Leitsatz (amtlich)
1. Zur Entziehung von Teilbereichen der elterlichen Sorge wegen Gefährdung des Kindeswohls bei Trennung der Kinder von ihrer Mutter unter Berücksichtigung der neueren Rechtsprechung des BVerfG.
2. Die Unterbringung der Kinder bei Verwandten kommt auch unter Beachtung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes dann nicht in Betracht, wenn dem Kindeswohl durch Auswahl einer dritten Person besser gedient wäre.
Verfahrensgang
AG Gronau (Westfalen) (Beschluss vom 27.06.2014) |
Tenor
Die Beschwerde der Kindesmutter gegen den am 27.6.2014 erlassenen Beschluss des AG - Familiengericht - Gronau wird zurückgewiesen.
Gerichtskosten für das Beschwerdeverfahren werden nicht erhoben; außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet.
Der Wert des Beschwerdeverfahrens wird auf 3.000 EUR festgesetzt.
Gründe
I. Die am 11.2.1988 geborene Kindesmutter besuchte die Hauptschule bis zur 7. Klasse und verließ diese ohne Abschluss. Sie hat keinen Beruf erlernt und ist derzeit nicht erwerbstätig. Die Kindesmutter hat gesundheitliche Probleme mit einem Knie, die derzeit medikamentös und mit Akupunktur behandelt werden. Sie leidet außerdem unter Rheuma.
Der am 17.7.1986 geborene Kindesvater hat eine Lernschwäche und verließ die Förderschule für Lernbehinderte nach der 7. Klasse ohne Abschluss. Er arbeitete seit 2003 in den X Werkstätten H als Schreiner und bezog Leistungen nach dem SGB XII. Nach vier Knieoperationen wurde das Arbeitsverhältnis gekündigt. Derzeit ist der Kindesvater arbeitslos.
Die Beziehung zwischen der Kindesmutter und dem Kindesvater begann Anfang 2007. Die Kindeseltern heirateten am 21.8.2007. Aus ihrer Ehe gingen der am 3.4.2008 geborene M und der am 13.11.2009 geborene K U hervor. Einen gemeinsamen Haushalt führten die Kindeseltern nie zusammen. Vielmehr lebte der Kindesvater im Haushalt seiner Eltern und besuchte in seiner Freizeit die Kindesmutter und die Kinder.
Die Kindeseltern trennten sich erstmals kurz nach der Eheschließung wieder, kamen dann aber noch im Oktober 2007 wieder zusammen. Im September/Oktober 2009 reichten die Kindeseltern beim AG Gronau wechselseitige Scheidungsanträge ein (14 F 141/09). Am 19.1.2011 teilten die Kindeseltern bei ihrer Anhörung durch das AG mit, dass sie nicht mehr geschieden werden wollten, und nahmen die Scheidungsanträge zurück. Die Kindeseltern trennten sich im März 2012 erneut. Am 28.2.2013 leitete die Kindesmutter ein weiteres Scheidungsverfahren beim AG Gronau ein (15 F 21/13). Der Kindesvater stellte ebenfalls Scheidungsantrag. Ende 2013 kam es noch zu einem weiteren Versöhnungsversuch, der letztendlich scheiterte. Die Ehe der Kindeseltern wurde durch Beschluss des AG - Familiengericht - Gronau vom 30.7.2014, rechtskräftig hinsichtlich der Ehescheidung seit demselben Tage, geschieden.
Die Kindesmutter hat noch zwei weitere Kinder. Der älteste Sohn, der am 9.3.2005 geborene N, entstammt der Beziehung zu dem am 5.2.1980 geborenen G. Aufgrund der Minderjährigkeit der Kindesmutter bestand zunächst eine Amtsvormundschaft des Jugendamtes (13 VII M 720 AG Gronau), im weiteren Verlauf wurde dann die Mutter der Kindesmutter, Frau K, als Vormund eingesetzt. Die Partnerschaft zu Herrn G endete kurz nach der Geburt des Kindes. N wurde im Herbst 2005 für sechs Wochen aus dem Haushalt der Kindesmutter und der Großmutter herausgenommen, nachdem der damalige Partner der Kindesmutter (T) sowie die Kindesmutter - wie sich später herausstellte wahrheitswidrig - angegeben hatten, dass N in der Familie vor allem von der Großmutter, Frau K, misshandelt worden sei. Dieser Verdacht bestätigte sich durch die Untersuchungen und in der Pflegefamilie nicht. Es wurde eher eine überbehütende und verwöhnende Umgangsweise der Kindesmutter und der Großmutter mit N festgestellt. Die Kindesmutter und die Großmutter erklärten sich mit der Installation einer SPFH einverstanden. Das Jugendamt nahm den Antrag auf Entziehung der elterlichen Sorge zurück. Die sozialpädagogische Familienhilfe war vom 14.11.2005 bis 26.4.2006 tätig. Ab Volljährigkeit der Kindesmutter (11.2.2006) war diese allein sorgeberechtigt für N.
Aus der Beziehung zu dem am 6.10.1988 geborenen T hat die Kindesmutter ferner den am 21.8.2006 geborenen Sohn E. Die Beziehung wurde kurz nach der Geburt des Kindes beendet. Die Mutter der Kindesmutter, Frau K, beantragte am 6.9.2006, der Kindesmutter das Aufenthaltsbestimmungsrecht für N und E wegen Überlastung zu entziehen und auf sie zu übertragen (14 F 249/06 AG Gronau). Knapp 3 Wochen später nahm sie diesen Antrag zurück. Für E bestand zunächst aufgrund einer Sorgeerklärung gemeinsames Sorgerecht mit dem Kindesvater. Der Kindesmutter wurde durch Beschluss des AG - Familiengericht - Gronau vom 25.10.2007 die elterliche Sorge für E übertragen (13 F 67/07).
Die Kindesmutter lebte mit N und E - auch nach der Eheschließung mit Herrn C2 - im Haushalt ihrer Mutter, aus dem sie im Jahr 2008 auszog. N blieb bei der Großmutter, Frau K, die dem Jugendamt am 12.2.2009 mitteilte, dass sie mit N nicht mehr...