Leitsatz (amtlich)
1. Steht der Rechtsmittelkläger fest, hindert auch ein unvollständiges und damit zugleich unrichtiges Passivrubrum nicht die Zulässigkeit einer Berufung, da der Rechtsmittelgegner sich im Allgemeinen schon aus der Bezeichnung des angefochtenen Urteils ergibt (insoweit BGH v. 30.4.1991 - VI ZR 82/90, BRAK 1992, 63 = MDR 1991, 1090 = NJW 1991, 2775 folgend).
2. Die Kündigung eines Girokonto-Vertrages durch die Postbank ist wegen Verstoßes gegen das Willkürverbot (Art. 3 Abs. 1 GG) gem. § 134 BGB nichtig, wenn sich bei verständiger Würdigung der das Grundgesetz beherrschenden Gedanken ein sachgerechter Grund für eine Maßnahme der öffentlichen Gewalt nicht finden lässt (insoweit BGH v. 2.12.2003 - XI ZR 397/02, MDR 2004, 460 = BGHReport 2004, 497 = NJW 2004, 1031 folgend).
Verfahrensgang
LG Hamburg (Urteil vom 30.01.2003; Aktenzeichen 315 O 292/02) |
Tenor
Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des LG Hamburg, Zivilkammer 15, vom 30.1.2003 (315 O 292/02) abgeändert.
1. Die Beklage wird verpflichtet, das bis zum 24.3.2002 von der Klägerin bei ihr geführte Girokonto (Kto. ..., BLZ ...) unter derselben Kontonummer wieder einzurichten und den Girovertrag mit der Klägerin zu unveränderten Bedingungen fortzuführen.
2. Es wird festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin jeglichen Schaden zu ersetzen, der ab Rechtshängigkeit der Klage dadurch entsteht, dass die Beklagte die Kontoverbindung mit der Klägerin nicht fortführt.
3. Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits in beiden Instanzen.
4. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte darf die Zwangsvollstreckung durch Sicherheitsleistung i.H.v. 55.000 EUR abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
5. Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe
A. Das klagende Verlagsunternehmen nimmt die Postbank auf Fortführung eines Girokontos sowie Schadensersatzfeststellung wegen Kündigung eines Girokontos in Anspruch.
Die Klägerin unterhält vier Buchverlage. Sie befasst sich darüber hinaus schwerpunktmäßig mit dem Vertrieb von Büchern, und zwar sowohl im Wege von Einzelbestellungen als auch mittels Ansichtsversands durch zwei Buchclubs. Die von ihr vertriebenen Bücher und andere Medien sind historischen und politischen Inhalts. Schwerpunktmäßig befassen sich diese Medien mit der neueren deutschen Geschichte und aktuellen politischen Geschehnissen. Sie lassen nach dem Vortrag der Klägerin, dem die Beklagte nicht entgegengetreten ist, eine politische Richtung erkennen, die man als "nicht links" einordnen kann.
Die Beklagte ist im Zuge der Postreform aus der Deutschen Bundespost hervorgegangen und existiert seit 1995 in der Rechtsform der Aktiengesellschaft. Das Aktienkapital wird vollständig von der Deutschen Post AG gehalten. Im November 2000 erfolgte ein Börsengang der Deutschen Post AG, die zuvor vollständig im Eigentum der öffentlichen Hand stand. Zwischen den Parteien ist unstreitig, dass zum Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung vor dem erkennenden Senat die öffentliche Hand jedenfalls noch mit 50 % und einer zusätzlichen Aktie am Grundkapital der Deutsche Post AG beteiligt ist.
Seit mehr als 20 Jahren unterhielt die Klägerin bei der Beklagten bzw. ihrer Rechtsvorgängerin ein Postbank-Girokonto, über das die Klägerin den allergrößten Teil ihrer Geschäfte abwickelte. In dieser Zeit sind keine Störungen in der Geschäftsbeziehung zwischen den Parteien aufgetreten.
Mit Schreiben vom 11.9.2000 (Anlage K 2) kündigte die Beklagte dieses Girokonto erstmals, und zwar unter Hinweis auf Nr. 19 Abs. 1 ihrer allgemeinen Geschäftsbedingungen. Zur Begründung war im Kündigungsschreiben ausgeführt:
"Seitens der Postbank ist eine Geschäftsbeziehung zu Ihrer Organisation nicht erwünscht."
Gegen diese Kündigung wandte die Klägerin in einem einstweiligen Verfügungsverfahren vor dem LG Hamburg (303 O 300/00/315 O 831/00). Das Verfahren endete damit, dass die Beklagte erklärte, die Kündigung vom 11.9.2000 nicht aufrecht zu erhalten.
Mit Schreiben vom 24.9.2001 kündigte die Beklagte das Girokonto der Klägerin erneut. Diese Kündigung ist Gegenstand des vorliegenden Rechtsstreits. In dem Kündigungsschreiben hieß es u.a. (Anlage K 1):
"...seitens der Deutschen Postbank AG besteht kein Interesse an der Fortführung der Geschäftsverbindung mit Ihnen. Wir kündigen hiermit ihre o.a. Postbank Girokonten gem. Nr. 19 Abs. 1 der AGB Postbank mit Wirkung zum 24.3.2002...."
Die Klägerin hat sich daraufhin um eine alternative Bankverbindung bemüht. Dabei erhielt sie eine Vielzahl von Absagen. Ihre Bemühungen waren lediglich bei der V-Bank AG erfolgreich. Sie unterhält dort ein Girokonto, bei dem sie pro Buchung 0,60 DM bzw. 0,30 EUR bezahlen muss. Bei der Beklagten entrichtete die Klägerin - wie jeder andere Kunde auch - dagegen lediglich 0,03 EUR pro Buchung. Die neue Kontoverbindung bei der Vereins- und Westbank bestand bereits bei Klageerhebung.
Die Klägerin hat vorgetragen:
Die Kündigung des Girokontos sei unwirksam.
Es sei o...