Entscheidungsstichwort (Thema)

Kostenentscheidung bei Klagerücknahme nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens

 

Leitsatz (amtlich)

1. Nimmt der Kläger die Klage zurück, da bereits vor Rechtshängigkeit das Insolvenzverfahren über das Vermögen des Beklagten eröffnet wurde, ist der Beklagte nicht befugt, einen Kostenantrag zu stellen. Die Prozessführungsbefugnis für den Kostenantrag steht allein dem Insolvenzverwalter zu.

2. Ein Kostenantrag des Klägers gemäß § 269 Abs. 3 Satz 3 ZPO (Wegfall des Klageanlasses vor Rechtshängigkeit) ist bei einer Insolvenzeröffnung vor Rechtshängigkeit hingegen zulässig. Denn der Kläger ist für einen möglichen Kostenerstattungsanspruch gegen den Beklagten in diesem Fall kein Insolvenzgläubiger sondern Neugläubiger.

3. Ein Schuldner ist prozessrechtlich nicht verpflichtet, seine Gläubiger von der Eröffnung eines Insolvenzverfahrens zu informieren, um unzulässige Klagen gegen ihn zu verhindern. Erfährt ein Gläubiger erst nach der Klageerhebung, dass kurz vor Rechtshängigkeit das Insolvenzverfahren über das Vermögen des Schuldners eröffnet wurde, rechtfertigt dies bei einer Klagerücknahme in der Regel keine Kostenentscheidung zu Gunsten des Klägers gemäß § 269 Abs. 3 Satz 3 ZPO.

 

Normenkette

InsO § 35 Abs. 1, §§ 38, 55 Abs. 1, § 80 Abs. 1; ZPO § 269 Abs. 3 Sätze 2-3

 

Verfahrensgang

LG Konstanz (Aktenzeichen 4 O 125/19)

 

Tenor

1. Auf die sofortige Beschwerde des Klägers wird die Kostenentscheidung im Beschluss des Landgerichts Konstanz vom 08.04.2020 - N 4 O 125/19 - aufgehoben.

2. Der Antrag des Beklagten, dem Kläger die Kosten des erstinstanzlichen Verfahrens aufzuerlegen, wird zurückgewiesen.

3. Der Antrag des Klägers, dem Beklagten die Kosten des erstinstanzlichen Verfahrens aufzuerlegen, wird zurückgewiesen.

4. Die weitergehende Beschwerde des Klägers wird zurückgewiesen.

5. Die Kosten des Beschwerdeverfahrens werden gegeneinander aufgehoben.

 

Gründe

I. Mit seiner Klage vom 09.04.2019 hat der Kläger von dem Beklagten die Zahlung von 15.000,00 EUR nebst Zinsen und vorgerichtlichen Anwaltskosten verlangt. Der Kläger hatte den Beklagten mit Baudienstleistungen beauftragt. In diesem Zusammenhang hatte er Zahlungen an den Beklagten in Höhe von insgesamt 15.000,00 EUR geleistet. Nach einer fristlosen Kündigung des Bauvertrages am 14.02.2019 hat der Kläger im Verfahren vor dem Landgericht geltend gemacht, der Beklagte sei zur Rückzahlung der vom Kläger erbrachten Leistungen verpflichtet.

Die Klageschrift ist dem Beklagten am 16.04.2019 zugestellt worden. Während des Rechtsstreits hat sich herausgestellt, dass bereits am 23.01.2019 durch Beschluss des Amtsgerichts V. das Insolvenzverfahren über das Vermögen des Beklagten eröffnet worden war. Der Insolvenzverwalter hat sich am Verfahren vor dem Landgericht nicht beteiligt. Mit Verfügung vom 07.10.2019 hat das Landgericht darauf hingewiesen, dass die Klage nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens gegen den Beklagten erhoben wurde, und daher von Anfang an gemäß §§ 80 Abs. 1, 87 InsO unzulässig gewesen sein dürfte. Mit Schriftsatz seines Prozessbevollmächtigten vom 24.03.2020 hat der Kläger die Klage zurückgenommen. Beide Parteien haben daraufhin widerstreitende Kostenanträge gestellt.

Mit Beschluss vom 08.04.2020 hat das Landgericht die Kosten des Rechtsstreits dem Kläger auferlegt. Die Entscheidung beruhe auf § 269 Abs. 3 S. 2 ZPO nach der Klagerücknahme. Ein Fall von § 269 Abs. 3 S. 3 ZPO (Wegfall des Anlasses zur Klageerhebung vor Rechtshängigkeit) liege nicht vor. Denn das Insolvenzverfahren über das Vermögen des Beklagten sei bereits mehr als zwei Monate vor Klageerhebung eröffnet worden. Im Übrigen stelle die Eröffnung des Insolvenzverfahrens keinen Wegfall des Klageanlasses im Sinne von § 269 Abs. 3 S. 3 ZPO dar.

Gegen diese Entscheidung richtet sich die sofortige Beschwerde des Klägers. Die Kosten seien gemäß § 269 Abs. 3 S. 3 ZPO dem Beklagten aufzuerlegen, da der Kläger vom Wegfall des Klagegrundes - Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Beklagten - schuldlos vor Klageerhebung keine Kenntnis gehabt habe. Der Beklagte habe die unzulässige Klage verursacht, weil er den Kläger nicht über die Insolvenzeröffnung informiert habe. Hinzu komme, dass der Beklagte gegenüber dem Insolvenzverwalter die Forderung des Klägers verschwiegen habe. Der Kläger folge bei seiner Rechtsauffassung der herrschenden Meinung in Literatur und Rechtsprechung.

Das Landgericht hat mit Beschluss vom 30.04.2020 der sofortigen Beschwerde nicht abgeholfen und die Akten dem Oberlandesgericht Karlsruhe - Zivilsenate in Freiburg - zur Entscheidung vorgelegt. Ein Fall des § 269 Abs. 3 S. 3 ZPO liege auch aufgrund der Ausführungen im Beschwerdevorbringen nicht vor.

Die Parteien hatten im Beschwerdeverfahren Gelegenheit zur Stellungnahme.

II. Die zulässige sofortige Beschwerde des Klägers ist teilweise begründet.

1. Auf das Rechtsmittel des Klägers ist die Entscheidung des Landgerichts, mit welcher die Kosten des Verfahrens dem Kläger auferlegt wurden, aufzuheben. Der Antrag ...

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