Entscheidungsstichwort (Thema)

Überprüfung betreuungsrechtlicher Maßnahmen

 

Leitsatz (amtlich)

1. Die Bejahung eines fortwirkenden Rechtsschutzinteresses an der Feststellung der Rechtswidrigkeit einer erledigten betreuungsrechtlichen Maßnahme unter dem Gesichtspunkt der Gewährung effektiven Rechtsschutzes setzt einen tatsächlich erfolgten Eingriff in Grundrechtspositionen des Betroffenen voraus.

2. Kommt es im Ergebnis nicht zu einem Eingriff in eine Grundrechtsposition des Betroffenen, weil die betreuungsrechtliche Maßnahme (hier: Genehmigung einer Bluttransfusion) tatsächlich nicht durchgeführt wird, ist eine feststellende Entscheidung über die Rechtsmäßigkeit der Maßnahme ausgeschlossen.

 

Verfahrensgang

LG Dortmund (Beschluss vom 03.12.2003; Aktenzeichen 9 T 527/03)

AG Hamm (Aktenzeichen XVII M 401)

 

Tenor

Die weitere Beschwerde wird zurückgewiesen.

 

Gründe

I. Die Betroffene gehört seit ihrer Kindheit der Glaubensgemeinschaft der A. an. Ende Juni 2003 begab sie sich zur Durchführung einer Hüftpfannenwechseloperation in die T. in H. Bei ihrer Aufnahme legte sie eine von ihr unter dem Datum vom 26.5.2003 durch Ausfüllen eines Vordrucks errichtete und notariell beglaubigte Patientenverfügung vor, in der sie ihrer Glaubensüberzeugung folgend Transfusionen von Vollblut oder irgendeinem der Hauptbestandteile des Blutes ausschloss. Ferner errichtete sie am 22.6.2003 ebenfalls unter Verwendung eines Vordrucks eine schriftliche Patientenverfügung mit Betreuungsvollmacht, in der sie die derselben Glaubensgemeinschaft angehörenden Herren G. und X. in H. zur Wahrnehmung der Gesundheitsfürsorge für den Fall bevollmächtigte, dass sie zur Wahrnehmung ihres Selbstbestimmungsrechts selbst nicht mehr in der Lage sein sollte, und zwar u.a. mit der Maßgabe, dass die Bevollmächtigten für die Beachtung ihrer Anweisungen entsprechend ihren Glaubensüberzeugungen durch Ärzte und medizinisches Personal Sorge tragen sollten. Schließlich erklärte die Betroffene in dem vor der Operation durchgeführten Aufklärungsgespräch am 25.6.2003, das schriftlich dokumentiert wurde, auf keinen Fall - auch nicht im Notfall - eine Übertragung von Blut bzw. Blutbestandteilen zu wünschen; erlaubt sei lediglich das sog. Cell-Saver-Verfahren. Wegen der weiteren Einzelheiten der Erklärungen der Betroffenen wird auf die zu den Akten gelangten Kopien Bezug genommen.

Nach Durchführung der Operation kam es bei der Betroffenen zu Komplikationen, die aus ärztlicher Sicht Bluttransfusionen dringend angezeigt erscheinen ließen. Die Betroffene wurde in ein künstliches Koma versetzt und beatmet, um den Sauerstoffverbrauch gering zu halten. Der behandelnde Arzt Dr. T. teilte am 30.6.2003 telefonisch dem AG mit, eine Behandlung mit Ersatzstoffen sei nicht mehr ausreichend, spätestens am 1.7.2003 müsse darüber entschieden werden, ob eine Bluttransfusion vorgenommen werde, ohne die aus medizinischer Sicht eine Verschlechterung des Gesundheitszustandes der Betroffenen bis zum Tod wahrscheinlich sei.

Das AG hat am 1.7.2003 den behandelnden Arzt, die für die Betroffene zur Verfahrenspflegerin bestellte Rechtsanwältin G., die für die Gesundheitsfürsorge bevollmächtigten Herren G. und X. sowie den Ehemann und die Kinder der Betroffenen angehört. Die Bevollmächtigten haben sich gegen die Durchführung von Bluttransfusionen ausgesprochen. Durch Beschluss vom 1.7.2003 hat das AG den "Antrag der Vorsorgebevollmächtigten G. und X. auf vormundschaftsgerichtliche Genehmigung der Verweigerung einer Bluttransfusion durch die behandelnden Ärzte der T. zurückgewiesen" und "klargestellt, dass damit die zur Durchführung der Bluttransfusion erforderliche Einwilligung als erteilt gilt." Die Formulierung des Beschlusstenors beruht auf den Grundsätzen des Beschlusses des BGH v. 17.3.2003 - XII ZB 2/03, BGHReport 2003, 661 = MDR 2003, 691 = GesR 2003, 207 = NJW 2003, 1588), die das AG auch auf den vorliegenden Fall für anwendbar gehalten hat.

In den folgenden Tagen verbesserte sich der Gesundheitszustand der Betroffenen in der Weise, dass eine Bluttransfusion nicht durchgeführt worden ist.

Gegen den Beschluss des AG haben die Betroffene sowie die Bevollmächtigten G. und X. mit Schriftsatz ihres Verfahrensbevollmächtigten vom 11.7.2003 Beschwerde eingelegt. Nach entsprechendem Hinweis haben sie geltend gemacht, auch nach Eintritt der Erledigung der Hauptsache müsse ein Rechtsschutzinteresse zur Überprüfung der amtsgerichtlichen Entscheidung bejaht werden.

Das LG hat durch Beschluss vom 3.12.2003 das Rechtsmittel aller drei Beschwerdeführer als unzulässig verworfen.

Gegen diese Entscheidung richtet sich die weitere Beschwerde der Beteiligten zu 1), die sie mit Schriftsatz ihres Verfahrensbevollmächtigten vom 6.2.2004 bei dem OLG eingelegt hat. Sie rügt die Verwerfung ihrer Erstbeschwerde als unzulässig und beantragt die Zurückverweisung der Sache an das LG.

II. Die weitere Beschwerde ist nach den §§ 27, 29 FGG statthaft sowie formgerecht. Die Beschwerdebefugnis der Beteiligten folgt bereits daraus, dass da...

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