Leitsatz (amtlich)

Erfolgt die Rücknahme der Berufung nach verfrühtem Zurückweisungsantrag kann in besonderen Fallkonstellationen (spätere Vorlage einer Berufungsbegründung mit Berufungsanträgen und Stellungnahme des Berufungsbeklagten zum PKH-Antrag des Berufungsklägers) eine 1,6-Verfahrensgebühr nach § 13 RVG, Nr. 3200 RVG-VV erstattungsfähig sein.

 

Verfahrensgang

LG Hamburg (Beschluss vom 12.07.2006; Aktenzeichen 331 O 252/03)

 

Tenor

I. Auf die sofortige Beschwerde der Beklagten wird der Kostenfestsetzungsbeschluss des LG Hamburg, Zivilkammer 31, Geschäfts-Nr. 331 O 252/03, vom 12.7.2006 dahingehend abgeändert, dass an weiteren von der Klägerin an die Beklagte nach dem vorläufig vollstreckbaren Beschluss des Hanseatischen OLG, 14. Zivilsenat, Geschäfts-Nr. 14 U 7/06, vom 2.6.2006 zu erstattenden Kosten 323,28 EUR, mithin insgesamt 1.073,70 EUR festgesetzt werden.

II. Die Kosten der Beschwerde trägt die Klägerin.

III. Der Wert des Beschwerdeverfahrens beträgt 323,28 EUR.

IV. Die Rechtsbeschwerde zum BGH wird zugelassen.

 

Gründe

I. Am 6.1.2006 hat die Klägerin Berufung gegen das ihre Klage abweisende Urteil des LG Hamburg, Zivilkammer 31, Geschäfts-Nr. 331 O 252/03, vom 7.12.2005 eingelegt, ohne diese näher zu begründen oder Berufungsanträge zu stellen. Unter dem 16.1.2006 hat der Prozessbevollmächtigte der Beklagten sich für das Berufungsverfahren vor dem Hanseatischen OLG, 14. Zivilsenat, Geschäfts-Nr. 14 U 7/06, zur Akte legitimiert und einen nicht weiter begründeten Zurückweisungsantrag gestellt. Nach Fristverlängerung hat die Prozessbevollmächtigte der Klägerin mit Schriftsatz vom 8.3.2003 Berufungsanträge und einen Antrag auf Gewährung von Prozesskostenhilfe gestellt sowie diese Anträge begründet. Nach Stellungnahme der Beklagten vom 20.3.2006 zum Prozesskostenhilfegesuch der Klägerin hat der 14. Zivilsenat mit Beschluss vom 5.5.2006 den Antrag der Klägerin auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe zurückgewiesen und die Klägerin darauf hingewiesen, dass der Senat beabsichtige, die Berufung nach § 522 Abs. 2 Satz 1 ZPO zurückzuweisen. Nach Rücknahme der Berufung durch die Klägerin am 1.6.2006 sind ihr durch Beschluss des 14. Zivilsenates vom 2.6.2006 die Kosten des Berufungsverfahrens gem. § 516 Abs. 3 ZPO auferlegt worden.

Für die Vertretung im Berufungsverfahren macht die Beklagte eine 1,6-Verfahrensgebühr nach § 13 RVG, Nr. 3200 RVG-VV, bezogen auf einen Streitwert von 16.000 EUR nebst Auslagenpauschale (Nr. 7002 RVG-VV) und Mehrwertsteuer (Nr. 7008 RVG-VV), insgesamt 1.073,70 EUR, geltend. Im von der Beklagten mit der vorliegenden sofortigen Beschwerde angefochtenen Kostenfestsetzungsbeschluss des LG Hamburg, Zivilkammer 31, Geschäfts-Nr. 331 O 252/03, vom 12.7.2006 sind auf der Grundlage lediglich einer 1,1-Verfahrensgebühr nach § 13 RVG, Nr. 3201 Ziff. 1 RVG-VV die von der Klägerin an die Beklagte zu erstattenden Kosten auf 745,42 EUR festgesetzt worden.

Gegen diese Kostenfestsetzung wendet sich die Beklagte mit ihrer sofortigen Beschwerde vom 26.7.2006, der das LG mit Verfügung vom 27.7.2006 nicht abgeholfen hat. Sie meint, aufgrund des Umstandes, dass die Klägerin nicht nur Berufung eingelegt, sondern eben auch einen Berufungsantrag gestellt sowie die Berufung umfangreich begründet hätte, bevor dann die Rücknahme erklärt worden wäre, sei eine 1,6-Gebühr anzusetzen.

II. Die sofortige Beschwerde der Beklagten vom 26.7.2006 ist zulässig, insb. form- und fristgemäß, und in der Sache auch begründet.

I. Soweit das LG Hamburg, Zivilkammer 31, in seinem Kostenfestsetzungsbeschluss vom 12.7.2006, Geschäfts-Nr. 331 O 252/03, die von der Klägerin an die Beklagte nach dem vorläufig vollstreckbaren Beschluss des Hanseatischen OLG, 14. Zivilsenat, Geschäfts-Nr. 14 U 7/06, vom 2.6.2006 zu erstattenden außergerichtlichen Kosten auf 745,42 EUR festgesetzt, dabei lediglich eine 1,1-Verfahrensgebühr nach § 13 RVG, Nr. 3201 Ziff. 1 RVG-VV angesetzt und dies damit begründet hat, dass vor der Berufungsrücknahme keine der in Nr. 3201 Ziff. 1 RVG-VV genannten Tätigkeiten von der Beklagten vorgenommen worden seien, folgt der Senat dieser Einschätzung nicht. Zwar weist das LG in seiner Nichtabhilfeentscheidung zutreffend darauf hin, dass ein Sachvortrag der Beklagten formell allein im Rahmen ihrer Stellungnahme vom 20.3.2006 zum PHK-Gesuch der Klägerin erfolgte, entscheidend ist allerdings, dass die Beklagte einen - wenn auch (zunächst) verfrühten - Zurückweisungsantrag gestellt und der 14. Zivilsenat nach - zeitlich späterem - Einreichen einer Berufungsbegründung durch die Kläger u.a. einen Hinweis über die Aussichtlosigkeit der Berufung Hinweisbeschluss nach § 522 Abs. 2 Satz 2 ZPO erlassen hatten, bevor die Klägerin ihre Berufung zurücknahm.

Für diese Tätigkeit kann der Prozessbevollmächtigte der Beklagten eine 1,6-Verfahrensgebühr nach § 13 RVG, Nr. 3200 RVG-VV beanspruchen, die gem. § 91 Abs. 1 Satz 1 ZPO erstattungsfähig und damit auch im Kostenfestsetzungsverfahren in Ansatz zu bringen ist.

Insoweit führt der Senat seine frühe...

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