Leitsatz (amtlich)
1. Das Aufhebungsverfahren ist ein besonderes Verfahren, das von der Rechtskraft einer die Verfügung bestätigenden Entscheidung im Erlassverfahren nicht berührt wird.
2. Ein veränderter Umstand (§ 927 ZPO) ist nicht nur die Änderung der höchstrichterlichen Rechtsprechung, sondern auch deren erstmalige Entscheidung einer Rechtsfrage, wonach die Verfügung keinen Bestand (mehr) haben kann.
3. Ein veränderter Umstand ist auch die noch nicht rechtskräftige Klageabweisung in der Hauptsache, wenn nach dem freien Ermessen des Aufhebungsgerichts der Erfolg des dagegen eingelegten Rechtsmittels unwahrscheinlich ist.
Verfahrensgang
LG Hamburg (Urteil vom 14.01.2003; Aktenzeichen 312 O 33/01) |
Tenor
Die Berufung der Antragstellerin gegen das Urteil des LG Hamburg, Zivilkammer 12, vom 14.1.2003 wird zurückgewiesen.
Die Antragstellerin trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.
Gründe
A. Die Parteien streiten vorliegend um die Aufhebung einer gegen die Antragsgegnerinnen ergangenen einstweiligen Verfügung wegen veränderter Umstände.
Die Antragstellerin des ursprünglichen Anordnungsverfahrens, ein Pharmaunternehmen, vertreibt in Deutschland das zentral, d.h. durch die Kommission der Europäischen Gemeinschaften zugelassene (Anlage AS 28), verschreibungspflichtige Herz-Kreislauf-Arzneimittel "M-...". An dieser Bezeichnung genießt sie als Markeninhaberin Markenrechtsschutz (vgl. die - unvollständige - Anlage AS 1; unstreitig lautet die Klagemarke "M-...").
Die Antragsgegnerinnen arbeiten als Parallelimporteure von Arzneimitteln zusammen. Die Antragsgegnerin zu 1) hat das griechische Arzneimittel "M-..." in den Wirkstoffstärken 40 mg und 80 mg nach Deutschland importiert, hat durch die Antragsgegnerin zu 2) das Mittel in neu hergestellte, äußere Umverpackungen der Packungsgröße N 3 (98 Tabletten) umpacken und die Gebrauchsinformation austauschen lassen und hat das so umgepackte Arzneimittel im Inland vertrieben (Anlagenkonvolut AS 3).
Die Antragstellerin hatte das Umpacken des Arzneimittels "M-..." in eine neue, selbstgefertigte äußere Umverpackung als Markenrechtsverletzung beanstandet und die beiden Antragsgegnerinnen im Wege der einstweiligen Verfügung auf Unterlassung in Anspruch genommen.
Die Antragstellerin vertreibt im Inland das Arzneimittel "M-..." (zu 40 mg und 80 mg) in den Packungsgrößen N 1 zu 28 Tabletten, N 2 zu 56 Tabletten und N 3 zu 98 Tabletten (Anlagenkonvolut AS 2). Im Ausfuhrland Griechenland - aus dem das parallelimportierte Arzneimittel "M-..." vorliegend stammte - gibt es das Präparat nicht in der Packungsgröße N 3.
Das LG hatte im Anordnungsverfahren mit Urteil vom 3.4.2001 seine Beschlussverfügung vom 16.1.2001, mit der den Antragsgegnerinnen unter Androhung bestimmter Ordnungsmitteln verboten worden war,
I. der Antragsgegnerin zu 1) das Arzneimittel "M-..." in den Wirkstoffstärken "40 mg" und/oder "80 mg" aus einem Mitgliedsstaat der Europäischen Union und/oder einem Vertragsstaat des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum zu importieren, die äußere Originalpackung durch eine eigene - insb. durch eine Verpackung gem. beigefügter Anlage I und/oder II - zu ersetzen oder ersetzen zu lassen, das Arzneimittel in diese Verpackung umzupacken oder durch einen Dritten - insb. die Antragsgegnerin zu 2) - umpacken zu lassen, die Gebrauchsinformation auszutauschen oder durch einen Dritten - insb. die Antragsgegnerin zu 2) - austauschen zu lassen und das Arzneimittel in solcher Form in der Packungsgröße N3 (98 Tabletten) in Deutschland anzubieten und/oder in den Verkehr zu bringen;
II. der Antragsgegnerin zu 2) in Deutschland die äußere Originalpackung des Arzneimittels "M-...", das von der Antragsgegnerin zu 1) aus einem Mitgliedsstaat der Europäischen Union und/oder einem Vertragsstaat des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum in den Wirkstoffstärken "40 mg" und/oder "80 mg" importiert wurde, durch eine eigene Verpackung der Antragsgegnerin zu 1) - insb. durch eine Verpackung gem. beigefügter Anlage I und/oder II - zu ersetzen, das Arzneimittel in diese Verpackung umzupacken und die Gebrauchsinformation auszutauschen (es folgen als Beschlussanlagen I und II die Fotokopien der "M-..."-Umverpackungen der Antragsgegnerinnen zu 40 mg und 80 mg zu je 98 Tabletten gem. Anlagenkonvolut AS 3); aufgehoben und den auf ihren Erlass gerichteten Antrag zurückgewiesen. Auf die dagegen gerichtete Berufung der Antragstellerin hatte der Senat mit Urteil vom 29.11.2001 (OLG Hamburg, Urt. v. 29.11.2001 - 3 U 162/01) das landgerichtliche Urteil abgeändert und die einstweilige Verfügung des LG vom 16.1.2001 erneut erlassen. Auf die Entscheidungen im Anordnungsverfahren wird Bezug genommen.
Im vorliegenden Aufhebungsverfahren hat das LG auf Antrag der Antragsgegnerinnen durch Urteil vom 14.1.2003 die einstweilige Verfügung des Senats vom 29.11.2001 aufgehoben und den auf ihren Erlass gerichteten Verfügungsantrag der Antragstellerin zurückgewiesen, und zwar im Hinblick auf das Urteil des Europäischen Gericht...