Leitsatz (amtlich)
Beim EU-Parallelimport markenrechtlich geschützter und arzneimittelrechtlich "zentral" durch die EU-Kommission zugelassener Arzneimittel kann sich der Markeninhaber dem unautorisierten Umpacken in eine neu hergestellte äußere Umverpackung (hier: Faltschachtel) nicht widersetzen (§ 24 MarkenG), soweit die betreffende Packungsgröße andernfalls nur durch Bündeln von Packungen mit kleinerer Packungsgröße erstellt werden könnte.
Die zentralen Genehmigungen nach der EG-VO 2309/93 sind nur für jeweils eine Packungsgröße (hier: 56 und 98 Tabletten) erteilt, nicht aber für die Bündelpackung und damit auch nicht für abgestockte Packungen im Bündel (hier: 1 × 56 und 1 × 42 Tabletten; EuGH, Urt. v. 19.9.2002 - Rs. C-433/00 - Insuman).
Verfahrensgang
LG Hamburg (Urteil vom 12.11.2003; Aktenzeichen 12 O 247/02) |
Tenor
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des LG Hamburg, Zivilkammer 12, vom 12.11.2002 wird mit der Maßgabe zurückgewiesen wird, dass die Klage mit den in der Berufungsverhandlung gestellten Anträgen abgewiesen wird.
Die Klägerin trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Die Klägerin kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung i.H.v. 13.000 Euro abwenden, wenn nicht die Beklagten vor der Vollstreckung Sicherheit in dieser Höhe leisten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe
A. Die Klägerin, ein Pharmaunternehmen, vertreibt in Deutschland das verschreibungspflichtige Herz-Kreislauf-Arzneimittel "M-...". An dieser Bezeichnung genießt sie als Markeninhaberin Markenrechtsschutz; unstreitig lautet die u.a. für pharmazeutische Erzeugnisse eingetragene und auf die Klägerin umgeschriebene Klagemarke Nr. 000 00 000 "M-..." (vgl. die - unvollständige - Anlage K 1). Das Arzneimittel "M-..." ist zentral, d.h. durch die Kommission der Europäischen Gemeinschaften zugelassen (Anlage K 19).
Die Beklagten sind Parallelimporteure von Arzneimitteln. Die Beklagte zu 1) hat das Arzneimittel "M-..." in den Wirkstoffstärken 40 mg und 80 mg aus Mitgliedstaaten der Europäischen Union nach Deutschland importiert, hat durch die Beklagte zu 2) das Mittel in neu hergestellten, äußeren Umverpackungen der Packungsgröße N 3 (98 Tabletten) umpacken und die Gebrauchsinformation austauschen lassen und hat das so umgepackte Arzneimittel im Inland vertrieben (Anlagenkonvolut AS 3 der Beiakte OLG Hamburg - 3 U 17/03, die dortigen Packungen stammten ursprünglich aus Griechenland).
Die Klägerin beanstandet das Umpacken des Arzneimittels "M-..." in eine neue, selbstgefertigte äußere Umverpackung als Markenrechtsverletzung und nimmt die beiden Beklagten mit der vorliegenden Klage auf Unterlassung, Auskunftserteilung und Feststellung der Schadensersatzpflicht der Beklagten in Anspruch.
Mit Schreiben vom 5.6.2000 hatte die Beklagte zu 1) der Klägerin zunächst angezeigt, sie werde das aus Italien importierte Arzneimittel "M-... 40 mg" und das aus Österreich stammende Mittel "M-... 80 mg" jeweils in der Packungsgröße N 3 (98 Tabletten) in selbst (von den Beklagten) hergestellten äußeren Umverpackungen vertreiben (Anlage K 2; vgl. wegen des Weiteren Schriftwechsels der Parteien hierzu: Anlagen K 3-5).
Mit der Vertriebsanzeige vom 1.11.2000 teilte die Beklagte zu 1) der Klägerin sodann mit, sie werde das in den Wirkstoffstärken zu 40 mg und zu 80 mg aus Griechenland stammende Arzneimittel "M-..." in der Packungsgröße N 3 (98 Tabletten) in selbst (von den Beklagten) hergestellten äußeren Umverpackungen vertreiben (Anlage K 6; wegen der ablehnenden Antwort der Klägerin: Anlage K 7).
Die Klägerin vertreibt im Inland das Arzneimittel "M-..." (zu 40 mg und 80 mg) in den Packungsgrößen N 1 (28 Tabletten), N 2 (56 Tabletten) und N 3 zu 98 Tabletten (Anlagenkonvolut AS 2 der Beiakte OLG Hamburg - 3 U 17/03). In dem Ausfuhrland Griechenland - aus dem das parallelimportierte Arzneimittel "M-..." stammt - gibt es das Präparat nicht in der Packungsgröße N 3.
In dem vorangegangenen einstweiligen Verfügungsverfahren gleichen Rubrums hatte das LG mit Urteil vom 3.4.2001 seine Beschlussverfügung vom 16.1.2001 - der Verbotsausspruch gegen die beiden Beklagten (Antragsgegnerinnen) entspricht dem in den vorliegenden, erstinstanzlichen Klageanträgen zu Ziff. I.1. und II.1. - aufgehoben und den auf ihren Erlass gerichteten Antrag zurückgewiesen (LG Hamburg - 312 O 33/01).
Mit Urteil vom 29.11.2001 hatte der Senat (OLG Hamburg, Urt. v. 29.11.2001 - 3 U 162/01) auf die dagegen gerichtete Berufung der Antragstellerin das landgerichtliche Urteil abgeändert und die einstweilige Verfügung des LG vom 16.1.2001 erneut erlassen.
In dem Aufhebungsverfahren des einstweiligen Verfügungsverfahrens gleichen Rubrums hatte das LG auf Antrag der Beklagten (Antragsgegnerinnen) durch Urteil vom 14.1.2003 die einstweilige Verfügung des Senats vom 29.11.2001 aufgehoben und den auf ihren Erlass gerichteten Verfügungsantrag der Antragstellerin zurückgewiesen (LG Hamburg - 312 O 33/01), und zwar im Hinblick auf das Urteil des EuGH vom 19.9.200...