Leitsatz (amtlich)
1. Die abändernde Anordnung des Präsidenten des AG, die Hinterlegungsmasse an einen Beteiligten auszuzahlen, ist mit dem Antrag auf gerichtliche Entscheidung anfechtbar, solange sie nicht vollzogen ist.
2. Erlass und Zustellung eines Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses reichen zum Nachweis der Berechtigung i.S.d. § 13 Abs. 2 S. 1 Nr. 2 HinterlO nicht aus, wenn der Hinterleger den Anspruch auf Rückzahlung des hinterlegten Betrages abgetreten hat und zwischen dem Zessionar und dem Pfändungsgläubiger der das Rangverhältnis zwischen ihren Rechten bestimmende Zeitpunkt der Abtretung streitig ist.
Normenkette
HinterlO § 32 Abs. 2, § 13 Abs. 2
Verfahrensgang
AG Essen (Beschluss vom 13.08.2009; Aktenzeichen 2 HL 182/09) |
Tenor
Der Beschluss des Präsidenten des AG vom 13.8.2009 wird aufgehoben.
Die Beschwerde des Beteiligten zu 3) vom 20.7.2009 gegen den Beschluss der Hinterlegungsstelle vom 17.7.2009 wird zurückgewiesen.
Der Gegenstandswert für das Verfahren wird auf 67.538 EUR festgesetzt.
Gründe
I. Die Beteiligten zu 1) bis 3) streiten um die Empfangsberechtigung des Beteiligten zu 3) hinsichtlich eines beim AG Essen - Hinterlegungsstelle - hinterlegten Geldbetrages. Der Beteiligte zu 3) war früher bei der Beteiligten zu 1) beschäftigt; sein Aufgabengebiet umfasste die gesamte Vertretung und Leitung der Geschäfte der Gesellschaft. Die Beteiligte zu 1) hat ihn wegen gemeinschaftlicher Vermögensverschiebungen mit vormaligen Geschäftsführern ihrer Gesellschaft auf Schadensersatz i.H.v. mehreren Millionen EUR gerichtlich in Anspruch genommen, und zwar zunächst - erfolglos - vor dem LG Essen (3 O 668/00) und anschließend vor dem ArbG Gelsenkirchen und in zweiter Instanz vor dem LAG Hamm (3 Sa 106/03). Das LAG Hamm stellte mit rechtskräftigem Urteil vom 21.3.2007 fest, dass der Beteiligte zu 3) der Beteiligten zu 1) schadensersatzpflichtig ist.
Der Beteiligte zu 3) betreibt gegen die Beteiligte zu 1) die Zwangsvollstreckung aus den Kostenfestsetzungsbeschlüssen des LG Essen vom 24.9.2008 über 13.364 EUR und 54.538,65 EUR nebst Zinsen. Gegen diese titulierten Forderungen hatte die Beteiligte zu 1) mit Anwaltsschreiben vom 13.10.2008 die Aufrechnung erklärt mit ihren Forderungen aus dem Urteil des LAG.
Am 12.11.2008 beantragte der Beteiligte beim AG Essen die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der Beteiligten zu 1). Nachdem die Beteiligte zu 1) am 7.5.2009 beim AG Essen den Betrag von 67.903 hinterlegt und dabei als Grund für die Hinterlegung das Insolvenzverfahren und als in Betracht kommende empfangsberechtigte Personen sich und den Beteiligten zu 3) angegeben hatte, wurde der Insolvenzantrag am 14.5.2009 mit der Begründung zurückgewiesen, die Beteiligte zu 1) sei nicht zahlungsunfähig, sondern nur zahlungsunwillig (167 IN 106/08).
Am 4.6.2009 richtete der Beteiligte zu 3) ein vorläufiges Zahlungsverbot an den "Direktor des AG Essen" wegen der Hinterlegungssumme, der der Beteiligten zu 1) am 15.6.2009 zugestellt worden ist. Am 12.6.2009 erwirkte der Beteiligte zu 3) beim AG Gelsenkirchen einen Pfändungs- und Überweisungsbeschluss (34 M 1792/09), durch den der angebliche Anspruch der Beteiligten zu 1) gegen die Hinterlegungsstelle auf Auszahlung des hinterlegten Betrages gepfändet und ihm zur Einziehung überwiesen wurde.
Mit Schriftsatz vom 1.7.2009 beantragte der Beteiligte zu 3) unter Vorlage dieses Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses bei der Hinterlegungsstelle, ihm den hinterlegten Betrag auszuzahlen. Mit Schreiben vom 7.8.2009 teilte der Verfahrensbevollmächtigte der Beteiligten zu 1) und 2) der Hinterlegungsstelle mit, die Beteiligte zu 1) habe ihren Auszahlungsanspruch gegen die Hinterlegungsstelle am 30.5.2009 unwiderruflich an die Beteiligte zu 2) abgetreten, die Beteiligte zu 2) habe die Abtretung am 2.6.2009 angenommen. Der Beteiligte zu 3) bestreitet die Abtretung und ficht sie an.
Mit Beschluss vom 17.7.2009 hat der Rechtspfleger des AG Essen den Antrag des Beteiligten zu 3) auf Auszahlung des hinterlegten Betrages zurückgewiesen. Auf die hiergegen eingelegte Beschwerde des Beteiligten zu 3) vom 20.7.2009 hat der Präsident des AG Essen im Aufsichtswege am 13.8.2009 die Hinterlegungsstelle angewiesen, den hinterlegten Betrag an den Beteiligte zu 3) auszuzahlen.
Gegen diesen Bescheid haben die Beteiligten zu 1) und 2) am 24.8.2009 Antrag auf gerichtliche Entscheidung gestellt. Der Beteiligte zu 3) ist dem Antrag entgegengetreten.
Der Senat hat mit Beschluss vom 10.9.2009 die Vollziehung des Beschlusses des Präsidenten des AG Essen vom 13.8.2009 bis zur Entscheidung des Senats in dieser Sache ausgesetzt.
II. Der Antrag auf gerichtliche Entscheidung ist nach § 3 Abs. 2 HinterlO i.V.m. § 23 EGGVG statthaft und innerhalb der Antragsfrist des § 26 Abs. 1 EGGVG von einem Monat gestellt worden. § 3 Abs. 3 HinterlO steht dem nicht entgegen. Denn danach ist das Verfahren nach § 23 EGGVG nur dann verschlossen, wenn der Präsident des AG eine Herausgabeanordnung abgelehnt hat. Das gleiche gilt, ...