Leitsatz (amtlich)

Wird ein Arzneimittel mit markenrechtlich geschützter Bezeichnung aus der EU ins Inland parallelimportiert und nach Erstellen einer neuen äußeren Umverpackung im Inland vertrieben, so ist das Markenrecht nicht erschöpft und wird demgemäß verletzt, wenn das Umpacken „nicht erforderlich” (i.S.d. EuGH-Rechtsprechung) ist.

Ein solches Umpacken ist nicht erforderlich, wenn statt der neuen die bisherige äußere Umverpackung für das Inland entsprechend etikettiert und der Packungsinhalt auf- oder abgestockt werden kann. Das gilt auch dann, wenn es der Markeninhaber hinnehmen muss, dass der Parallelimporteur daneben für die Reste aus den abgestockten Packungsinhalten neue äußere Umverpackungen erstellt.

 

Normenkette

MarkenG §§ 14, 24

 

Verfahrensgang

LG Hamburg (Aktenzeichen 312 O 325/01)

 

Tenor

Die Berufung der Antragsgegnerinnen gegen das Urteil des LG Hamburg, Zivilkammer 12, vom 7.8.2001 wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Berufungsverfahrens tragen die Antragsgegnerinnen wie Gesamtschuldner.

und beschlossen:

Der Wert des Streitgegenstandes wird auch für das Berufungsverfahren auf 127.823 EUR (= 250.000 DM) festgesetzt.

 

Tatbestand

Die Antragstellerin – ein Pharmaunternehmen – vertreibt in Deutschland das Arzneimittel „S. 200 mg”, ein verschreibungspflichtiges Präparat mit dem Wirkstoff Amisulprid, an dessen Bezeichnung „S.” sie als Markeninhaberin Markenrechtsschutz genießt (vgl. wegen der Klagemarke „S.” Nr. 48 30 04: Anlage AS 1).

Die Antragsgegnerinnen befassen sich mit dem Parallelimport von Arzneimitteln. Sie beabsichtigen, das von ihnen nach Deutschland importierte französische Arzneimittel „S. 200 mg” in von ihnen selbst gefertigte äußere Umverpackungen umzupacken und im Inland in den Packungsgrößen zu 50 und 100 Tabletten zu vertreiben (Anlagen AS 2–3).

Die Antragstellerin beanstandet das Umpacken des Arzneimittels „S.” in neue äußere Umverpackungen – ausgenommen solche Umverpackungen, die ausschließlich dem Vertrieb der den Originalpackungen entnommenen, anderweitig nicht verwertbaren Durchdrückpackungen (Blister) dienen – als Markenrechtsverletzung und nimmt die beiden Antragsgegnerinnen im Wege der einstweiligen Verfügung auf Unterlassung in Anspruch.

Die Antragstellerin vertreibt im Inland das Arzneimittel „S. 200 mg” in Packungsgrößen zu 50 Tabletten (N 2) und zu 100 Tabletten (N 3), die Packungsgröße N 2 enthält 5 Blister mit jeweils 10 Tabletten. In dem Ausfuhrland Frankreich – aus dem das parallelimportierte Arzneimittel „S.” vorliegend stammt – ist das Arzneimittel in den Packungsgrößen zu 60 Tabletten (6 Blister mit jeweils 10 Tabletten) und zu 150 Tabletten (Klinikpackung) auf dem Markt. Bisher haben die Antragsgegnerinnen das Arzneimittel „S.” nur in der Packungsgröße zu 60 Tabletten, nicht aber die Klinikpackungen zu 150 Tabletten importiert (vgl. Schutzschrift LG Hamburg 312 AR 232/01, Anlage 1).

Das LG hatte mit seiner Beschlussverfügung vom 30.5.2001 den Antragsgegnerinnen unter Androhung von Ordnungsmitteln verboten, das aus Frankreich importierte Arzneimittel „S.”, welches dort in Packungen à 60 und 150 Tabletten vertrieben wird, in Deutschland in neu gefertigten Eigenverpackungen à 50 und 100 Tabletten feilzuhalten, anzubieten und/oder zu vertreiben, ausgenommen solche Umverpackungen, welche ausschließlich dem Vertrieb der ansonsten nicht mehr verwertbaren Blister dienen, die den Originalpackungen entnommen werden mussten.

Mit dem Urt. v. 7.8.2001 hat das LG seine einstweilige Verfügung bestätigt.

Hiergegen richtet sich die Berufung der Antragsgegnerinnen, die Antragstellerin verteidigt das angefochtene Urteil.

 

Entscheidungsgründe

Die zulässige Berufung der Antragsgegnerinnen hat in der Sache keinen Erfolg. Zu Recht hat das LG seine einstweilige Verfügung bestätigt.

I. Das LG ist zutreffend von der Dringlichkeit ausgegangen. Für Markenrechtsstreitigkeiten gilt die Vermutung der Eilbedürftigkeit unter Anwendung des § 25 UWG, diese haben die Antragsgegnerinnen nicht widerlegt.

Die Antragstellerin hat vorgetragen, sie habe von der beanstandeten Verwendung eigener „S.”-Umverpackungen durch die Musterübersendung gem. Schreiben der Antragsgegnerinnen vom 27.3.2001 erfahren (Anlage AS 2). Demgegenüber haben die Antragsgegnerinnen ohne nähere Darlegung oder gar Glaubhaftmachung in der Schutzschrift (dort Seite 5) behauptet, die Gegenseite habe davon Kenntnis „seit Ende Februar 2001”. Näheres ist auch in der Berufungsinstanz dazu von den Antragsgegnerinnen nicht vorgetragen worden. Es ist demgemäß nicht ersichtlich, dass die Antragstellerin das Verfügungsverfahren nicht hinreichend zügig betrieben hat.

II. Der Unterlassungsantrag gegen die Antragsgegnerin zu 1) gem.dem Verbotsausspruch der Beschlussverfügung ist auch nach Auffassung des Senats aus den §§ 3, 14 Abs. 2 Nr. 1, Abs. 35 MarkenG begründet.

1. Gegenstand des Unterlassungsantrages ist das Anbieten und Vertreiben des aus Frankreich parallelimportierten Arzneimittels „S.” in den Packungsgrößen zu 50 und zu 100 Tabletten in Deutschland, un...

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