Entscheidungsstichwort (Thema)
"Verantwortung wird bei Reemtsma groß geschrieben"
Leitsatz (amtlich)
1. Das Werbeverbot für Tabakerzeugnisse in der Presse oder in einer anderen gedruckten Veröffentlichung gem. § 21a Abs. 3 S. 1 VTabakG ist verfassungskonform auszulegen. Es kann einem Tabakunternehmen nicht gänzlich verwehrt werden, im Rahmen der Meinungsäußerungsfreiheit durch eine Anzeige - hier in der Parteizeitung "Vorwärts" - Imagewerbung für sein Unternehmen als solches betreiben zu dürfen, selbst wenn diese eine indirekte Werbewirkung für seine Erzeugnisse besitzt.
2. Die Abbildungen der Markennamen einzelner Tabakerzeugnisse im Rahmen einer solchen Werbung ist jedenfalls dann nicht mehr von der Meinungsäußerungsfreiheit gedeckt, wenn zwischen dem Text der Anzeige und den Abbildungen kein inhaltlicher Zusammenhang besteht und sich die Abbildungen räumlich und farblich getrennt vom Text der Anzeige an deren unterem Rand befinden.
Normenkette
UWG §§ 3, 4 Nr. 11; VorläufigesTabakG § 21a Abs. 3 S. 1
Verfahrensgang
LG Hamburg (Urteil vom 21.12.2007; Aktenzeichen 408 O 196/07) |
Tenor
Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des LG Hamburg - Kammer 8 für Handelssachen - vom 21.12.2007 teilweise geändert:
Die Beklagte wird verurteilt, es bei Vermeidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu 250.000 EUR, ersatzweise Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, oder Ordnungshaft bis zu sechs Monaten zu unterlassen,
durch geschäftliche Handlungen für Tabakerzeugnisse in Zeitschriften wie nachfolgend abgebildet zu werben bzw. werben zu lassen, sofern nicht die Voraussetzungen des § 21a Abs. 3 S. 2 VTabakG erfüllt sind,
Im Übrigen wird die Berufung des Klägers zurückgewiesen.
Die Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung von 33.000 EUR abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Die Revision wird zugelassen.
Gründe
I. Der Kläger ist der Dachverband der Verbraucherzentralen und Verbraucherverbände und als sog. qualifizierte Einrichtung gem. § 8 Abs. 3 Nr. 3 UWG zur Verfolgung von Verstößen gegen das UWG berechtigt. Er nimmt die Beklagte, die verschiedene Tabakerzeugnisse in Deutschland herstellt und vertreibt, wegen eines Verstoßes gegen das Verbot, in der Presse oder in einer anderen gedruckten Veröffentlichung für Tabakerzeugnisse zu werben (§ 21a Abs. 3 S. 1 Vorläufiges Tabakgesetz - VTabakG) gemäß den §§ 3, 4 Nr. 11, 8 Abs. 1 UWG auf Unterlassung in Anspruch. Außerdem verlangt er den Ersatz von Abmahnkosten.
Die Beklagte warb im Juni 2007 in der SPD-Mitgliederzeitung "Vorwärts" mit folgender Anzeige:
Hierin sieht der Kläger eine Verletzung des Tabakwerbeverbots nach § 21a Abs. 3 S. 1 VTabakG und hat erstinstanzlich beantragt, die Beklagte bei Meidung der gesetzlichen Ordnungsmittel zu verurteilen,
1. im geschäftlichen Verkehr zu Zwecken des Wettbewerbs für Tabakerzeugnisse in Zeitschriften wie nachfolgend abgebildet zu werben bzw. werben zu lassen (es folgt die Abbildung der obigen Anzeige)
hilfsweise: es zu untersagen, in Anzeigen der Zeitschrift "Vorwärts" wie nachfolgend abgebildet, Zigarettenmarken aufzuführen, wie aus der beigefügten Anzeige ersichtlich.
2. die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 200 EUR zu zahlen.
Das LG hat die Klage abgewiesen. Zum Sachvortrag der Parteien in erster Instanz wird auf den Tatbestand des landgerichtlichen Urteils Bezug genommen.
Mit seiner Berufung verfolgt der Kläger seinen Hauptantrag auf Unterlassung und den Zahlungsantrag weiter. Den Hauptantrag hat er in der Berufungsverhandlung in der Fassung gestellt, wie er mit diesem Urteil tenoriert worden ist.
Der Kläger ist der Auffassung, dass es sich bei der streitigen Anzeige um eine Werbung i.S.d. § 21a VTabakG handele, die entgegen der Meinung des LG auch nicht von der Meinungsfreiheit nach Art. 5 Abs. 1 GG gerechtfertigt werde.
In weiteren Schriftsätzen trägt er vor, dass auch die Kommission der Europäischen Gemeinschaften in der sog. Imagewerbung eines Unternehmens ein Mittel zur Vermarktung von Produkten sehe (Anlage K 4). Entgegen der Auffassung des LG, das außerdem darauf abgestellt habe, dass der "Vorwärts" eine Mitgliederzeitung einer Partei und keine mit großer Auflage betriebene Unterhaltungszeitschrift sei, müsse der "Vorwärts" als eine Publikumszeitschrift angesehen werden, denn als solche werde er in der Datenbank des IVW für Publikumszeitschriften gelistet. Er könne abonniert, gekauft oder als Freistücke abgegeben werden. Jeder Interessent erhielte den "Vorwärts" auf Anfrage zugeschickt.
Die Beklagte werbe auch nicht nur im "Vorwärts", sondern in anderen Parteizeitschriften und habe jetzt eine neue Image-Kampagne im "Spiegel" gestartet (Anlagen K 5 - 8).
Schließlich folge aus Ziff. 18 der Begründungserwägungen zur Richtlinie 2003/33/EG, dass das Werbeverbot für Tabakwaren bereits unter Berücksichtigung der Meinungsfreiheit erlassen worden...