Entscheidungsstichwort (Thema)
Zur Haftung der beratenden Bank bei Vertrieb von Zertifikaten der "Lehman Bros. Inc."; Pflicht zur Aufklärung über Gewinnmarge und Nichteingreifen eines Einlagensicherungssystems
Verfahrensgang
LG Hamburg (Urteil vom 01.07.2009; Aktenzeichen 325 O 22/09) |
Nachgehend
Tenor
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des LG Hamburg vom 1.7.2009 abgeändert:
Die Klage wird abgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten des Rechtsstreits.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Klägerin wird nachgelassen, die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung i.H.v. 110 % des nach diesem Urteil vollstreckbaren Betrages abzuwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit i.H.v. 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
Die Revision wird zugelassen.
Gründe
I. Wegen des Sach- und Streitstandes 1. Instanz wird gem. § 540 Abs. 1 Nr. 1 ZPO auf den Tatbestand der angefochtenen Entscheidung Bezug genommen.
Die Beklagte erstrebt mit ihrer Berufung die Abweisung der Klage. Ergänzend zum Tatbestand des landgerichtlichen Urteils wird festgestellt:
Die Klägerin betreibt in Glinde als selbständige Ernährungsberaterin seit 1999 ein Schlankheitsstudio, dies bringt es mit sich, dass sie die in unmittelbarer Nähe zu ihrem Geschäft gelegene Zweigstelle der Beklagten häufig aufsucht.
Im auf den Namen der Klägerin bei der Beklagten geführten Depot befanden sich Ende September 2007 Wertpapiere in einem Gesamtwert von ca. 55.500 EUR. Hierbei entfielen ca. 29.400 EUR auf eine Kassenobligation der Beklagten, weitere ca. 10.500 EUR auf eine Schuldverschreibung der HSH Nordbank. Weiter waren im Depot 20 Aktien der Daimler AG (Kurswert ca. 1.400) EUR, 100 Vorzugsaktien der ProSiebenSat. 1 Media AG (Kurswert ca. 2.300 EUR) und 50 Aktien der Commerzbank AG (Kurswert ca. 1.400 EUR) eingebucht.
Daneben hielt die Klägerin 316 Anteile am "HASPA Multiinvest-Chance" Investmentfonds (Kurswert ca. 5.700 EUR) sowie 50 "UBS AG (London) Basket Express Zertifikate" (Kurswert ca. 4.800) EUR. Das letztgenannte Papier erwarb die Klägerin am 20.4.2007, es handelte sich hierbei um ein Zertifikat, dessen Basiswert ebenso wie die Schlusskurse zu den möglichen Rückzahlungsterminen aus den Kursen von 10 dividendenstarken DAX-Werten ermittelt wurden. Bei entsprechendem Kursverlauf der Basiswerte sollte nach frühestens 13 Monaten eine Rückzahlung des Anlagebetrages zzgl. eines Bonus von 16 % erfolgen. Es bestand bei einer stark negativen Entwicklung der Kurse der 10 dem Papier zugrunde gelegten DAX-Titel das Risiko eines Totalverlustes des eingesetzten Kapitals, auf dieses Risiko wurde die Klägerin in dem dem Kauf vorangehenden Beratungsgespräch durch den sie beratenden Leiter der Filiale Glinde der Beklagten, den Zeugen L, hingewiesen.
Nach Kenntnis der Beklagten (Anl. B 27) hatte die Klägerin seinerzeit ein Nettoeinkommen von 1.500 EUR - 3.500 EUR, dem monatliche Verpflichtungen von "über 1.000" EUR gegenüberstanden; weiter belief sich ihr liquides Geldvermögen auf "über 150.000" EUR, ihr sonstiges Vermögen auf 25.000 EUR - 50.000 EUR, zudem besaß sie unbelastetes Grundvermögen im Wert von 250.000 EUR; 500.000 EUR.
Der Ablauf des dem Kauf der "Lehman Bull Express Garant" Anleihe vorangehenden Beratungsgesprächs ist auch in der Berufungsinstanz streitig geblieben.
Die Beklagte trägt vor, die Klägerin sei durch den Zeugen L umfassend und sachgerecht über die Risiken des Papiers aufgeklärt worden.
Im Übrigen wendet sie sich in rechtlicher Hinsicht gegen das Urteil des LG.
Eine Aufklärung der Klägerin darüber, dass die Beklagte bei dem Verkauf dieser Wertpapiere eine Handelsspanne erziele und auf welchen Betrag sich diese Marge belaufe, sei nicht geschuldet gewesen.
Die sog. "kick-back"-Rechtsprechung des BGH sei auf den Fall der Erzielung einer Marge durch Eigenhandel nicht übertragbar. Eine den Fällen der verdeckten Rückgewähr von Beträgen aus Provisionen oder Ausgabeaufschlägen "hinter dem Rücken" des beratenen Kunden vergleichbare Interessenlage sei bei der Erzielung von Gewinnen aus einer Handelsspanne nicht gegeben.
Zudem scheide hier ein Interessenkonflikt der Beklagten zwischen sachgerechter Beratung des Kunden und Verfolgung eigener wirtschaftlicher Ziele ohnehin aus, da tatsächlich mit anderen Produkten für die Beklagte eine höhere Marge zu erzielen gewesen wäre, als mit dem Verkauf der Lehman-Papiere. Inklusive des - aus der Kaufabrechnung Anl. K 1 ersichtlichen - Ausgabeaufschlages von 1 % habe ihre Gewinnmarge in diesem konkreten Geschäft bei 3,75 % gelegen, wie sich aus der als Anl. B 52 vorgelegten E-Mail vom 14.8.2007 ergebe, mit der Lehman Brothers International ihr ggü. einen Verkaufskurs von 97,25 % bestätigt habe. Demgegenüber hätten sowohl der Verkauf einer eigenen Inhaberschuldverschreibung als auch die Vereinnahmung als Spareinlage für die Beklagte sowohl absolut als auch barwertig höhere Marge...