Leitsatz (amtlich)
1. Die Bestimmung einer Teilungserklärung "Für die Ordnungsmäßigkeit der Einberufung genügt die Absendung an die Anschrift, die dem Verwaltung von dem Wohnungseigentümer zuletzt mitgeteilt worden ist" schließt die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Beschlussanfechtungsfrist nicht aus, wenn es dem Wohnungseigentümer gelingt glaubhaft zu machen, dass er die Einladung zu der Eigentümerversammlung nicht erhalten hat.
2. Der Anfechtung eines Eigentümerbeschlusses, durch den eine bauliche Veränderung genehmigt wird, können die übrigen Wohnungseigentümer nicht erfolgreich mit dem Einwand entgegentreten, ihnen stehe aufgrund einer schuldrechtlichen Vereinbarung ein Anspruch auf Erteilung der Zustimmung zu der baulichen Veränderung zu.
Normenkette
WEG § 323 Abs. 4; FGG § 22 Abs. 2
Verfahrensgang
LG Bochum (Beschluss vom 23.01.2008; Aktenzeichen 7 T 409/06) |
AG Recklinghausen (Aktenzeichen 9a II 16/06) |
Tenor
Die sofortige weitere Beschwerde wird mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass die Kostenentscheidung und die Wertfestsetzung für beide Vorinstanzen abgeändert werden.
Die Gerichtskosten des erstinstanzlichen Verfahrens und des Verfahrens der ersten Beschwerde tragen die Beteiligte zu 1) zu 24 % und die Beteiligten zu 2) bis 4) zu 76 %. Die Gerichtskosten des Verfahrens der sofortigen weiteren Beschwerde tragen die Beteiligten zu 2) bis 4).
Eine Erstattung der außergerichtlichen Kosten der Beteiligten findet in allen Instanzen nicht statt.
Der Gegenstandswert wird wie folgt festgesetzt:
für das erstinstanzliche Verfahren auf 32.264 EUR
für das Verfahren der ersten Beschwerde auf 31.764 EUR
für das Verfahren der weiteren Beschwerde auf 24.264 EUR.
Gründe
I. Die Beteiligte zu 1) war zunächst Alleineigentümerin des Hausgrundstücks L-Str. in I. Mit Teilungserklärung vom 30.12.2002 begründete sie vier Miteigentumsanteile, die sie mit dem Sondereigentum an einem Ladenlokal im Erdgeschoss sowie drei Wohnungen im ersten und zweiten Obergeschoss sowie im Dachgeschoss verband. Die Beteiligte zu 1) ist weiterhin Eigentümerin der Teileigentumseinheit im Erdgeschoss mit einem Miteigentumsanteil von 250,98/1.000; die Beteiligten zu 2) und 3) sind Eigentümer der Wohnung im Dachgeschoss mit einem Miteigentumsanteil von 235,29/1.000; der Beteiligten zu 4) gehören zwei Wohnungen im ersten und zweiten Obergeschoss mit Miteigentumsanteilen von zusammen 513,73/1.000.
§ 16 der Teilungserklärung regelt die Durchführung von Eigentümerversammlungen. Diese sind nach Nr. 2 der Vorschrift von dem Verwalter einzuberufen. Unter Ziff. 3 heißt es "Für die Ordnungsmäßigkeit der Einberufung genügt die Absendung an die Anschrift, die dem Verwalter von dem Wohnungseigentümer/Teileigentümer zuletzt mitgeteilt worden ist". Auf den weiteren Inhalt der Teilungserklärung wird Bezug genommen.
Unter dem 23.10.2002 schloss die Beteiligte zu 1) mit dem Zeugen J, dem damaligen Eigentümer des Nachbargrundstücks, folgende Vereinbarung:
"Beide Parteien erklären hiermit wechselseitig, unwiderruflich und für alle Rechtsnachfolger bindend, dass sie mit dem nachträglichen Anbau von Balkonen an dem jeweilig anderen Objekt (Hervorhebung durch den Senat) der Parteien einverstanden sind. Die Parteien erklären schon jetzt unwiderruflich ihr Einverständnis zum Bauantrag der jeweils anderen Partei."
Einen Verwalter für die Wohnungseigentumsanlage bestellten die Beteiligten zunächst nicht. Die Beteiligte zu 1) wohnte bis zum 28.2.2006 in der F-Straße in I und verlegte danach ihren Wohnsitz nach Frankreich.
Mit Schreiben vom 10.1.2006 und 13.1.2006 lud die Beteiligte zu 4) "auf Antrag" der Beteiligten zu 2) bis 4) zu einer Wohnungseigentümerversammlung am 4.2.2006 mit den Tagesordnungspunkten (entsprechend dem Schreiben vom 13.1.2006):
1. Bestellung eines Verwalters
2. Abschluss eines WEG Verwaltervertrages
3. Genehmigung Balkonanlage
4. ... (im Verfahren der weiteren Beschwerde nicht mehr von Interesse)
Ob die Beteiligte zu 1) diese Schreiben erhalten hat, ist zwischen den Beteiligten streitig. In der Eigentümerversammlung vom 4.2.2006, an der die Beteiligte zu 1) nicht teilnahm, wurden nach dem von der Beteiligten zu 4) angefertigten Protokoll u.a. folgende Beschlüsse gefasst Unter TOP 1) lautet: "Als Verwalter wurde die Firma J bestellt. Die Verwaltung ist für 5 Jahre und beginnt am 1.1.2006 rückwirkend." Unter TOP 2) heißt es u.a.: "Ein WEG-Verwaltervertrag wurde beschlossen und von den anwesenden Eigentümern unterschrieben." TOP 3) enthält die Formulierung: "Die Eigentümergemeinschaft genehmigt die Balkonanlage".
Mit Schriftsatz vom 8.5.2006, beim AG eingegangen am 10.5.2006, hat die Beteiligte zu 1) neben weitergehenden Anträgen, die nicht mehr Gegenstand der Verfahrens dritter Instanz sind, beantragt, die in der Eigentümerversammlung vom 4.2.2006 gefassten Beschlüsse insgesamt für ungültig zu erklären sowie ihr Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Beschlussanfechtungsfrist zu gewähren. Zur Begründung hat sie vorgetragen...