Entscheidungsstichwort (Thema)

Die zweijährige Anfechtungsfrist des § 1600b Abs. 1 S. 1 BGB beginnt zu laufen, wenn der gesetzliche Vertreter von den für die anderweitige Abstammung sprechenden Umständen Kenntnis erlangt hat. Hat ein zur Vertretung im Anfechtungsverfahren berechtigter gesetzlicher Vertreter die Frist versäumt, so läuft für seinen Nachfolger keine erneute Frist.

 

Verfahrensgang

AG Hamburg (Beschluss vom 17.11.2023; Aktenzeichen 289 F 135/23)

 

Tenor

Die sofortige Beschwerde der Mutter gegen den Beschluss des Amtsgerichts Hamburg vom 17. November 2023 wird zurückgewiesen.

 

Gründe

I. Die Mutter begehrt die Bewilligung von Verfahrenskostenhilfe für ein Verfahren zur Einrichtung einer Ergänzungspflegschaft zur Anfechtung der Vaterschaft.

Die Beschwerdeführerin ist die Mutter des 8-jährigen E. Die Vaterschaft hat ihr damaliger Partner mit ihrer Zustimmung anerkannt. Die Eltern üben das gemeinsame Sorgerecht aus. Sie ist sich jedoch sicher, dass ein anderer Mann ihr biologischer Vater ist. Da die Anfechtungsfristen der Eltern abgelaufen sind, begehrt die Mutter Verfahrenskostenhilfe zur Durchführung eines Sorgerechtsverfahrens, in welchem eine Ergänzungspflegschaft eingerichtet werden soll, damit das Kind ein Vaterschaftsanfechtungsverfahren durchführen kann. Der Sohn wolle seinen leiblichen Vater kennenlernen sowie erreichen, dass dieser in der Geburtsurkunde eingetragen werde. Es sei ihm nicht zumutbar bis zur Vollendung des 18. Lebensjahres abzuwarten.

Das Amtsgericht hat mit Beschluss vom 17. November 2023 den Antrag zurückgewiesen. Es bestünden keine Gründe für die Entziehung der elterlichen Sorge und die Einrichtung einer Ergänzungspflegschaft. Die Mutter sei für das Kind vertretungsberechtigt. Gründe für einen Entzug der elterlichen Sorge gemäß § 1629 Abs. 2 Satz 3 i.V.m. § 1789 Absatz 2 Satz 3 und 4 BGB lägen nicht vor. Dies setze einen erheblichen Interessenkonflikt zwischen dem Kind und der Kindesmutter voraus. Ein solcher Grund sei jedoch nicht ersichtlich. Im Gegenteil seien die Interessen nach dem Vortrag der Mutter gleichläufig. Gegen den Beschluss wendet sich die Mutter mit ihrer sofortigen Beschwerde. Entgegen der Ansicht des Amtsgerichts läge ein Interessengegensatz vor. Der sofortigen Beschwerde hat das Amtsgericht nicht abgeholfen.

II. Die gemäß §§ 76 Abs. 2 FamFG, 127 Abs. 2 bis 4, 567ff ZPO zulässige sofortige Beschwerde der Mutter hat in der Sache keinen Erfolg.

Das Amtsgericht hat den Antrag auf Bewilligung von Verfahrenskostenhilfe zu Recht abgelehnt. Gemäß § 114 Abs. 1 ZPO erhält eine Partei, die nach ihren persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht aufbringen kann, auf Antrag Verfahrenskostenhilfe, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint. Diese Voraussetzungen liegen nicht vor. Die Rechtsverfolgung der Mutter hat keine Aussicht auf Erfolg. Dabei kommt es nicht darauf an, ob es zwischen den Eltern und ihrem Sohn einen Interessengegensatz gibt. Die Mutter möchte ihre eigene elterliche Sorge entzogen wissen, damit ein Ergänzungspfleger die Entscheidung darüber trifft, ob ein Anfechtungsverfahren ihres Sohnes durchzuführen ist. Auf diesem Weg kann die Mutter jedoch nicht zu ihrem Ziel kommen. Die Anfechtungsfrist wäre auch bei der Bestellung eines Ergänzungspflegers gemäß § 1600b BGB verstrichen.

Gemäß § 1600a Abs. 3 BGB kann für ein in der Geschäftsfähigkeit beschränktes Kind nur der gesetzliche Vertreter anfechten. Die zweijährige Anfechtungsfrist des § 1600b Abs. 1 S. 1 BGB beginnt in diesen Fällen zu laufen, wenn der gesetzliche Vertreter von den für die anderweitige Abstammung sprechenden Umständen Kenntnis erlangt hat. Da die Mutter nicht mit dem rechtlichen Vater verheiratet war, ist allein auf ihre Kenntnis abzustellen (vgl. Müko/Wellenhofer, 9. Auflage 2024, § 1600b Rn. 33). Sie hatte - worauf sie selbst im Verfahren hinweist - von der fehlenden Abstammung des Kindes vom rechtlichen Vater bereits mit der Anerkennung Kenntnis, so dass die Anfechtungsfrist abgelaufen ist. Hat aber ein zur Vertretung im Anfechtungsverfahren berechtigter gesetzlicher Vertreter die Frist versäumt, so läuft für seinen Nachfolger keine erneute Frist (vgl. OLG Hamburg, B. v. 17. April 2015 - 12 UF 217/13, FamRZ 2016, 69, juris Rn. 55ff.; OLG Celle, B. v. 4.10.2011 - 15 WF 84/11, FamRZ 2012, 567, juris Rn. 19; OLG Bamberg, B. v. 19.9.1991 - 2 W 6/91, FamRZ 1992, 220, juris Rn. 11; Müko/Wellenhofer, 9. Auflage 2024, § 1600b Rn. 33; Staudinger/Rauscher (2011), § 1600b Rn. 39f; BeckOGK/Reuß, Stand 1.11.2023, § 1600b Rn. 45). Deswegen käme die Mutter auch mit dem Entzug der elterlichen Sorge und dem Einsetzen eines Ergänzungspflegers nicht zu ihrem Ziel.

Eine Kostenentscheidung ist gemäß §§ 76 Abs. 2 FamFG, 127 Abs. 4 ZPO sowie Nr. 1912 Anlage 1 zu § 3 Abs. 2 FamGKG nicht erforderlich.

 

Fundstellen

Haufe-Index 16195579

NZFam 2024, 568

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