Entscheidungsstichwort (Thema)
Zur Haftung der beratenden Bank bei Vertrieb von Zertifikaten der "Lehman Bros. Inc."; Pflicht zur Aufklärung über Gewinnmarge und Nichteingreifen eines Einlagensicherungssystems
Verfahrensgang
Tenor
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des LG Hamburg vom 23.6.2009 abgeändert:
Die Klage wird abgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Rechtsstreits.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Dem Kläger wird nachgelassen, die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung i.H.v. 110 % des nach diesem Urteil vollstreckbaren Betrages abzuwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit i.H.v. 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
Die Revision wird zugelassen.
Gründe
I. Wegen des Sach- und Streitstandes der ersten Instanz wird gem. § 540 Abs. 1 Nr. 1 ZPO auf den Tatbestand der angefochtenen Entscheidung Bezug genommen.
Die Beklagte erstrebt mit ihrer Berufung die Abweisung der Klage. Ergänzend zum Tatbestand des landgerichtlichen Urteils wird festgestellt:
Der 64 Jahre alte Kläger ist Lehrer im Ruhestand. Er und seine Lebensgefährtin, die Zeugin K, waren zum Zeitpunkt des hier streitigen Anlagegeschäfts schon seit geraumer Zeit Kunden der Beklagten. Als Berater war für ihn zunächst der Zeuge W, ab Herbst 2006 die Zeugin P zuständig gewesen.
Im Herbst 2002 verfügten der Kläger, seine Lebensgefährtin, die Zeugin K, und ihr gemeinsamer Sohn, Herr D K, über ein Finanzvermögen von 226.000 EUR; wegen der Einzelheiten wird auf die vom Kläger in der mündlichen Verhandlung zur Akte gereichte Aufstellung der Beklagten - Anl. K 24) Bezug genommen.
Im November 2003 beriet der Zeuge W den Kläger im Zusammenhang mit einer Anlage von 40.000 EUR für sich selbst und von weiteren 10.000 EUR, die für seinen Sohn erworben werden sollte. Tatsächlich kaufte der Kläger am 24.11.2003 für sich selbst im Nennwert von 40.000 EUR Inhaberschuldverschreibungen und Investmentanteile, für seinen Sohn im Nennwert von 10.000 EUR die 2 % J. P. Morgan Momentum Anleihe; wegen der Ausstattung dieser Anleihe und der Details des Erwerbs wird auf den Produktflyer (Anl. B 59) und die Verkaufsabrechnung (Anl. B 61) Bezug genommen.
Inwieweit der Kläger durch den damaligen Berater, den Zeugen W, zutreffend über die mit dem Erwerb dieser Anleihe verbundenen Risiken aufgeklärt wurde, ist streitig.
Im Herbst 2004 erwarb der Kläger eine mit 8 % verzinste, auf ungarische Forint lautende Anleihe der niederländischen Rabo-Bank.
Per 31.10.2006 waren im Depot des Klägers insgesamt Werte von ca. 87.000 EUR eingebucht, wobei ein geringfügiger Betrag auf Aktien der Deutschen Telekom, ca. 24.000 EUR auf Deka-Immobilienfonds, ca. 18.000 EUR auf die sog. "Weihnachtszinsanleihe" der Deutschen Bank und der Rest auf festverzinsliche Wertpapiere entfielen.
Auch der Ablauf des dem Kauf der "Lehman ProtectExpress"-Anleihe (im Folgenden: Lehman-Anleihe) vorangehenden Beratungsgesprächs ist in der Berufungsinstanz streitig geblieben.
Die Beklagte trägt vor, der Kläger sei vor Erwerb der JP Morgan-Anleihe durch den Zeugen Wendel umfassend und sachgerecht über die Risiken des Papiers, insb. das vom Erwerber zu tragende Emittentenrisiko aufgeklärt worden.
In gleicher Weise habe die Zeugin P den Kläger vor Erwerb der Lehman-Anleihe vollständig und sachgerecht über die Funktionsweise der Anleihe und über die zu tragenden Risiken aufgeklärt.
Im Übrigen wendet sie sich in rechtlicher Hinsicht gegen das Urteil des LG.
Eine Aufklärung des Klägers darüber, dass die Beklagte bei dem Verkauf dieser Wertpapiere eine Handelsspanne erziele und auf welchen Betrag sich diese Marge belaufe, sei nicht geschuldet gewesen.
Die sog. "kick-back"-Rechtsprechung des BGH sei auf den Fall der Erzielung einer Marge durch Eigenhandel nicht übertragbar. Eine den Fällen der verdeckten Rückgewähr von Beträgen aus Provisionen oder Ausgabeaufschlägen "hinter dem Rücken" des beratenen Kunden vergleichbare Interessenlage sei bei der Erzielung von Gewinnen aus einer Handelsspanne nicht gegeben.
Zudem scheide hier ein Interessenkonflikt der Beklagten zwischen sachgerechter Beratung des Kunden und Verfolgung eigener wirtschaftlicher Ziele ohnehin aus, da tatsächlich mit anderen Produkten für die Beklagte eine höhere Marge zu erzielen gewesen wäre, als mit dem Verkauf der Lehman-Papiere. Inklusive des - aus der Kaufabrechnung Anl. K 1 ersichtlichen - Ausgabeaufschlages von 1 % habe ihre Gewinnmarge in diesem konkreten Geschäft bei 4,80 % gelegen, wie sich aus der als Anl. B 41 vorgelegten E-Mail vom 16.10.2006 ergebe, mit der Lehman Brothers International ihr ggü. einen Verkaufskurs von 96,20 % bestätigt habe. Demgegenüber hätten sowohl der Verkauf einer eigenen Inhaberschuldverschreibung als auch die Vereinnahmung als Spareinlage für die Beklagte sowohl absolut als auch barwertig höhere Margen erbracht; auf die Aufstellung auf S. 43 - 45 des Schriftsatzes der Beklagten vom 8.5.2009, die Aufstellungen der von der ...