Gesellschafterliste bei Eilrechtsschutz nach Anteilseinziehung

Der einstweilige Rechtsschutz nach der Einziehung von Geschäftsanteilen kann sich ausnahmsweise auf die Verpflichtung zur Einreichung der ursprünglichen Gesellschafterliste zum Handelsregister erstrecken, wenn die Gesellschaft den präventiven Rechtsschutz eines Gesellschafters gezielt vereitelt.

Hintergrund

Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (BGH) kann nach der Einziehung eines Geschäftsanteils im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes die Einreichung einer geänderten Gesellschafterliste vorläufig untersagt werden. Damit soll dem von einer möglicherweise fehlerhaften Einziehung betroffenen Gesellschafter ermöglicht werden, seine Gesellschafterstellung während der Dauer des Rechtsstreits über die Wirksamkeit der Einziehung zu sichern. Das Oberlandesgericht (OLG) Hamm hatte sich in seiner Entscheidung nun mit der Frage zu befassen, ob im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes auch die Einreichung der ursprünglichen Gesellschafterliste erreicht werden kann, wenn die Gesellschaft nach der Einziehung bereits eine geänderte Gesellschafterliste eingereicht hat.

Sachverhalt

Der Antragsteller war Gründer und früherer Geschäftsführer der Antragsgegnerin, einer GmbH, und mit einem Geschäftsanteil von zuletzt 29 % an dieser beteiligt. Auf einer Gesellschafterversammlung im Februar 2024 beschlossen die weiteren Gesellschafter, gegen die Stimmen des Antragstellers, unter anderem die Einziehung seiner Geschäftsanteile. Im Nachgang zu dieser Versammlung erwirkte der Antragsteller eine einstweilige Verfügung, wonach der Gesellschaft vorläufig untersagt wurde, eine geänderte Gesellschafterliste zum Handelsregister einzureichen. Zudem wurde die Gesellschaft verpflichtet, den Antragsteller weiterhin als Gesellschafter mit allen Rechten und Pflichten zu behandeln.

Auf einer weiteren Gesellschafterversammlung im Juni 2024 beschlossen die Gesellschafter erneut die Einziehung der Geschäftsanteile des Antragstellers. Der Antragsteller war zu dieser Versammlung nicht eingeladen worden und erhielt kein Protokoll dieser Versammlung. Ohne dem Antragsteller Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben, veranlasste die Gesellschaft die Einreichung einer geänderten Gesellschafterliste zum Handelsregister, die den Antragsteller nicht mehr als Gesellschafter auswies. Der Antragsteller erfuhr hiervon erst einige Tage später, als er das Handelsregister einsah. Er versuchte, Kontakt zur Gesellschaft aufzunehmen, worauf diese aber nicht reagierte. Daraufhin erwirkte der Antragsteller in einem Parallelverfahren im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes zunächst die Zuordnung eines Widerspruchs zu der im Handelsregister veröffentlichten geänderten Liste.

Zudem beantragte er in einem weiteren Verfahren vor dem Landgericht Münster im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes unter anderem, dass die Gesellschaft dazu verpflichtet wird, den Antragsteller weiterhin als Gesellschafter mit allen Rechten und Pflichten zu behandeln und die ursprüngliche Gesellschafterliste zum Handelsregister einzureichen, die den Antragsteller als Gesellschafter ausweist.

Das Landgericht Münster verpflichtete die Gesellschaft zur Behandlung des Antragstellers als Gesellschafter, wies den Antrag auf Verpflichtung zur Einreichung der ursprünglichen Liste jedoch zurück. Diese Zurückweisung begründete das Landgericht damit, dass der Antragsteller kein Rechtsschutzbedürfnis habe, weil er durch die Zuordnung des Widerspruchs im Parallelverfahren und die Verpflichtung der Gesellschaft, ihn weiterhin als Gesellschafter zu behandeln, ausreichend geschützt sei. Gegen die Zurückweisung dieses Verfügungsantrags legte der Antragsteller sofortige Beschwerde beim Oberlandesgericht Hamm ein.

Entscheidung des OLG Hamm

Das OLG gab der sofortigen Beschwerde statt und verpflichtete die Gesellschaft, die ursprüngliche Gesellschafterliste, die den Antragsteller als Gesellschafter ausweist, zum Handelsregister einzureichen.

