Entscheidungsstichwort (Thema)
Beweisantrag. Beweistatsache. Beweisziel. Radarfoto. Identität
Leitsatz (amtlich)
Zur Abgrenzung von Beweistatsache und Beweisziel bei einem Antrag auf sachverständige Begutachtung der Identität zwischen einer auf einem Radarfoto abgebildeten Person und Betroffenem.
Normenkette
StPO §§ 244, 261
Verfahrensgang
AG Minden (Aktenzeichen 45 OWi 34/08) |
Tenor
Der Antrag auf Zulassung der Rechtsbeschwerde wird als unbegründet verworfen.
Die Kosten des Rechtsmittels trägt der Betroffene.
Gründe
I.
Das Amtsgericht hat den Betroffenen wegen fahrlässiger Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit zu einer Geldbuße von 75 Euro verurteilt. Hiergegen wendet sich der Betroffenen mit seinem Antrag auf Zulassung der Rechtsbeschwerde und rügt die Verletzung rechtlichen Gehörs sowie die Verletzung materiellen Rechts.
II.
Der zulässige Antrag ist unbegründet.
Da das Amtsgericht den Betroffenen zu einer Geldbuße von nicht mehr als
100 Euro verurteilt hat, ist die Rechtsbeschwerde gem. § 80 Abs. 2 Nr. 1 OWiG wegen der Anwendung von Rechtsnormen über das Verfahren nicht und wegen der Anwendung anderer Rechtsnormen nur zur Fortbildung des Rechts und darüber hinaus wegen der Versagung rechtlichen Gehörs zuzulassen.
1.
Eine Verletzung rechtlichen Gehörs liegt nicht vor. Die von der Rechtsbeschwerde geltend gemachte fehlerhafte Ablehnung eines Beweisantrages, welche eine Verletzung rechtlichen Gehörs begründen könnte, liegt nicht vor.
a) Der von dem Betroffenen in der Hauptverhandlung am 18.03.2009 gestellte Antrag auf Ladung und Vernehmung einer Sachverständigen ist schon kein Beweisantrag. Ein Beweisantrag muss eine bestimmte Beweistatsache, die mit dem benannten Beweismittel unmittelbar bewiesen werden soll, enthalten (vgl. BGH NStZ 2007, 112, 113; BGH NStZ 1999, 630, 631; BGH NStZ 1995, 96, 97). Von ihr ist das Beweisziel zu unterscheiden. Dies ist das Beweisergebnis, welches sich der Antragsteller aus dem begehrten Beweis erhofft (BGH Urt. v. 24.01.2006 - 5 StR 410/05 = BeckRS 2006, 01989; OLG Hamm NZV 1998, 425, 426; Meyer-Goßner StPO 52. Aufl. § 244 Rdn. 20, 20 a).
Die in dem genannten Antrag unter 1. aufgestellte Behauptung ("Zwischen dem Betroffenen und der auf dem als Beweismittel dienenden Frontfoto nur teilweise erkennbaren Person besteht keine Identität") benennt das Beweisziel und keine Beweistatsache. Ob die fragliche Identität besteht oder nicht, ist ein Schluss, der sich aus einem Vergleich zwischen Foto und Betroffenem sowie den darauf erkennbaren Merkmalen ergibt. Diesen Schluss hat das Gericht zu ziehen ( § 261 StPO). Ein Sachverständiger kann insoweit nur unterstützend tätig werden und dem Tatrichter die Sachkunde vermitteln, die er ggf. selbst nicht besitzt (vgl. Meyer-Goßner a.a.O. Vor § 72 Rdn. 8). Im vorliegenden wäre dies z. B. denkbar, wenn es um die nicht mit bloßem Auge mögliche Erkennbarkeit morphologischer Merkmale oder deren Häufigkeit in der Bevölkerung geht. Eine Umdeutung des Antrages in einen Beweisantrag scheidet bei den vielfältigen Möglichkeiten, worauf die behauptete Nichtfeststellbarkeit der Identität der auf dem Radarfoto abgebildeten Person mit dem Betroffenen beruhen kann, aus. Die Benennung einzelner Umstände, die entweder eine Identifizierung ausschließen oder die gegen die Nichtidentität der auf dem Radarfoto abgebildeten Person mit dem Betroffenen sprechen wäre auch ohne weiteres möglich gewesen. Der Fall ist hier anders gelagert, als derjenige, in dem der Beweisantrag darauf zielt, einen Zeugen dazu zu vernehmen, dass ein Angeklagter nicht mit dem Täter einer Tat, die der Zeuge beobachtet haben soll, identisch ist (vgl. dazu u. a. BGH NStZ 2008, 232, 233; BGH NStZ 2006, 585, 586). Denn ob ein Zeuge eine Person wiederkennt, ist ein Umstand, der anders als hier die Beurteilung der Fahreridentität, nicht der tatrichterlichen Würdigung unterliegt, sondern nur durch den Zeugen selbst dargetan werden kann.
Der Antrag zu 2., dass das bei der Messung verwendete Fotomaterial des 35mm-Silberbromidfilms wegen seiner Emulsionseigenschaften ein kritisch zu bewertendes Untersuchungsmaterial sei (was näher ausgeführt wird) zielt ebenfalls bereits auf ein Beweisziel. Die Formulierung der weiteren Ausführungen ("schränkt die menschliche Wahrnehmung ein", "viele Details werden nicht oder nicht in der korrekten Darstellung abgebildet", "die viele Details im Bild löscht bzw. deren Abbildung verfälscht oder nicht ermöglicht"; "So kann unter Umständen ...") enthält auch schon keine bestimmte Tatsachenbehauptung. Dazu hätte es der konkreten Behauptung bedurft, welche Details vorliegend nicht korrekt dargestellt wurden etc. und nicht was "unter Umständen" der Fall sein könnte.
Der Antrag zu 3. enthält in seinem zweiten Satz ebenfalls keine bestimmte Tatsachenbehauptung. Statt zu sagen, dass auf dem nicht verdeckten Teil des Gesichtes des Fahrers auf dem Radarfoto nur Merkmale übrig blieben, die eine große Gruppe von Personen besitzen und die nicht individuell seien, hätte es - bei der ...