Entscheidungsstichwort (Thema)

Dringlichkeit im Eilverfahren

 

Leitsatz (amtlich)

1. Bei der Beurteilung der Frage, ob eine Partei das Verfahren mit dem nötigen Nachdruck verfolgt und damit ihr Interesse an einer dringlichen Rechtsdurchsetzung in einem Eilverfahren dokumentiert hat, ist eine Gesamtbetrachtung ihres prozessualen und vorprozessualen Verhaltens geboten (Fortführung der Senatsrechtsprechung).

2. Dem Anspruchsteller ist ein umso zügigeres Handeln nach der Zurückweisung der Abmahnung abzuverlangen, wenn zwischen der Kenntnis vom Wettbewerbsverstoß und dem Ausspruch der Abmahnung bereits viel Zeit vergangen ist.

3. Ist es bereits bis zur Einreichung des Verfügungsantrages zu erheblichen Verzögerungen gekommen, die der Annahme der Dringlichkeit für sich genommen noch nicht entgegenstehen, dann ist die Dringlichkeitsvermutung bei der notwendigen Gesamtbetrachtung jedenfalls dann widerlegt, wenn der Antragsteller einer Aufforderung des Gerichts zur Ergänzung des Vortrags ohne hinreichend nachvollziehbare Gründe erst 5 1/2 Wochen nach Einreichung des Verfügungsantrages nachkommt.

4. Räumt das Gericht dem Antragsteller eine weiträumige Frist zur Ergänzung seines Verfügungsantrages ein, dann kann er sich nicht darauf verlassen, dass die Ausschöpfung der Frist stets als dringlichkeitsunschädlich angesehen wird.

 

Normenkette

UWG § 12 Abs. 2

 

Verfahrensgang

LG Hamburg (Aktenzeichen 315 O 348/17)

 

Tenor

Auf die Berufung der Antragsgegnerin wird das Urteil des Landgerichts Hamburg, Zivilkammer 15, vom 10. Januar 2018, Geschäfts-Nr. 315 O 348/17, abgeändert:

Die einstweilige Verfügung des Landgerichts Hamburg vom 18. September 2017 wird aufgehoben und der auf ihren Erlass gerichtete Verfügungsantrag zurückgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits fallen der Antragstellerin zur Last.

Das vorliegende Urteil ist ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar.

 

Gründe

A. Die Antragstellerin nimmt die Antragsgegnerin aus Heilmittelwerbe- und Wettbewerbsrecht auf Unterlassung in Anspruch.

Die Parteien sind konkurrierende Pharmaunternehmen. Die Antragstellerin vertreibt unter anderem das Arzneimittel N.* (Wirkstoff: FG.), welches zur Verkürzung der Dauer von Neutropenien sowie zur Verminderung der Häufigkeit neutropenischen Fiebers bei Patienten, die gegen eine maligne Erkrankung mit zytotoxischer Chemotherapie behandelt werden (Anlage ASt 1/Fachinformation). Die Antragsgegnerin vertreibt das Arzneimittel L. × (Wirkstoff: LiFG.), das für die gleiche Indikation zugelassen worden ist (Anlage ASt 2/Fachinformation).

In der Zeit vom 29. Juni bis zum 1. Juli 2017 fand in Berlin die 37. Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Senologie statt. Im Verlauf dieser Tagung wurde die Antragstellerin spätestens am 1. Juli 2017 auf eine Werbekarte der Antragsgegnerin aufmerksam, die dort abgegeben wurde (Anlagen ASt 3, ASt 8 und ASt 9).

Mit Schreiben vom 1. August 2017 ließ die Antragstellerin die Antragsgegnerin hinsichtlich verschiedener dort verwendeter werblicher Angaben, unter Fristsetzung zum 4. August 2017, 12.00 Uhr, abmahnen. Zur Begründung wurde ausgeführt, dass die Angaben irreführend seien (Anlage ASt 5). Der telefonisch erfolgten Bitte der Antragsgegnerin, die Frist bis zum 8. August 2017 zu verlängern, hat die Antragstellerin nur insoweit entsprochen, als die für den 4. August 2017, 12.00 Uhr, gesetzte Frist bis zum 4. August 2017, 24.00 Uhr, verlängert wurde. Mit Antwortschreiben vom 4. August 2017 ließ die Antragsgegnerin hinsichtlich eines Teils der monierten Werbeangaben eine strafbewehrte Unterlassungsverpflichtungserklärung abgeben. Im Übrigen wurden die geltend gemachten Ansprüche jedoch zurückgewiesen (Anlage ASt 6). Die teilweise erfolgte Unterlassungsverpflichtungserklärung ließ die Antragstellerin mit Schreiben vom 7. August 2017 annehmen (Anlage ASt 7).

Nachfolgend hat die Antragstellerin am 10. August 2017 den vorliegenden Verfügungsantrag beim Landgericht Hamburg eingereicht.

Am 23. August 2017 erteilte die Kammer der Antragstellerin telefonisch einen Hinweis, der nach dem bei der Akte befindlichen Vermerk vom 23. August 2017 dahin ging, dass der Verfügungsantrag derzeit unschlüssig sei. Relevante Teile der Verbindungsanlagen seien nicht hinreichend lesbar, z. B. die Fußnoten. Die verwendeten Fachbegriffe und Grafiken erschlössen sich nicht von selbst, seien also zu erläutern. Das Verständnis des angesprochenen Verkehrs werde weder begründet noch werde angegeben, warum es falsch sei. Zudem fehle die für den einseitigen Erlass erforderliche Anfangsglaubhaftmachung. Einer Stellungnahme werde bis zum 1. September 2017 entgegen gesehen. Bei einem weiteren Telefonat am 31. August 2017 teilten die Antragstellervertreter dem Gericht mit, dass noch vorgetragen werden solle, der entscheidende Mitarbeiter der Antragstellerin aber erst am Montag, den 4. September 2017, aus dem Urlaub zurückkommen werde. Ein Schriftsatz werde dann kurzfristig erfolgen. Nachfolgend trugen die Antragstellervertreter sodann mit Schriftsatz vom 6. Sept...

Dieser Inhalt ist unter anderem im VerwalterPraxis Gold enthalten. Sie wollen mehr?


Meistgelesene beiträge