Entscheidungsstichwort (Thema)

"Unser wichtigstes Cigarettenpapier"

 

Leitsatz (amtlich)

1. Das Werbeverbot für Tabakerzeugnisse in der Presse oder in einer anderen gedruckten Veröffentlichung gem. § 21a Abs. 3 S. 1 VTabakG ist verfassungskonform auszulegen. Es kann einem Tabakunternehmen nicht gänzlich verwehrt werden, im Rahmen der Meinungsäußerungsfreiheit durch eine Anzeige - hier in der Parteizeitung "Vorwärts" - Imagewerbung für sein Unternehmen als solches betreiben zu dürfen, selbst wenn diese eine indirekte Werbewirkung für seine Erzeugnisse besitzt.

2. Die Nennung der Markennamen einzelner Tabakerzeugnisse im Rahmen einer solchen Werbung ist jedenfalls dann nicht mehr von der Meinungsäußerungsfreiheit gedeckt, wenn zwischen dem Text der Anzeige und der Nennung der Markennamen kein inhaltlicher Zusammenhang besteht und die Nennung räumlich getrennt vom Text der Anzeige in einer Fußnote erfolgt.

 

Normenkette

UWG §§ 3, 4 Nr. 11; VorläufigesTabakG § 21a Abs. 3 S. 1

 

Verfahrensgang

LG Hamburg (Urteil vom 14.12.2007; Aktenzeichen 406 O 175/07)

 

Nachgehend

BGH (Urteil vom 18.11.2010; Aktenzeichen I ZR 137/09)

 

Tenor

Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des LG Hamburg - Kammer 6 für Handelssachen - vom 14.12.2007 teilweise geändert:

Die Beklagte wird verurteilt, es bei Vermeidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu 250.000 EUR, ersatzweise Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, oder Ordnungshaft bis zu sechs Monaten zu unterlassen, durch geschäftliche Handlungen für Tabakerzeugnisse in Zeitschriften wie nachfolgend abgebildet zu werben bzw. werben zu lassen, sofern nicht die Voraussetzungen des § 21a Abs. 3 S. 2 VTabakG erfüllt sind.

Im Übrigen wird die Berufung des Klägers zurückgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits in erster Instanz tragen die Parteien je zur Hälfte. Die Kosten der Berufung hat die Beklagte allein zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung von 31.000 EUR abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet. Der Kläger kann eine Vollstreckung der Beklagten durch Sicherheitsleistung von 110 % des aufgrund dieses Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte zuvor Sicherheit i.H. v. 110 % des jeweils zu volltreckenden Betrages

Die Revision wird zugelassen.

 

Gründe

I. Der Kläger ist der Dachverband der Verbraucherzentralen und Verbraucherverbände und als sog. qualifizierte Einrichtung gem. § 8 Abs. 3 Nr. 3 UWG zur Verfolgung von Verstößen gegen das UWG berechtigt. Er nimmt die Beklagte, die verschiedene Tabakerzeugnisse in Deutschland herstellt und vertreibt, wegen eines Verstoßes gegen das Verbot, in der Presse oder in einer anderen gedruckten Veröffentlichung für Tabakerzeugnisse zu werben (§ 21a Abs. 3 S. 1 Vorläufiges Tabakgesetz - VTabakG) und wegen eines Verstoßes gegen §§ 22 Abs. 2 Nr. 1a VTabakG gemäß den §§ 3, 4 Nr. 11, 8 Abs. 1 UWG auf Unterlassung in Anspruch. Außerdem verlangt er den Ersatz von Abmahnkosten.

Die Beklagte warb im Mai und Juni 2007 in der SPD-Mitgliederzeitung "Vorwärts" mit zwei Anzeigen. Die Anzeige von Juni 2007 ist nachfolgend eingeblendet.

Hierin sieht der Kläger eine Verletzung des Tabakwerbeverbots nach § 21a Abs. 3 S. 1 VTabakG und hat erstinstanzlich beantragt, die Beklagte bei Meidung der gesetzlichen Ordnungsmittel zu verurteilen,

im geschäftlichen Verkehr zu Zwecken des Wettbewerbs für Tabakerzeugnisse in Zeitungen wie nachfolgend abgebildet zu werben bzw. werben zu lassen (es folgt die Abbildung der obigen Anzeige).

Einen entsprechenden Unterlassungsantrag hat der Kläger auch bezüglich der Anzeige von Mai 2007 gestellt und ferner die Zahlung von insgesamt 400 EUR für zwei vorgerichtliche Abmahnungen begehrt.

Das LG hat die Klage bezüglich beider Anzeigen abgewiesen. Zum Sachvortrag der Parteien in erster Instanz wird auf den Tatbestand des landgerichtlichen Urteils Bezug genommen.

Mit seiner Berufung verfolgt der Kläger nur noch seinen Unterlassungsantrag bezüglich der Anzeige von Juni 2007 weiter und begehrt außerdem die Zahlung von 200 EUR Abmahnkosten. Den Unterlassungsantrag hat er zuletzt so gestellt, wie er in diesem Urteil tenoriert worden ist.

Der Kläger ist der Auffassung, dass es sich bei der streitigen Anzeige um eine Werbung i.S.d. § 21a VTabakG handele, die entgegen der Meinung des LG auch nicht von der Meinungsfreiheit nach Art. 5 Abs. 1 GG gerechtfertigt werde.

In weiteren Schriftsätzen trägt er vor, dass die Kommission der Europäischen Gemeinschaften in der sog. Imagewerbung eines Unternehmens auch ein Mittel zur Vermarktung von Produkten sehe (Anlage K 5). Entgegen der Auffassung des LG müsse der "Vorwärts" als eine Publikumszeitschrift angesehen werden, denn als solche werde er in der Datenbank des IVW für Publikumszeitschriften gelistet. Er könne abonniert, gekauft oder als Freistücke abgegeben werden. Jeder Interessent erhielte den "Vorwärts" auf einfache Anfrage zugeschickt.

Schlie...

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