Leitsatz (amtlich)
1. Die Eigentumsvermutung nach § 1006 Abs. 3 BGB kommt nicht zur Anwendung, wenn der Kläger nicht beweist, dass er zum Zeitpunkt des Unfallgeschehens mittelbarer Besitzer und der Fahrer nur aufgrund eines Besitzmittlungsverhältnisses im Sinne des § 868 BGB unmittelbarer Besitzer war.
2. Zum Beweis von Eigentum sowie mittelbarem Besitz genügt allein weder die Vorlage der Zulassungsbescheinigung II noch erst recht nicht die der Zulassungsbescheinigung I (im Anschluss an OLG Hamm Beschl. v. 11.10.2013 - 9 U 35/13, NJW 2014, 1894 = juris Rn. 4).
3. Bei fehlender Beteiligung einer beklagten Partei an einem vermeintlichen Kaufvertragsschluss der anderen Partei mit einem Dritten spricht zu Gunsten der anderen Partei keine Vermutung für die Richtigkeit und Vollständigkeit der Kaufvertragsurkunde (im Anschluss an OLG Hamm Urt. v. 12.5.2017 - 20 U 197/16, BeckRS 2017, 121243 = juris Rn. 34 m.w.N.).
Normenkette
BGB § 1006 Abs. 3
Verfahrensgang
LG Hagen (Aktenzeichen 10 O 293/21) |
Tenor
Der Senat beabsichtigt, die Berufung der Klägerin gemäß § 522 Abs. 2 Satz 1 ZPO zurückzuweisen.
Es wird Gelegenheit gegeben, binnen drei Wochen nach Zugang dieses Beschlusses Stellung zu nehmen.
Gründe
I. Der Senat ist einstimmig davon überzeugt, dass die Berufung offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg hat. Zurecht hat das Landgericht die Klage abgewiesen.
1. Die Einwendungen der Klägerin hinsichtlich der Nichtfeststellung ihrer Aktivlegitimation/ihres Eigentums am streitgegenständlichen Fahrzeug, bezüglich derer zur Vermeidung von Wiederholungen auf die Berufungsbegründung vom 23.12.2022 (Bl. 51 ff. der zweitinstanzlichen elektronischen Gerichtsakte, im Folgenden: eGA II-51 ff.) verwiesen wird, greifen nicht durch.
a) Die Eigentümerstellung der Klägerin am streitgegenständlichen Fahrzeug zum Unfallzeitpunkt steht auch aus Sicht des Senats nicht mit der nach § 286 ZPO erforderlich Gewissheit fest, so dass sich der Senat an die Feststellungen des Landgerichts nach § 529 Abs. 1 Nr. 1 ZPO gebunden fühlt.
Das strenge Beweismaß des § 286 ZPO verlangt die volle Überzeugung des Gerichts. Diese erfordert keine absolute oder unumstößliche Gewissheit und auch keine an Sicherheit grenzende Wahrscheinlichkeit, sondern nur einen für das praktische Leben brauchbaren Grad von Gewissheit, der Zweifeln Schweigen gebietet (vgl. nur BGH Urt. v. 23.6.2020 - VI ZR 435/19, VersR 2021, 1497 Rn. 13).
Hier bestehen erhebliche Zweifel, denen die Klägerin auch mit ihrem Berufungsvorbringen kein Schweigen gebieten konnte.
Die Klägerin kann sich nicht - und tut es nach der Berufungsbegründung auch ausdrücklich nicht - auf die Eigentumsvermutung des § 1006 BGB berufen.
§ 1006 Abs. 1 Satz 1 BGB kommt nicht zur Anwendung, da sie zum Zeitpunkt des Unfallgeschehens unstreitig nicht unmittelbare Besitzerin des streitgegenständlichen Fahrzeugs war.
Auch § 1006 Abs. 3 BGB kommt nicht zur Anwendung, da die Klägerin nicht bewiesen hat, dass sie zum Zeitpunkt des Unfallgeschehens mittelbare Besitzerin und der Zeuge A nur aufgrund eines Besitzmittlungsverhältnisses im Sinne des § 868 BGB unmittelbarer Besitzer gewesen wäre.
Daran bestehen aus den vom Landgericht zutreffend herausgearbeiteten Gründen ebenso erhebliche Zweifel wie an ihrer Behauptung, sie sei zum Zeitpunkt des Unfallgeschehens Eigentümerin des Fahrzeugs gewesen.
Zum Beweis von Eigentum wie (mittelbarem) Besitz genügt allein weder die Vorlage der Zulassungsbescheinigung II (eGA I-145) - noch erst recht nicht die der Zulassungsbescheinigung I (eGA I-144) - (vgl. OLG Hamm Beschl. v. 11.10.2013 - 9 U 35/13, NJW 2014, 1894 = juris Rn. 4), weil sie keine Aussage zum Eigentum treffen, noch die Vorlage des schriftlichen Kaufvertrages (eGA I-257). Es spricht aufgrund der fehlenden Beteiligung der Beklagten an dem vermeintlichen Vertragsschluss zu Gunsten der Klägerin auch keine Vermutung für die Richtigkeit und Vollständigkeit der Kaufvertragsurkunde (vgl. in anderem Zusammenhang OLG Hamm Urt. v. 12.5.2017 - 20 U 197/16, BeckRS 2017, 121243 = juris Rn. 34 m.w.N.; Laws/Lohmeyer/Vinke in JurisPK-StrVR, § 7 Rn. 362).
Zulassungsbescheinigungen und Kaufvertrag stellen damit nur Indizien dar, die in die Beweiswürdigung neben der vorrangig durchzuführenden Beweisaufnahme durch Vernehmung von Zeugen und ggf. Parteien in die Überzeugungsbildung nach § 286 ZPO einfließen können. Nichts anders gilt für die sonstigen vorgelegten Unterlagen, insbesondere im nicht nachgelassenen Schriftsatz vom 28.10.2022, namentlich die (nicht unterschriebenen) Umsatzsteuervoranmeldungen und den Auszug aus dem Kassenbuch (eGA I-403 ff.).
Den erforderlichen Nachweis hat die Beweisaufnahme nicht erbracht. Im Gegenteil hat die Beweisaufnahme die aufgeführten Indizien, die für Eigentum und (mittelbaren) Besitz der Klägerin sprechen könnten, erheblich entwertet.
In nicht zu beanstandender Weise hat das Landgericht letztlich darauf verwiesen, dass die Ausführungen der Klägerin im Rahmen ihrer ersten persönlichen Anhörung vom 07.04.2022 (Protokoll Seite ...