Zur Begründung führte es aus, dass die Zuordnung des Widerspruchs gegen die neu eingereichte Gesellschafterliste sowie die Verpflichtung der Gesellschaft zur Behandlung des Antragstellers als Gesellschafter mit allen Rechten und Pflichten im vorliegenden Fall keinen ausreichenden effektiven Rechtsschutz biete. Denn die Gesellschaft habe die Mitgliedschaftsrechte des Antragstellers gezielt und heimlich unterlaufen.

Das Vorgehen der Gesellschaft sei erkennbar darauf ausgerichtet gewesen, den präventiven Rechtsschutz des Gesellschafters zu vereiteln. Die Gesellschaft sei heimlich vorgegangen, der Einziehungsbeschluss sei ohne ordnungsgemäße Einberufung der Gesellschafterversammlung beschlossen und dem Antragsteller sei kein Protokoll übersandt worden. Zudem habe die Gesellschaft die geänderte Gesellschafterliste ohne Anhörung des Antragstellers zum Handelsregister eingereicht und im Nachgang jede Kontaktaufnahme abgelehnt.

In einem solchen Fall müsse die Rechtsordnung dem betroffenen Gesellschafter vorläufig maximalen, effektiven Rechtsschutz gewähren. Dieser sei nicht auf die Erhaltung des Status quo beschränkt, sondern umfasse auch die Wiederherstellung des ursprünglichen Zustands durch Korrektur der im Handelsregister aufgenommenen Gesellschafterliste. Denn die Zuordnung eines Widerspruchs schütze den betroffenen Gesellschafter gemäß § 16 Abs. 3 GmbHG nur vor einem gutgläubigen Erwerb seiner Geschäftsanteile, ließe aber die Legitimationswirkung des § 16 Abs. 1 S. 1 GmbHG unberührt. Danach gilt im Verhältnis zur Gesellschaft nur derjenige als Inhaber eines Geschäftsanteils, der als solcher in der im Handelsregister aufgenommenen Gesellschafterliste eingetragen ist. Die Wiederherstellung dieser Legitimationswirkung sei in diesem Fall erforderlich, da die Gesellschaft durch ihre Vorgehensweise gezeigt habe, dass sie den Antragsteller gerade nicht als Gesellschafter mit allen Rechten und Pflichten behandele.

Das OLG betonte insbesondere, dass die übrigen Gesellschafter ohne diese Wiederherstellung die Gesellschaft nach ihrem Belieben umgestalten könnten. Denn aufgrund der Legitimationswirkung des § 16 Abs. 1 S. 1 GmbHG blieben die von den übrigen Gesellschaftern gefassten Beschlüsse auch dann wirksam, wenn der Antragsteller mit seiner Klage gegen den Einziehungsbeschluss Erfolg hätte.

Anmerkungen und Praxistipp

Gemäß § 938 Abs. 1 ZPO bestimmt das Gericht nach freiem Ermessen, welche Anordnungen im Rahmen einer einstweiligen Verfügung zur Erreichung des Zweckes erforderlich sind. In dem hier entschiedenen Fall hielt das OLG Hamm die Wiederherstellung der ursprünglichen Registerlage für erforderlich. Eine solche Wiederherstellung im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes kommt zwar nur in Ausnahmefällen in Betracht. Da die Gesellschaft vorliegend aber eine vorangegangene einstweilige Verfügung sehenden Auges missachtet hat, indem sie entgegen dieser Verfügung eine geänderte Gesellschafterliste zum Handelsregister eingereicht hat, lag ein solcher Ausnahmefall vor, der die Verpflichtung zur Wiederherstellung der ursprünglichen Registerlage rechtfertigt.

Wenn also eine Gesellschaft nach der Einziehung von Geschäftsanteilen entgegen einer einstweiligen Verfügung eine geänderte Liste zum Handelsregister einreicht und auch in sonstiger Weise gezielt die Rechte des betroffenen Gesellschafters unterläuft, ist der Gesellschafter nicht auf die Beantragung der Zuordnung eines Widerspruchs gegen diese Liste beschränkt. Vielmehr kann er die Gesellschaft im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes auch dazu verpflichten, die ursprüngliche Liste zum Handelsregister einzureichen, um so seine Gesellschafterrechte zu sichern, bis in der Hauptsache über die Wirksamkeit der Einziehung seiner Geschäftsanteile entschieden wurde.

(OLG Hamm, Beschluss v. 20.6.2024, 8 W 10/24)