer zweiten Bewerberinformation vom 12. März 2013 überarbeitete Vergabeunterlagen, darunter auch eine veränderte und neu gefasste Bewerbermatrix, bei der unter anderem der Kriterienkatalog des Oberkriteriums "Netzbetriebskonzept" ergänzt worden ist. Die Parteien gaben fristgerecht bis zum 25. März 2013 ihre Angebote ab. Wegen der Einzelheiten wird auf die Anlage K 04 und die Anlage K 05 sowie auf die Aufgliederung auf Blatt 31 - 33 d. A. verwiesen.
Das weitere Auswahlverfahren gestaltete sich wie folgt:
Mit E-Mails vom 21. Mai und vom 9. Juli 2013 bemängelte die Beklagte die Verwendung des bundeseinheitlichen SAIDI-Werts im Rahmen der Bewertung des Unterkriteriums der "mittleren störungsbedingten Nichtverfügbarkeit" (Nr. 7.7 der Bewertungsmatrix) (Anlagen B 4 und B 5). Die Streithelferin sagte zu, sich mit diesem Einwand auseinanderzusetzen (Schreiben vom 9. September 2013 - Anlage B 9). Es ist streitig, ob dieser Gesichtspunkt in einem persönlichen Gespräch anlässlich einer Sitzung des Haupt- und Finanzausschusses der Stadt1 vom 18.9.2013 mit der Beklagten diskutiert worden ist.
Die Stadtverordnetenversammlung der Stadt1 beschloss am 7. Oktober 2013, den neuen Konzessionsvertrag mit der Klägerin abzuschließen. Am 7. März 2014 gab der Bürgermeister dies im Bundesanzeiger bekannt. Dort heißt es u. a.:
"...die der Berechnungsmatrix zugrunde gelegten maßgeblichen energiewirtschaftlichen Zuschlagskriterien gem. § 1 Abs. 1 EnWG haben ergeben, dass der bezuschlagte Bieter (Anm.: die Klägerin) insbesondere über die Anforderung Preisgünstigkeit, hier durch die Höhe des Netznutzungsentgeltes und über die Anforderung an die Versorgungssicherheit, hier ausgedrückt durch den sog. SAIDI-Wert, das günstigste Angebot abgegeben hat...." (Anlage K 04).
Mit Schreiben vom 21. März 2014 teilte die A GmbH der Stadt1 mit, dass sie erhebliche Bedenken habe, ob insbesondere die Netzsicherheit und die Umweltverträglichkeit in ausreichender Weise in die Bewertung mit eingeflossen seien, dass ihrer Ansicht nach kein wirksamer Konzessionsvertrag mit der Klägerin geschlossen werden könne und dass kein Anspruch auf Netzübernahme bestehe (Anlage B 14).
Mit Absageschreiben vom 27. Mai 2014 teilte die Stadt1 der A GmbH mit, dass sie beabsichtige, den Stromkonzessionsvertrag mit der Klägerin in der 24. Kalenderwoche des Jahres 2014 durchzuführen (Anlage K 06). Die Gründe für die Nichtberücksichtigung des Angebotes der A ...