Leitsatz (amtlich)
1. Zur Störerhaftung des Betreibers einer Suchmaschine für persönlichkeitsrechtsverletzende Texte von Suchergebnissen.
2. Lässt der Text eines Suchergebnisses mehrere Deutungen zu, die nicht insgesamt rechtsverletzend sind, besteht kein Unterlassungsanspruch.
Verfahrensgang
LG Hamburg (Urteil vom 28.04.2006; Aktenzeichen 324 O 993/05) |
Tenor
Auf die Berufung der Antragsgegnerin wird das Urteil des LG Hamburg, Geschäftsnummer 324 O 993/05, vom 28.4.2006 abgeändert.
Die einstweilige Verfügung des LG Hamburg, Geschäftsnummer 324 O 993/05, vom 2.2.2006 wird aufgehoben.
Der Antrag des Antragstellers auf Erlass einer einstweiligen Verfügung wird zurückgewiesen.
Der Antragsteller trägt die Kosten des Verfahrens.
Gründe
I. Mit der Berufung begehrt die Antragsgegnerin die Aufhebung einer einstweiligen Verfügung, mit der ihr die erneute Verbreitung von 4 Passagen über die von ihr betriebene Internetsuchmaschine "google" verboten wurde.
Der Antragsteller ist Geschäftsführer der Komplementärin der Firma "Die... KG". Bei Eingabe des Vor- und Nachnamens des Antragstellers in die unter der Internetseite www. google. de aufrufbare Suchmaschine führte diese u.a. die vier Passagen auf, die Gegenstand des vorliegenden Verfahrens sind. Auf Aufforderung des Antragstellers löschte die Antragsgegnerin diese Eintragungen, weigerte sich allerdings, eine strafbewehrte Unterlassungsverpflichtungserklärung abzugeben.
Zum Sachverhalt im Einzelnen wird auf den Tatbestand des erstinstanzlichen Urteils Bezug genommen.
Mit der Berufungsbegründung wendet sich die Antragsgegnerin gegen das Textverständnis des LG. Sie trägt ferner vor, dass eine Kontrolle von Suchmaschinenergebnissen, wie sie das LG fordere, nur sehr beschränkt möglich, jedenfalls aber nicht zumutbar sei, und stellt hierzu den Aufbau und die Funktionsweise der Suchmaschine dar. Im Einzelnen ist hierzu auf die Berufungsbegründung vom 11.12.2006 zu verweisen.
Die Antragsgegnerin meint weiter, es liege schon kein Verfügungsgrund vor, da der Antragsteller ausweislich der im Berufungsverfahren vorgelegten Anlage AS 52 bereits im Juli 2005 Kenntnis von Suchergebnissen gehabt habe, in denen sein Name mit dem Begriff "Immobilienbetrug" in Verbindung gebracht worden sei.
2. Die form- und fristgerecht eingelegte und daher zulässige Berufung der Antragsgegnerin ist begründet.
Hierbei kann dahinstehen, ob ein gesetzlicher Grund für den Erlass einer einstweiligen Verfügung vorlag.
Die Antragsgegnerin haftet nämlich weder als Äußernde oder Verbreiterin noch unter dem Gesichtspunkt der Störerhaftung auf Unterlassung gem. §§ 823 Abs. 1, 1004 Abs. 1 analog BGB i.V.m. Artt. 1 Abs. 1, 2 Abs. 1 GG, da die angegriffenen Passagen den Antragsteller nicht in seinen Rechten verletzen.
Die vier beanstandeten Suchergebnisse nach Eingabe des Namens des Antragstellers in die Suchworteingabemaske auf www. google. de enthalten jeweils in der Überschrift die Begriffe "Immobilienbetrug", "Betrug", "Machenschaften", "Nigeria Betrug", ohne dass diese Begriffe in einen konkreten Zusammenhang mit dem Namen des Antragstellers gebracht werden. Unter den jeweiligen Überschriften befinden sich als "Thema" die Begriffe "Die... +Andreas K. +Immobilien". Ein unmittelbarer logischer Zusammenhang zwischen diesem "Thema" und der Überschrift wird damit nicht hergestellt, insb. enthalten die Eintragungen keine Aussage dahingehend, dass der Kläger Täter oder Teilnehmer des in der Überschrift genannten Deliktes sei.
Ein solches den Antragsteller belastendes Verständnis liegt schon deshalb fern, weil es sich um eine Suchmaschine handelt, deren Eintragungen - für den Nutzer offenkundig - nicht auf der intellektuellen Leistung von Menschen beruhen, sondern die das Ergebnis eines automatisierten Vorgangs sind. Auch wenn dem durchschnittlichen Nutzer nicht die von der Antragsgegnerin aufgezeigten technischen Vorgänge im Detail bekannt sind, weiß er doch, dass eine Suchmaschine, die weite Teile des Internets mit milliardenfachen Websites erfasst, die gefundene Seite ohne menschliche Einwirkung nach darin vorkommenden Begriffen erfasst, registriert und bei Aufruf darin vorhandener Begriffe ihre Internetadresse zusammen mit einzelnen Textteilen anzeigt. Mit dem Suchergebnis verbindet sich für den Nutzer jedenfalls dann keine inhaltliche Aussage, wenn darin, wie bei den hier in Frage stehenden Ergebnissen, nicht ganze Sätze der gefundenen Seite, sondern lediglich einzelne Worte als "Schnipsel" (Snippets") aufgeführt werden.
Der Nutzer kann daher den vier hier vorliegenden Eintragungen entnehmen, dass die Fundstellen in der Überschrift den beanstandeten abwertenden Begriff enthalten und dass im weiteren Text der Name des Antragstellers und der Begriff "Die Dienstleister" auftaucht, ohne dass sich daraus ergibt, in welcher Beziehung der Antragsteller bzw. die genannte Gesellschaft zu dem in der Überschrift genannten Begriff stehen. Es bleibt also für den Nutzer offen, ob der Antragsteller als Täter, Opfer oder etwa Ermittler eines Be...