Leitsatz (amtlich)
Die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Beklagten zwischen Eingang und Zustellung der Klage führt zum Wegfall des Klageanlasses im Sinne von § 269 Abs. 3 Satz 3 ZPO (entgegen OLG Hamm, Beschluss vom 27. Dezember 2007 - 11 W 18/05 -, Rn. 28).
Normenkette
ZPO § 269 Abs. 3 S. 3
Verfahrensgang
LG Hamburg (Beschluss vom 10.04.2018; Aktenzeichen 311 O 313/17) |
Tenor
1. Auf die sofortige Beschwerde des Klägers wird der Beschluss des Landgerichts Hamburg vom 10. April 2018, Az.: 311 O 313/17, dahin abgeändert, dass der Beklagte die Kosten des Rechtsstreits zu tragen hat.
2. Der Beklagte trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
3. Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.
4. Der Wert des Beschwerdeverfahrens wird festgesetzt auf 12.068,46 Euro.
Gründe
I. Die Parteien streiten über die Verpflichtung, die Kosten des Rechtsstreits zu tragen, nachdem der Kläger die Klage zurückgenommen hat.
Der Kläger hat mit seiner am 16. November 2017 beim Landgericht Hamburg eingereichten Teilklage als Insolvenzverwalter über das Vermögen der R-H-GmbH den Beklagten als deren Geschäftsführer auf Erstattung von Zahlungen in Höhe von 100.000,00 Euro in Anspruch genommen, die der Beklagte nach Eintritt der Insolvenzreife im Dezember 2016 veranlasst haben soll. Diese Zahlungen vom kreditorischen Konto der Schuldnerin bei der Volksbank W. hat der Kläger in der Klage ebenso dargetan wie seit dem 1. Dezember 2016 fällige Verbindlichkeiten der Schuldnerin, die diese bis zur Insolvenzeröffnung nicht mehr beglichen habe.
Am 1. Dezember 2017 ist über das Vermögen des Beklagten das Insolvenzverfahren eröffnet worden.
Am 5. Dezember 2017 ist dem Beklagten die Klage zugestellt geworden.
Mit Schriftsatz vom 31. Januar 2018 hat der Kläger seine Klage zurückgenommen.
Beide Parteien haben beantragt, der jeweils anderen Partei die Kosten des Rechtsstreits aufzuerlegen.
Mit dem angefochtenen Beschluss hat das Landgericht die Kosten des Rechtsstreits gemäß § 269 Abs. 2 Satz 2 ZPO dem Kläger auferlegt. Eine Anwendung von § 269 Abs. 3 Satz 3 ZPO komme nicht in Betracht.
Gegen diesen Beschluss, der ihm am 13. April 2018 zugestellt worden ist, hat der Kläger mit einem am 2. Mai 2018 eingegangenen Schriftsatz sofortige Beschwerde eingelegt, der das Landgericht mit Beschluss vom 3. Mai 2018 nicht abgeholfen hat.
Der Beklagte hat sich trotz Stellungnahmefrist nicht geäußert.
Mit Beschluss vom 19. Juli 2018 hat der originär zuständige Einzelrichter die Sache auf den Senat zur Entscheidung übertragen.
II. Die sofortige Beschwerde ist zulässig und begründet. Entgegen der Auffassung des Landgerichts waren die Kosten des Rechtsstreits dem Beklagten aufzuerlegen.
1. Eine Kostenentscheidung zugunsten des Beklagten durfte schon deshalb nicht ergehen, weil der Kostenerstattungsanspruch zur Insolvenzmasse gehört und daher nur noch vom Insolvenzverwalter geltend gemacht werden kann (vgl. BGH, Beschluss vom 11.12.2008, IX ZB 232/08, Rn. 15, juris).
2. Die Kostentragungslast des Beklagten folgt aus § 269 Abs. 3 Satz 3 ZPO.
Danach bestimmt sich die Kostentragungspflicht unter Berücksichtigung des bisherigen Sach- und Streitstandes nach billigem Ermessen, wenn der Anlass zur Einreichung der Klage vor Rechtshängigkeit weggefallen ist und die Klage daraufhin zurückgenommen wurde.
a) Die Frage, ob die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen eines Beklagten zwischen Eingang und Zustellung der Klage zum Wegfall des Klageanlasses im Sinne von § 269 Abs. 3 Satz 3 ZPO führt, wird allerdings in der Rechtsprechung der Oberlandesgerichte und in der Literatur unterschiedlich beantwortet und ist höchstrichterlich ungeklärt.
aa) Nach der Auffassung des Oberlandesgerichts Hamm komme eine direkte oder entsprechende Anwendung des § 269 Abs. 3 Satz 3 ZPO nicht in Betracht, weil die Eröffnung des Insolvenzverfahrens die Klageforderung als solche in ihrem materiell-rechtlichen Bestand unberührt lasse und lediglich die Umstellung des Klageantrags (Feststellung zur Insolvenztabelle statt Zahlung) gebiete, falls der Rechtsstreit gegen den Insolvenzverwalter fortgeführt werden solle; es liege deshalb weder ein Fall der Erledigung der Hauptsache (vor Rechtshängigkeit) vor noch entfalle durch die Insolvenzeröffnung der Anlass zur Klageerhebung (OLG Hamm, Beschluss vom 27. Dezember 2007 - 11 W 18/05 -, Rn. 28, juris; ähnlich wohl auch OLG München, Beschluss vom 10. Juni 2008 - 18 W 1563/08, wiedergegeben bei Pießkalla ZInsO 2013, 1729, 1731). Nach einer weiteren Auffassung soll § 269 Abs. 3 Satz 3 ZPO nicht anwendbar sein, weil dem Beklagten für dieses kontradiktorische Verfahren ebenfalls die Prozessführungsbefugnis fehle (Zöller/Greger, ZPO, 32. Auflage 2018, § 269 ZPO Rn. 19c).
bb) Die Gegenauffassung hält § 269 Abs. 3 Satz 3 ZPO für anwendbar (KG Berlin, Urteil vom 8. Januar 2018 - 8 U 21/17 -, Rn. 29, juris; OLG München, Beschluss vom 25. Juli 2008 - 10 W 1777/08, wiedergegeben bei Pießkalla a.a.O., S. 1732; OLG Karlsruhe, Urteil vom 7. November 2006 - 14 W 66/06 -, Rn. 5; ...