Entscheidungsstichwort (Thema)
Vorbeugender Rechtsschutz im Freiheitsentziehungsverfahren
Leitsatz (amtlich)
1. Gegenüber einem nicht gestellten, von dem Betroffenen erwarteten Antrag der Verwaltungsbehörde auf Anordnung der Haft ist die Gewährung von vorbeugendem Rechtsschutz in der Form eines Antrages auf Feststellung der Rechtswidrigkeit der künftigen Verhängung von Abschiebungshaft unzulässig.
2. Dies gilt ebenso in Bezug auf eine nicht vollzogene, von dem Betroffenen lediglich befürchtete haftvorbereitende behördliche Ingewahrsamnahme.
Normenkette
FEVG § 3 S. 1, § 13 Abs. 2
Verfahrensgang
LG Essen (Beschluss vom 24.01.2007; Aktenzeichen 7 T 23/07) |
AG Essen (Aktenzeichen 71 XIV 485/06 B) |
Tenor
Die sofortige weitere Beschwerde wird zurückgewiesen.
Gründe
I. Der Betroffene reiste am 14.1.1988 erstmals aus dem M unter den Alias-Personalien B B1 in das Bundesgebiet ein und stellte einen Asylantrag. Nachdem ihm zunächst eine Duldung erteilt worden war, erhielt er im Jahr 1998 eine unbefristete Aufenthaltserlaubnis. Nachdem seine türkische Staatsangehörigkeit und seine wahre Identität geklärt waren, erfolgte die Rücknahme der Aufenthaltserlaubnis und der Betroffene wurde am 13.4.2005 in die U abgeschoben. Anschließend wurde der Betroffene gem. § 50 Abs. 7 S. 2 AufenthG zum Zwecke der Einreiseverweigerung bzw. Zurückweisung zur Festnahme ausgeschrieben. Nach verbotswidriger Wiedereinreise hält der Betroffene sich seit Oktober 2005 wieder im Bundesgebiet auf und erstrebt in einem anhängigen Verwaltungsverfahren ein Aufenthaltsrecht nach Art. 6 GG und Art. 8 EMRK.
Am 15.12.2006 hat der Betroffene beim AG beantragt, dem Beteiligten zu 2) gegenüber verbindlich festzustellen, dass die Verhängung von Abschiebehaft ggü. dem Betroffenen rechtswidrig wäre. Das AG hat diesen Antrag mit Beschluss vom 29.12.2006 als unzulässig zurückgewiesen.
Hiergegen hat der Betroffene am 10.1.2007 sofortige Beschwerde eingelegt und hilfsweise beantragt festzustellen, dass der Beteiligte zu 2) nicht berechtigt sei, ihn, den Betroffenen, ohne richterlichen Beschluss festzunehmen oder in Gewahrsam zu nehmen. Äußerst hilfsweise hat er beantragt, ihm einen Hinweis zu erteilen, wie ein sachdienlicher Antrag formuliert sein müsste.
Das LG hat die sofortige Beschwerde mit Beschluss vom 24.1.2007 zurückgewiesen. Gegen die am 5.2.2007 zugestellte Entscheidung richtet sich die am 19.2.2007 mit Schriftsatz seines Verfahrensbevollmächtigten beim LG eingelegte sofortige weitere Beschwerde des Betroffenen.
Die sofortige weitere Beschwerde ist nach den §§ 106 Abs. 2 S. 1 AufenthG, 7 Abs. 1, 3 S. 2 FEVG, 27, 29 FGG statthaft sowie form- und fristgerecht eingelegt. Die Beschwerdebefugnis des Betroffenen ergibt sich bereits daraus, dass seine Erstbeschwerde ohne Erfolg geblieben ist.
In der Sache ist die weitere Beschwerde unbegründet, weil die Entscheidung des LG nicht auf einer Verletzung des Rechts beruht (§ 27 Abs. 1 S. 1 FGG).
Zutreffend hat das LG die Erstbeschwerde des Betroffenen als zulässig angesehen. Die Beschwerdebefugnis des Betroffenen folgt bereits daraus, dass das AG seinen Antrag als unzulässig verworfen hat. Dies gilt unabhängig davon, ob der Antrag des Betroffenen im erstinstanzlichen Verfahren zu Recht als unzulässig behandelt worden ist. Denn dem Beschwerdeführer, dessen Antrag aus verfahrensrechtlichen Gründen als unzulässig zurückgewiesen worden ist, steht uneingeschränkt das Recht zu, diese Entscheidung mit der Beschwerde überprüfen zu lassen (Keidel/Kahl, FG, 15. Aufl., § 20, Rz. 50).
Zutreffend hat das LG die verfahrensrechtliche Zuständigkeit zur Entscheidung über die gestellten Anträge des Betroffenen im Verfahren nach dem FEVG bejaht. Nach den §§ 106 Abs. 2 AufenthG wäre im Verfahren nach dem FEVG über einen Antrag des Beteiligten zu 2) auf Anordnung der Abschiebungshaft zu entscheiden. Die sachliche Zuständigkeit des AG folgt aus § 3 FEVG. Die örtliche Zuständigkeit des AG Essen ergäbe sich aus § 4 Abs. 1 FEVG, wobei der Senat infolge der Antragstellung des Betroffenen bei diesem Gericht davon ausgeht, dass er im Bezirk dieses Gerichts seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat, wenngleich er diesen nicht näher offen gelegt hat. In der Rechtsprechung ist ferner anerkannt, dass die Rechtmäßigkeit einer der Haftanordnung vorausgehenden behördlichen Festnahme zum Zwecke der Vorführung vor dem Haftrichter im Verfahren nach dem FEVG, und zwar mit einem an keine Form oder Frist gebundenen Antrag nach § 13 Abs. 2 FEVG (Marschner/Volkart, Freiheitsentziehung und Unterbringung, 4. Aufl., § 13 FEVG Rz. 4) zur gerichtlichen Nachprüfung gestellt werden kann. Über diesen Antrag hat erstinstanzlich das AG zu entscheiden (§§ 3, 13 Abs. 2 FEVG), gegen dessen Entscheidung ist nach §§ 7 FEVG, 22, 27 FGG die sofortige und gegen die Entscheidung des LG die sofortige weitere Beschwerde zulässig (OLG Schleswig NVwZ 2003, 1412; OLG Braunschweig InfAuslR 2004, 166; OLG Celle InfAuslR 2004, 210; KG InfAuslR 2002, 315 = KGReport Berlin 2002, 174; Senat FGPrax 2005, 90). D...