Entscheidungsstichwort (Thema)
Alphaload (Usenet II)
Leitsatz (amtlich)
1. Musikwerke, die in einer Weise vorgehalten werden, dass Nutzer eines Zugangsvermittlers zum Usenet sie identifizieren und sich als Audiodateien übermitteln lassen können, so dass diese nach der Übermittlung im Regelfall (wieder) als Musikwerke wahrnehmbar sind, werden i.S.d. § 19a UrhG öffentlich zugänglich gemacht; hierbei spielt es keine Rolle, ob die Dateien auf dem Transportweg in einer Weise verschlüsselt waren, die eine Wahrnehmung unmöglich macht.
2. Bei der öffentlichen Zugänglichmachung von Werken über das Usenet handelt es sich nicht um eine neue Nutzungsart ggü. der öffentlichen Zugänglichmachung über das Internet.
3. Da die (reine) Zugangsvermittlung in öffentlich zugängliche Kommunikationsnetze im Hinblick auf die Gefahr, an einer Vielzahl von Rechtsverletzungen mitzuwirken, stets mit erheblichen Risiko behaftet ist, gleichwohl aber in gewissem Umfang auch im Interesse der Allgemeinheit liegt, sind die dem Zugangsvermittler aufzuerlegenden Prüfungs- und Sicherungspflichten angemessen zu begrenzen.
4. Bei der Störerhaftung der Diensteanbieter im Internet ist nach der Art und Funktion des jeweils angebotenen Dienstes zu differenzieren. Die grundsätzliche Wertentscheidung sowohl des europäischen als auch des nationalen Gesetzgebers in dem im TMG (in §§ 8 - 10) wie auch in der E-Commerce-Richtlinie (in Art. 12-14) vorgesehenen mehrfach abgestuften System unterschiedlicher Verantwortlichkeiten ist auch bei der Auferlegung von Prüfungspflichten des Störers im Rahmen von §§ 823, 1004 BGB analog zu beachten. Dies gilt trotz des - auch im Bezug auf Access-Provider geltenden - Grundsatzes, dass in Bezug auf Unterlassungspflichten die spezialgesetzlichen Regelungen aus §§ 8 bis 10 TMG nicht anwendbar sind. Inwieweit sich hieraus für den Störer ergebende Pflichten bemessen bzw. an welchen konkreten Verhaltensweisen sie anknüpfen, lässt sich jeweils nur im konkreten Einzelfall entscheiden.
5. Erhebt der Access-Provider - etwa im Rahmen der Produktankündigung, Absatzwerbung bzw. Nutzungsbeschreibung - die Möglichkeit eines Rechtsmissbrauchs selbst zur Zweckbestimmung der von ihm angebotenen Ware oder Dienstleistung, kommt eine Störerhaftung auch ohne konkrete Kenntnis von beabsichtigten Rechtsverletzungen Dritter in Betracht, und ohne dass sich der Handelnde darauf berufen kann, dass ihm Prüfungspflichten nur in einem zumutbaren Umfang auferlegt werden könnten. Auch hierbei kann indes kein starrer Maßstab gelten, vielmehr wird stets im Rahmen einer Gesamtabwägung ein gleitender Maßstab anzulegen sein, wonach eine derartige Störerhaftung den Anbieter um so eher treffen wird, je eindeutiger und plakativer er die Möglichkeiten eines rechtsmissbräuchlichen Einsatzes der von ihm angebotenen Waren oder Dienstleistungen herausstellt.
6. In derartigen Fällen kann der Access-Provider auch nicht mit Erfolg einwenden, dass ihm billigerweise lediglich das Unterlassen einer Bewerbung ihres Dienstes in der streitgegenständlichen Weise abverlangt werden könne.
Normenkette
UrhG § 19a; TMG §§ 7-10; BGB §§ 823, 1004
Verfahrensgang
LG Hamburg (Urteil vom 26.10.2007; Aktenzeichen 308 O 382/07) |
Tenor
I. Die Berufung der Antragsgegner gegen das Urteil des LG Hamburg vom 26.10.2007 - 308 O 382/07, wird mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass der Tenor der einstweiligen Verfügung des LG Hamburg vom 18.6.2007 wie folgt lautet:
Im Wege der einstweiligen Verfügung wird den Antragsgegnern bei Vermeidung eines vom Gericht für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes und für den Fall, dass dieses nicht beigetrieben werden kann, einer Ordnungshaft oder einer Ordnungshaft bis zu sechs Monaten (Ordnungsgeld im Einzelfall höchstens EUR 250.000, Ordnungshaft insgesamt höchstens zwei Jahre), für den Bereich der Bundesrepublik Deutschland verboten,
II. die aus der Anlage zu diesem Urteil ersichtlichen 139 Musikwerke ohne Zustimmung der Antragstellerin über das Usenet öffentlich zugänglich zu machen und/oder öffentlich zugänglich machen zu lassen, insbesondere wie durch den Dienst "alphaload" unter "www.alphaload.de" und "www.alphaload.org",
III. Dienste wie den unter Ziff. 1 genannten mit Hinweisen darauf zu beschreiben, anzubieten und/oder zu bewerben und/oder beschreiben, anbieten oder bewerben zu lassen, dass diese Dienste es ermöglichen Dateien herunterzuladen, wenn der Dienst den Zugang zu einem oder mehreren der aus der Anlage ersichtlichen Musikwerke ermöglicht und wenn diese Hinweise durch Aussagen wie die folgenden erfolgen:
"Sie möchten sofort Zugang zu über 300 Terabyte (= mehr als 300.000 GB) Filme. MP3s, Software, Games, Bildern oder Erotikinhalten, wollen in Foren mehr als 380 Millionen Artikel lesen und über ihre Lieblingsthemen diskutieren? Sie quälen sich immer noch mit lahmen und rechtlich sehr unsicheren Tauschbörsen wie BitTorrent oder eDonkey herum? (...)
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