Leitsatz (amtlich)

1. Wird eine Unterlassungsverfügung im Widerspruchsverfahren durch Urteil nicht identisch, sondern mit erweitertem Inhalt bestätigt, so ist eine erneute Vollziehung erforderlich. Das gilt nicht, wenn der Verfügungsantrag im Umfang der Verbotserweiterung zurückgenommen worden ist, insoweit ist auf die Vollziehung der Beschlussverfügung abzustellen.

2. Wird ein Arzneimittel mit markenrechtlich geschützter Bezeichnung aus der EU parallelimportiert und unter dieser Marke umgepackt im Inland vertrieben, so ist das Markenrecht (i.S.d. EuGH-Rechtsprechung) nicht erschöpft und wird demgemäß verletzt, wenn der Markeninhaber nicht vorab unterrichtet und ihm auf Verlangen kein Muster geliefert wird. Der Pflicht zur Vorabinformation wird nur genügt, wenn der Hersteller bzw. Markeninhaber ohne unnötige Verständigungsschwierigkeiten oder -risiken, d.h. grundsätzlich in seiner Landessprache oder in Englisch unterrichtet wird. Die Musterübersendung hat dagegen nicht „vorab”, sondern unverzüglich auf Verlangen zu erfolgen. Für die Frage der Begehungsgefahr sind die Fallgestaltungen danach zu unterscheiden, ob die Musteranforderung unverzüglich nach der Vorabinformation bzw. noch vor der Vertriebsaufnahme oder erst später während des Vertriebes erfolgt.

 

Normenkette

ZPO §§ 927, 929, 936; MarkenG §§ 14, 24

 

Verfahrensgang

LG Hamburg (Aktenzeichen 312 O 647/01)

 

Tenor

Der Wert des Streitgegenstandes wird für die erste Instanz betreffend das Widerspruchsverfahren auf 36.775 Euro (= 600.000 DM) festgesetzt, für das Erlassverfahren bleibt es bei der Festsetzung auf 255.646 Euro (= 500.000 DM).

Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Berufungsverfahren zunächst ebenfalls auf 36.775 Euro (= 600.000 DM) festgesetzt, nach der teilweisen Antragszurücknahme ermäßigt sich der Streitwert auf 255.646 Euro (= 500.000 DM).

 

Tatbestand

Die Antragstellerin – ein forschendes deutsches Pharmaunternehmen – vertreibt in Deutschland u.a. das auf sie zugelassene Arzneimittel D. aus der Gruppe der Prolactinhemmer, und zwar in den Packungsgrößen 2, 8 und 30 Tabletten (Anlage AS 1). Die Antragsgegnerin befasst sich mit dem Parallelimport von Arzneimitteln. Sie hat aus Spanien das Arzneimittel D. in der Packungsgröße 2 Tabletten (1 Glasflasche mit 2 Tabletten) importiert, umkonfektioniert und als Bündelpackung der Packungsgröße 30 Tabletten (15 Glasflaschen) in Deutschland vertrieben. Die Antragstellerin beanstandet das im Hinblick auf die ihrer Ansicht nach unzureichende Vorabinformation und nicht ordnungsgemäße Musterübersendung (entspr. den Grundsätzen der Rechtsprechung des EuGH zur Erschöpfung des Markenrechts beim Parallelimport) als Markenrechtsverletzung und nimmt die Antragsgegnerin deswegen im einstweiligen Verfügungsverfahren auf Unterlassung in Anspruch. Die zum Konzern der Antragstellerin gehörende italienische Firma P. S.p.A., Mailand, ist Inhaberin der deutschen Wortmarke „D.” Nr. DT 01 152 833, eingetragen u.a. für „pharmazeutische Erzeugnisse” (Anlage AS 2). Die Antragstellerin ist nach ihren Angaben klagebefugt, und zwar als alleinige Lizenznehmerin der Mailänder Firma P. S.p.A. an dieser Bezeichnung in Deutschland (Anlage AS 3).

In der LAUER-Taxe vom 15.7.2001 war für die Antragsgegnerin das Parallelimport-Präparat „D. Tabletten, 30 Stück” angegeben (Anlage AS 4). Eine Vorabinformation über diesen Parallelimport hat die Antragsgegnerin unstreitig nicht an die Antragstellerin übersandt, sondern statt dessen an die Mailänder Firma P. S.p.A., und zwar das Schreiben vom 30.5.2001 in deutscher Sprache (Anlage AS 10, S. 2). Eine Kopie dieses Schreibens hat die Antragsgegnerin der Antragstellerin erst mit Anwaltsschreiben vom 17.9.2001 übersandt (Anlage AS 10, S. 1).

Die Antragstellerin hat, nachdem sie von der Antragsgegnerin mit Anwaltsschreiben vom 3.9.2001 die Übersendung einer Musterpackung des parallelimportierten Arzneimittels D., 30 Tabletten verlangt hat (Anlage AS 7), mit Schreiben vom 6.9.2001 von dieser erfahren, das Präparat sei nicht auf Lager, ein Muster könne erst nach Eingang der nächsten Lieferung übersandt werden (Anlage AS 8), das geschah dann unter dem 31.10.2001 (Anlage AG EVB 11). Das LG hatte mit Beschluss vom 12.10.2001 der Antragsgegnerin im Wege der einstweiligen Verfügung antragsgemäß verboten, parallelimportierte Arzneimittel, insbesondere das Arzneimittel D., 30 Tabletten, für die ein markenrechtlicher Schutz der Antragstellerin oder eines zum Konzern der Antragstellerin gehörigen Unternehmens, insbesondere der P. S.p.A., Mailand, besteht, in der Bundesrepublik Deutschland anzubieten, abzugeben, feilzuhalten oder sonst in den Verkehr zu bringen, ohne dies vorab der jeweiligen Markeninhaberin, insbesondere der P. S.p.A., Mailand als Markeninhaberin für D. oder der Antragstellerin als konzernangehörige Lizenznehmerin der jeweiligen Markeninhaberin in der jeweiligen Landessprache, bei der P. S.p.A., Mailand insbesondere in italienischer Sprache, oder in englischer Sprache als internationaler Geschäft...

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