Leitsatz (amtlich)
Wartet der Unterlassungsgläubiger, der eine einstweilige Verfügung erwirkt hat, die Entscheidung über den Widerspruch im Verfügungsverfahren ab, muss er zur Vermeidung von Kostennachteilen aus § 93 ZPO dem Schuldner vor Erhebung der Hauptsacheklage ein Abschlussschreiben zusenden.
Das Abschlussschreiben entspricht jedoch nur dann dem mutmaßlichen Willen des Schuldners und ist auch nur dann als erforderlich i.S.v. § 670 BGB anzusehen, wenn der Gläubiger dem Schuldner vor Versendung des kostenträchtigen Abschlussschreibens ausreichend Zeit gelassen hat, um die Abschlusserklärung von sich aus abgeben zu können (Wartefrist), und wenn die mit dem Abschlussschreiben gesetzte Antwortfrist ausreichend, d.h. angemessen lang ist (Antwortfrist).
In der Regel ist eine Wartefrist von 2 Wochen ausreichend. Die Umstände des Einzelfalles können allerdings eine längere oder kürzere Wartefrist rechtfertigen. Eine generelle Erstreckung der Wartefrist auf den Ablauf der Berufungsfrist kommt nicht in Betracht.
Ein wettbewerbliches Abschlussschreiben ist in der Regel nicht als Schreiben einfacher Art gem. Nr. 2302 RVG-VV anzusehen. Vielmehr fällt in der Regel eine 0,8-fache Geschäftsgebühr nach Nr. 2300 RVG-VV an.
Normenkette
BGB §§ 677, 683, 670; ZPO § 93; RVG-VV Nr. 2300
Verfahrensgang
LG Hamburg (Urteil vom 18.07.2013; Aktenzeichen 327 O 173/13) |
Nachgehend
Tenor
Die Berufung der Klägerin und die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des LG Hamburg, Zivilkammer 27, vom 18.7.2013 - 327 O 173/13, werden zurückgewiesen.
Von den Kosten der Berufung fallen der Klägerin 38 %, der Beklagten 62 % zur Last.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Parteien können die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung i.H.v. 110 % des jeweils auf Grund des Urteils zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht die jeweils andere Partei vor der Vollstreckung Sicherheit i.H.v. 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
Gegen dieses Urteil wird die Revision zugelassen.
Gründe
A. Die Klägerin nimmt die Beklagte auf Ersatz der Kosten eines wettbewerbsrechtlichen Abschlussschreibens i.H.v. EUR 2.841 nebst Zinsen in Anspruch.
Die Klägerin hat unter dem 30.8.2012 eine einstweilige Verfügung des LG Hamburg erwirkt, mit welcher der Beklagten sieben verschiedene Werbeaussagen bezüglich des Arzneimittels F. in zwei verschiedenen Werbemitteln verboten worden sind (Anlage K 1). Diese einstweilige Verfügung wurde der Beklagten am 6.9.2012 zugestellt (Anlage K 2).
Auf den Widerspruch der Beklagten bestätigte das LG Hamburg die einstweilige Verfügung mit Urteil vom 29.11.2012. Das Urteil wurde der Beklagten - nach dem unstreitigen Parteivortrag - am 11.1.2013 zugestellt. Bereits vor Ablauf der Berufungsfrist am 11.2.2013, nämlich mit Schreiben der Klägervertreter vom 25.1.2013, der Beklagten per Telefax übersandt am 28.1.2013, ließ die Klägerin die Beklagte zur Abgabe einer wettbewerbsrechtlichen Abschlusserklärung auffordern. Dazu hieß es in dem Schreiben (Anlage K 3):
"... da die mit Urteil vom 29.11.2012 bestätigte einstweilige Verfügung nur dem vorläufigen Rechtsschutz dient und keine endgültige Regelung enthält, bitten wir Sie bis zum 7.2.2013 (bei uns eingehend) zu bestätigen, dass Ihre Mandantin die der einstweiligen Verfügung zugrunde liegenden Ansprüche anerkennt und auf die Rechte zur Einlegung der Berufung sowie aus §§ 926, 927 ZPO verzichtet."
Mit Schreiben ihrer Prozessbevollmächtigten vom 29.1.2013 ließ die Beklagte gegenüber der Klägerin eine Abschlusserklärung hinsichtlich fünf der sieben noch geltend gemachten Unterlassungsansprüche abgeben (Anlage B 1). Im Hinblick auf die verbleibenden zwei Unterlassungsansprüche legte sie Berufung gegen das landgerichtliche Urteil ein.
Mit Schreiben ihrer Prozessbevollmächtigten vom 31.1.2013 nahm die Klägerin die abgegebene Abschlusserklärung der Beklagten an und führte hinsichtlich der verbliebenen zwei Unterlassungsansprüche aus, dass sie insoweit dem Widerspruch der Beklagten entgegensehe (Anlage B 4). Mit gleichem Schreiben wurde den Beklagtenvertretern die Kostenrechnung vom 31.1.2013 für das Abschlussschreiben vom 25.1.2013 über insgesamt EUR 2.841 übersandt (Anlage K 4/ EUR 2.841 = 1,3-fache Geschäftsgebühr nach einem Gegenstandswert i.H.v. EUR 285.000 EUR i.H.v. EUR 2.821 nebst Auslagenpauschale i.H.v. EUR 20 gem. Ziff. 7002 RVG-VV).
Mit Schreiben ihrer Prozessbevollmächtigten vom 6. und 14.2.2013 ließ die Beklagte die von der Klägerin geltend gemachte Zahlungsforderung für das Abschlussschreiben vom 25.1.2013 zurückweisen (Anlagen K 5, B 2 und B 3).
Am 2.5.2013 hat die Klägerin vorliegende Klage erhoben, mit welcher sie ihre Zahlungsforderung für das Abschlussschreiben vom 25.1.2013 i.H.v. EUR 2.841 nebst Zinsen ab Rechtshängigkeit weiter verfolgt.
Die Klägerin hat erstinstanzlich die Ansicht vertreten, dass der bereits mit Schreiben vom 31.1.2013 (Anlage B 4) geltend gemachte Zahlungsanspruch nach Grund und Höhe begründet sei...