Leitsatz (amtlich)

Zur Bedeutung des nachhaltig geäußerten Willens eines 11-jährigen Kindes für die Entscheidung über das Aufenthaltsbestimmungsrecht.

 

Normenkette

BGB §§ 1626a, 1671

 

Verfahrensgang

AG Lüdinghausen (Beschluss vom 25.06.2012; Aktenzeichen 17 F 42/12)

 

Tenor

Auf die Beschwerde des Kindesvaters wird der am 25.6.2012 erlassene Beschluss des AG - Familiengericht - M3 abgeändert und wie folgt neu gefasst:

Die elterliche Sorge für das Kind M S, geb. am 28.8.2002, wird dem Kindesvater allein übertragen.

Die Beschwerde der Kindesmutter wird zurückgewiesen.

Gerichtskosten für das Beschwerdeverfahren werden nicht erhoben.

Außergerichtliche Kosten des Beschwerdeverfahrens werden nicht erstattet. Hinsichtlich der Kosten der ersten Instanz verbleibt es bei der Kostenentscheidung des angefochtenen Beschlusses.

Der Verfahrenswert für das Beschwerdeverfahren wird auf 3.000 EUR festgesetzt.

 

Gründe

I. Die am 28.8.2002 geborene M ging aus einer nichtehelichen Beziehung ihrer Eltern hervor. Die Kindeseltern lebten etwa 1 ½ Jahre bis zur Kenntnis von der Schwangerschaft der Kindesmutter mit M zusammen. Die Kindeseltern trennten sich vor der Geburt von M. Eine gemeinsame Sorgeerklärung haben die Kindeseltern nicht abgegeben. M lebt seit ihrer Geburt im Haushalt der Kindesmutter und hatte regelmäßig Umgang mit ihrem Vater sowohl an den Wochenenden (teilweise wöchentlich) als auch in den Ferien, wobei zwischen den Kindeseltern streitig ist, ob die Umgangskontakte seit Ms Geburt (so der Kindesvater) oder erst seit M neun Monate alt war (so die Kindesmutter) bestanden.

Die Kindesmutter hat die Schule mit dem Abitur abgeschlossen und bis zur Schwangerschaft mit Ms Halbschwester K, die am 26.1.1996 geboren ist, bis zum Vordiplom Maschinenbau studiert. Während Ms Kindergartenzeit nahm die Kindesmutter ihr Studium wieder auf, welches sie mit dem Bachelor of Engineering abschloss. Die Kindesmutter arbeitete bis Februar 2012 bei dem Kaninchenfutterhersteller C in D. Seit März 2012 arbeitet die Kindesmutter bei der Firma N GmbH & Co. KG in A als Angestellte. Sie hat eine ¾-Stelle und kann sämtliche beruflichen Tätigkeiten von zu Hause aus erledigen. In unregelmäßigen Abständen wird sie bei Bedarf auch an den Wochenenden bei Messen und Ausstellungen eingesetzt. Die Kindesmutter hat aus erster Ehe zwei Kinder, nämlich die bereits erwähnte Tochter K und den am 10.9.1998 geborenen Sohn M1, deren Vater in E wohnt. Die Kindesmutter wohnte mit allen drei Kindern bis zu den Sommerferien 2012 in M3. Sie zog während der Sommerferien 2012 zusammen mit K und M zu ihrem Lebensgefährten, H I, nach I in ein gemeinsam erworbenes Haus. M1 wechselte in den Haushalt seines Vaters. Der Lebensgefährte der Kindesmutter hat ebenfalls eine Tochter, N, die zwei Monate jünger als M ist. N lebte bis zum 12.4.2013 mit im Haushalt ihres Vaters und wechselte dann in den Haushalt ihrer Mutter. Der Lebensgefährte der Kindesmutter arbeitet als Außendienstmitarbeiter bei derselben Firma wie die Kindesmutter.

Der Kindesvater hat nach dem Fachabitur eine Lehre zum Industriekaufmann abgeschlossen. Ein Studium der Wirtschaftswissenschaften brach er 1999 ab und machte sich selbständig. Er betreibt eine Hundeschule mit Hundepension in J. Das Firmengebäude grenzt an sein Wohnhaus an. Der Kindesvater lebt mit seinen Eltern und seiner Großmutter in einem Haus. Der Kindesvater hat eine Freundin, B M2, die Apothekerin ist und in einer eigenen Wohnung lebt.

Der Kindesvater hat erstinstanzlich zunächst beantragt, die gemeinsame elterliche Sorge für M zu begründen. Zur Begründung hat er vorgetragen, die gemeinsame Sorge sei vor dem Hintergrund der Entscheidung des BVerfG vom 21.7.2010 veranlasst. Es liege in dem erklärten Interesse des Kindeswohls, dass er die elterliche Sorge mit ausübe. Er habe täglich telefonischen Kontakt zu M und habe auch an Elternpflegschaftssitzungen sowie Lehrergesprächen und Elternsprechtagen teilgenommen. M benötige besondere Förderung. Sie sei bereits ein Schuljahr zurückversetzt worden. M habe logopädische Defizite. Er nehme mit M an Schulfeiern teil, besuche mit ihr die Rock-Pop-Fabrik in M4 sowie das Kindertheater in J und habe auch Reitunterricht für M in J-L1 organisiert.

Mit Schriftsatz vom 14.6.2012 hat der Kindesvater erstinstanzlich ergänzend beantragt, ihm das Aufenthaltsbestimmungsrecht für M zu übertragen. Eine Begründung des Antrags sollte bis zum 10.7.2012 nachgereicht werden. Diesen Antrag hat das AG erst mit dem angefochtenen Beschluss an die übrigen Verfahrensbeteiligten übersandt.

Die Kindesmutter ist dem Antrag auf Begründung der gemeinsamen elterlichen Sorge entgegengetreten. Es sei nicht ersichtlich, dass die gemeinsame elterliche Sorge dem Kindeswohl diene. Der Kindesvater habe lediglich an einem Elterngespräch teilgenommen. Die damalige Klassenlehrerin habe darauf hingewirkt, dass die Umgangskontakte im 14tägigen Rhythmus stattfinden sollten, weil M, wenn der Kindesvater sie montags morgens zur Schule gebracht habe, übermüdet gewesen ...

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