Entscheidungsstichwort (Thema)
"Der debitel Sommerhit"
Leitsatz (amtlich)
Wird die Bewerbung eines Handynetzkartenvertrages wegen unzureichender Lesbarkeit der Tarifbedingungen angegriffen, erfolgt aber die Werbung in unterschiedlichen Medien (einerseits Handzettel, andererseits Gehwegaufsteller), ist die Verfolgung in getrennten, jeweils nur auf die konkrete Verletzungsform bezogenen Verfahren auch dann nicht rechtsmissbräuchlich i.S.d. § 8 Abs. 4 UWG, wenn die Werbungen im Übrigen inhaltlich, farblich und im Layout identisch sind, sich in beiden Fällen dieselben Parteien ggü. stehen, sie von denselben Prozessbevollmächtigten vertreten werden und beide Werbungen bereits bei Einleitung der getrennten Verfügungsverfahren dem Wettbewerber bekannt waren.
Normenkette
UWG §§ 3, 4 Nr. 11; PAngV § 1 Abs. 1; UWG §§ 6, 5 Abs. 2 Nr. 2, § 8 Abs. 4
Verfahrensgang
LG Hamburg (Urteil vom 10.11.2005; Aktenzeichen 327 O 616/05) |
Nachgehend
Tenor
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des LG Hamburg - Zivilkammer 27 - vom 10.11.2005 wird zurückgewiesen.
Die Klägerin hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin kann eine Vollstreckung der Beklagten durch Sicherheitsleistung von 58.000 EUR abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Die Revision wird zugelassen.
Gründe
I. Die Parteien sind Wettbewerber im Bereich des Vertriebs von Handys und Handynetzkartenverträgen. Sie streiten um die Bewerbung eines Handynetzkartenvertrages durch die Klägerin im Sommer 2005 ("Der debitel Sommerhit"). Diesen Vertrag bewarb die Klägerin durch Handzettel, sog. Flyer, die in ihren Geschäftsräumen verteilt wurden, und einen vor ihrem Geschäft aufgestellten Gehwegaufsteller, der mit einem Werbeplakat beklebt war. Flyer und Werbeplakat sind inhaltlich, farblich und im Layout identisch. Unter der Überschrift "Der debitel Sommerhit" wird ein Netzkartenvertrag als "Deutschlands günstigster Handytarif" mit einer 0.00 Grundgebühr beworben. Darunter, in einem roten Balken, stehen die Worte "Nur 15 Cent pro Minute zu jeder Zeit, in jedes Netz" und "SMS nur 15 Cent". Am unteren linken Rand des Flyers und des Plakats befinden sich weitere Tarifinformationen zur Vertragslaufzeit, zum Anschlusspreis, zum Mindestgesprächsumsatz und zur Dauer des Angebots in wesentlich kleinerer Schriftgröße.
Die Beklagte hält beide Werbungen für wettbewerbswidrig, da die weiteren Tarifinformationen am unteren Rand des Flyers bzw. des Gehwegaufstellers nicht hinreichend lesbar seien. Wegen des Flyers mahnte sie die Klägerin unter dem 19.8.2005 und wegen des Gehwegaufstellers unter dem 23.8.2005 ab (Anlagen B 2, JS 1-3; Ast. 4 der Beiakte 5 U 13/06). Die Klägerin gab die geforderten Unterlassungserklärungen nicht ab. Daraufhin beantragte die Beklagte unter dem 31.8.2005 eine einstweilige Verfügung hinsichtlich des Flyers und unter dem 2.9.2006 eine einstweilige Verfügung hinsichtlich des Gehwegaufstellers. Beide einstweilige Verfügungen wurden erlassen und auf den Widerspruch der Klägerin und dortigen Antragsgegnerin hin aufgehoben. Das LG sah die Rechtsverfolgung in zwei getrennten Verfahren als rechtsmissbräuchlich gem. § 8 Abs. 4 UWG an. Auf die hiergegen eingelegten Berufungen der Beklagten und dortigen Antragstellerin hat der Senat die einstweiligen Verfügungen mit Urteilen vom heutigen Tage neu erlassen (Beiakten 5 U 13/06 und 100/06).
Das vorliegende Verfahren ist das Hauptsacheverfahren betreffend den Flyer. Die Hauptsache ist als Widerklage auf Unterlassung, Auskunft und Freihaltung von Abmahnkosten anhängig gemacht worden, nachdem zunächst die Klägerin negative Feststellungsklage in Hinblick auf einen Teil des außergerichtlich zusammen mit der Abmahnung geltend gemachten Auskunftsanspruchs erhoben hatte. Die negative Feststellungsklage haben die Parteien in erster Instanz übereinstimmend für erledigt erklärt. Die Beklagte hat folgende Anträge gestellt:
1. der Klägerin bei Vermeidung eines vom Gericht für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes, und für den Fall, dass diese nicht beigetrieben werden kann, eine Ordnungshaft oder eine Ordnungshaft bis zu 6 Monaten (Ordnungsgeld im Einzelfall höchstens 250.000 EUR; Ordnungshaft insgesamt höchstens 2 Jahre) zu verbieten, im geschäftlichen Verkehr zu Zwecken des Wettbewerbs bei der Werbung für Handy-Netzkartenverträge auf deren Bedingungen - hinsichtlich der Lesbarkeit - lediglich wie aus der Anlage B 1 ersichtlich - hinzuweisen;
2. die Klägerin zu verurteilen, ihr Auskunft zu erteilen, seit wann sie die Werbung gem. Anlage B 1 verwendet hat und wie viele der fraglichen Handy-Netzkartenverträge sie in dem fraglichen Zeitraum hat abschließen bzw. vermitteln können und wie viele der fraglichen Handynetzkartenverträge sie in einem der Werbung entsprechenden Zeitraum unmittelbar vor dem Werbezeitraum hat abschließen können, sowie
3. die Klägerin zu verurt...