Entscheidungsstichwort (Thema)
Lebensversicherung: "ewiges Widerspruchsrecht", Europarecht
Leitsatz (amtlich)
Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union (insbesondere EuGH, Urteil vom 19.12.2019 - C-355/18 bis C-357/18 u.a. VersR 2020, 341, juris Rn. 78 ff.) ist ein ewiges Widerspruchsrecht europarechtlich "unverhältnismäßig", wenn (trotz eines Fehlers etwa bei der Belehrung über das Widerspruchsrecht) die Möglichkeit des Versicherungsnehmers, das Widerspruchsrecht auszuüben, nicht wesentlich beeinträchtigt ist. In einem solchen Fall ist ein Widerspruchsrecht auch nach deutschem Recht zu verneinen. Das kann auch gelten, wenn die Belehrung nicht über das Erfordernis der Schriftform belehrt (unter 1 b bb (2)).
Normenkette
VVG a.F. § 5a
Verfahrensgang
LG Essen (Aktenzeichen 18 O 124/20) |
Tenor
Der Senat beabsichtigt, die Berufung der Klägerin gemäß § 522 Abs. 2 S. 1 ZPO zurückzuweisen.
Es wird Gelegenheit gegeben, binnen drei Wochen ab Zustellung dieses Beschlusses Stellung zu nehmen.
Gründe
I. Der Senat ist einstimmig davon überzeugt, dass die Berufung offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg hat, die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung hat, weder die Fortbildung des Rechts noch die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung auf Grund mündlicher Verhandlung erfordern und eine mündliche Verhandlung auch sonst nicht geboten ist.
Das Landgericht hat die auf Rückabwicklung zweier fondsgebundener Lebensversicherungsverträge nach jeweils von der Klägerin erklärtem Widerspruch gerichtete Klage zu Recht abgewiesen. Die Berufungsangriffe der Klägerin aus der Berufungsbegründung vom 05.01.2021 (Bl. 28 ff. der elektronischen Gerichtsakte zweiter Instanz, im Folgenden: eGA-II und für die erste Instanz eGA-I) greifen nicht durch.
1. Der Klägerin stehen die geltend gemachten Ansprüche auf Rückzahlung der geleisteten Prämien nebst von der Beklagten gezogener Nutzungen unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt zu. Sie ergeben sich insbesondere nicht aus §§ 812 Abs. 1 S. 1, 818 Abs. 1 BGB.
Die Klägerin erbrachte die Prämienzahlungen mit rechtlichem Grund.
Die von ihr im März und August 2018 erklärten Widersprüche führten nicht zu einer Unwirksamkeit der zwischen den Parteien bestehenden Versicherungsverträge.
a) Das gilt bezogen auf den Versicherungsvertrag mit der Versicherungsnummer 01 schon deshalb, weil der Widerspruch nicht fristgerecht erfolgte.
Die in § 5a Abs. 1 S. 1, 2 VVG a.F. in der maßgeblichen Fassung normierte Widerspruchsfrist von 14 Tagen war im Jahre 2018 abgelaufen.
Die Frist begann gemäß § 5a Abs. 2 S. 1 VVG a.F. in dem Zeitpunkt, in welchem die Klägerin nach den - von ihr in der Berufungsbegründung nicht angegriffenen - landgerichtlichen Feststellungen den Versicherungsschein und die weiteren Unterlagen nach § 5a Abs. 1 VVG a.F. erhielt. Denn sie wurde hinsichtlich dieses Vertrages über ihr Widerspruchsrecht ordnungsgemäß belehrt.
aa) Der Senat kommt anders als das Landgericht im Rahmen seiner tatrichterlichen Bewertung zu dem Ergebnis, dass die Belehrung für diesen Vertrag "in drucktechnisch deutlicher Form" erfolgte.
Dazu musste sie so gestaltet sein, dass sie einem durchschnittlichen Versicherungsnehmer nicht entgehen kann, auch wenn er nicht danach sucht (vgl. statt vieler BGH, Urteil vom 28.01.2004 - IV ZR 58/03, VersR 2004, 497, juris Rn. 18).
Diese Voraussetzung ist hier erfüllt.
Die im Policenbegleitschreiben enthaltene Belehrung (Bl. 33 des elektronischen Anlagenbandes zur Klage) springt dem Versicherungsnehmer schon deshalb ins Auge, weil sie als einziger Absatz innerhalb des nur einseitigen Begleitschreibens in Kursivdruck gehalten ist. Es ist anerkannt, dass jedenfalls in einem kurzen Policenbegleitschreiben auch eine solche Hervorhebung durch Kursivdruck den in § 5a Abs. 1 VVG a.F. normierten Anforderungen genügen kann (BGH, Urteil vom 14.10.2015 - IV ZR 388/13, r+s 2015, 598, juris Rn. 11). Unerheblich ist, dass es noch andere Möglichkeiten gegeben hätte, die Textpassage mit der Belehrung hervorzuheben, etwa durch Fettdruck, Umrahmung oder farbliche Unterlegung. Für die Hervorhebung stehen dem Versicherer vielfältige Möglichkeiten zur Verfügung. Ob sie ausreichend ist, ist stets eine Frage des Einzelfalls und vom Tatrichter zu beurteilen (BGH, a.a.O.). Angesichts der Kürze und der Übersichtlichkeit des Policenbegleitschreibens ist der Senat überzeugt, dass die Belehrung der Klägerin auch dann nicht entgehen konnte, wenn sie danach nicht suchte. Dass eine Belehrung auch im Policenbegleitschreiben enthalten sein kann, ist im Übrigen in der Rechtsprechung des BGH geklärt (vgl. BGH, Beschluss vom 12.07.2016 - IV ZR 558/15, juris Rn. 8; BGH, Beschluss vom 30.06.2015 - IV ZR 16/14, juris Rn. 8).
bb) Auch inhaltlich ist die Belehrung nicht zu beanstanden. Insbesondere enthält sie einen Hinweis auf die einzuhaltende Schriftform.
b) Auch bezogen auf den Vertrag mit der Versicherungs-Nummer 02 konnte die Klägerin den Widerspruch nicht mehr wirksam erklären.
aa) Zwar wurde sie ...