Leitsatz (amtlich)
1. Wird ein Arzneimittel mit markenrechtlich geschützter Bezeichnung (hier: KLACID) aus der EU parallelimportiert und durch Markenersetzung unter einer verwechslungsfähigen Marke (hier: KLACID PRO) umgepackt im Inland vertrieben, so ist eine Markenverletzung gegeben, wenn die Markenersetzung nach den Grundsätzen zu Art. 28, 30 EG nicht erforderlich ist. Eine solche die Markenersetzung notwendig machende „Zwangslage” ist für den Parallelimporteur nicht gegeben, wenn das Arzneimittel KLACID auch in Deutschland und das Arzneimittel KLACID PRO nur in Deutschland vertrieben wird. Beide Mittel haben unterschiedliche Dosierschemata (es ist nicht etwa ein Arzneimittel in zwei Packungsgrößen), wegen der Warenverschiedenheit kann von einer künstlichen Marktaufteilung nicht ausgegangen werden. Der Umstand, dass die Markeninhaberin mit KLACID PRO ganz erheblich höhere Umsätze als mit KLACID erzielt, begründet für den Parallelimporteur ebenfalls keine Zwangslage zur Markenersetzung.
2. Wird eine Beschlussverfügung durch Zustellung nur an den Schuldner persönlich ordnungsgemäß vollzogen, so bleibt die Vollziehung wirksam, wenn der Gläubiger nach der Zustellung von der vorherigen Bestellung eines Prozessbevollmächtigten erfährt. Die Kenntnis von der Einreichung einer Schutzschrift ist der von der Bestellung eines Prozessbevollmächtigten nicht gleichzusetzen, auch wenn sich die Bestellung aus der Schutzschrift ergibt.
Normenkette
EG Art. 28, 30; MarkenG § 14; MarkenRL Art. 7; ZPO § 172 n.F., § 929
Verfahrensgang
LG Hamburg (Aktenzeichen 312 O 133/02) |
Tenor
Auf die Berufung der Antragstellerin wird das Urteil des LG Hamburg, Zivilkammer 12, vom 16.4.2002 abgeändert.
Die Beschlussverfügung des LG vom 11.3.2002 wird erneut erlassen.
Die Antragsgegnerinnen tragen die Kosten des Rechtsstreits in beiden Instanzen wie Gesamtschuldner.
und beschlossen:
Der Wert des Streitgegenstandes wird auch für das Berufungsverfahren auf 250.000 Euro festgesetzt.
Gründe
A. Die Antragstellerin – ein forschendes Arzneimittelunternehmen in Deutschland – vertreibt in Deutschland u.a. das auf sie zugelassene Arzneimittel KLACID PRO, ein Antibiotikum mit dem Wirkstoff Clarithromycin.
Die Antragsgegnerinnen sind Parallelimporteure. Sie vertreiben das aus Spanien stammende Arzneimittel „KLACID 250 comprimidos” in Deutschland unter der Bezeichnung „KLACID PRO”.
Die Antragstellerin beanstandet diese Umkennzeichnung als Markenrechtsverletzung und nimmt die Antragsgegnerinnen deswegen im einstweiligen Verfügungsverfahren auf Unterlassung in Anspruch.
Das Arzneimittel KLACID PRO wird nur in Deutschland vertrieben, die kleinste Packungsgröße N 1 enthält 12 Filmtabletten (Anlage AS 1). Das Mittel unterscheidet sich von KLACID durch die doppelte Dosierung am ersten Einnahmetag (zweimal 500 mg) und durch die dem entsprechende besondere Gestaltung der Durchdrückpackung: Der Blister von KLACID PRO ist so angeordnet, dass er die Compliance (d.i. die zuverlässige Befolgung der therapeutischen Anweisung) fördern soll. Hierzu ist die Durchdrückpackung auf der Vorder- und Rückseite mit den Einnahmetagen („Tag 1” und für die weiteren Tage „2” bis „5”) gekennzeichnet, er enthält für den ersten Einnahmetag zwei Kammern mit jeweils zwei Tabletten, den anderen Tagen sind jeweils zwei Kammern mit jeweils einer Tablette zugeordnet (Anlage AS 4). Auf die Besonderheiten des Blisters wird in der Gebrauchsinformation auf S. 3 unter „Dosieranleitung, Art und Dauer der Anwendung” hingewiesen (Anlage AS 1).
Daneben ist in Deutschland auch das Präparat KLACID in verschiedenen Darreichungsformen zugelassen und im Vertrieb; in oraler Darreichungsform ist KLACID in den Packungsgrößen zu 10 und zu 20 Filmtabletten auf dem Markt (Anlage AS 3), aber auch im Wege des Parallelimports in der Packungsgröße zu 12 Filmtabletten (Anlage AS 12–13). Auf dem von der Antragsgegnerin zu 1) übersandten Muster des aus Spanien parallelimportierten Arzneimittels „KLACID 250 comprimidos”, umgekennzeichnet in „KLACID PRO”, sind beide Antragsgegnerinnen als Vertriebsunternehmen angegeben (Anlagen AS 5, 7, 10).
Inhaberin der Gemeinschaftsmarke „KLACID” Nr. 40 436 (der Klagemarke) ist die konzernmäßig mit der Antragstellerin verbundene Firma A-…, …, USA (Anlage AS 2); die Antragstellerin ist das in Deutschland tätige Konzernunternehmen der Markeninhaberin mit den ausschließlichen Nutzungsrechten für die Klagemarke in Deutschland. Das LG hatte der einstweiligen Beschlussverfügung vom 11.3.2002 den Antragsgegnerinnen unter Androhung von Ordnungsmitteln verboten, das Arzneimittel „KLACID 250 comprimidos” spanischen Ursprungs in der Bundesrepublik Deutschland unter der Bezeichnung „KLACID PRO” anzubieten, abzugeben, feilzuhalten oder in den Verkehr zu bringen.
Das LG hat mit dem Urteil vom 16.4.2002 seine einstweilige Beschlussverfügung unter Zurückweisung des auf ihren Erlass gerichteten Antrages aufgehoben.
Hiergegen richtet sich die Berufung der Antragstellerin, sie verfolgt ihren erstinstanzlichen Verfüg...