Verfahrensgang

AG Essen (Aktenzeichen 108b F 50/15)

 

Tenor

Der Senat weist die Beteiligten darauf hin, dass er beabsichtigt, gemäß § 68 Abs. 3 S.2 FamFG von der Durchführung einer mündlichen Verhandlung abzusehen und nach Ablauf einer zweiwöchigen Stellungnahmefrist über die Beschwerde wie folgt zu entscheiden:

Beschlussentwurf

Auf die Beschwerde der Kindesmutter wird der Beschluss des Amtsgerichts - Familiengericht - Essen vom 29.12.2015 abgeändert.

Der Antrag des Kindesvaters auf Übertragung des alleinigen Sorgerechts für die Kinder A, geboren am 00.00.0000, und B, geboren am 00.00.0000, wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Verfahrens in beiden Instanzen werden gegeneinander aufgehoben.

Der Wert des Beschwerdeverfahrens wird auf 3.000 EUR festgesetzt.

 

Gründe

I. Die Kindeseltern der beiden im Tenor genannten Kinder leben dauerhaft getrennt voneinander.

Die Kindesmutter leidet an einer paranoiden Schizophrenie. Sie litt bereits nach der zweiten Schwangerschaft unter einer postpartalen Psychose und musste vorübergehend auf einer geschlossenen Abteilung eines psychiatrischen Krankenhauses behandelt werden.

Am 25.10.2014 kam es zu einem Vorfall, bei dem sich die Kindesmutter nachts in der damaligen gemeinsamen Wohnung der Familie mit einem Messer auf den Sohn A stürzte. Der Kindesvater konnte durch sein Eingreifen eine körperliche Verletzung des Sohnes verhindern, wurde aber selber hierbei verletzt. Die Kindesmutter wurde aufgrund des Vorfalls zunächst nach dem PsychKG und sodann aufgrund eines Unterbringungsbefehls vom 06.11.2014 gemäß § 126a StPO geschlossen untergebracht. Mit Beschluss des Amtsgerichts - Familiengericht - Essen vom 21.11.2014 wurde gemäß § 1674 Abs. 1 BGB festgestellt, dass die elterliche Sorge der Kindesmutter wegen tatsächlicher Verhinderung aufgrund der geschlossenen Unterbringung ruht und vom Kindesvater alleine ausgeübt wird. Mit Urteil des Landgerichts Essen vom 30.04.2015 wurde die Unterbringung der Kindesmutter in einem psychiatrischen Krankenhaus gemäß § 63 StGB angeordnet. Ausweislich der Feststellungen dieses Urteils beging die Kindesmutter im Zustand aufgehobener Schuldfähigkeit aufgrund einer akuten Exazerbation einer paranoiden Psychose am 25.10.2014 einen versuchten Totschlag und eine gefährliche Körperverletzung; infolge ihres noch immer andauernden und behandlungsbedürftigen Zustandes seien auch in Zukunft erhebliche rechtswidrige Taten dieser Art zu erwarten, so dass die Kindesmutter für die Allgemeinheit gefährlich sei.

Die Kinder leben derzeit in verschiedenen Pflegefamilien in C; der Kindesvater lebt aufgrund beruflicher Verpflichtungen derzeit in D und die Kindesmutter seit der o.g. Tat durchgängig in der E-Klinik F. Persönliche Kontakte des Kindesvaters zu den Kindern gibt es derzeit nur an Wochenenden.

Im vorliegenden Verfahren hat der Kindesvater begehrt, das gemeinsame Sorgerecht aufzuheben und auf ihn alleine zu übertragen, weil die Kindesmutter auch zukünftig aufgrund ihrer psychiatrischen Erkrankung nicht in der Lage sein werde, die elterliche Sorge für die Kinder auszuüben.

Die Kindesmutter ist dem Antrag entgegen getreten und hat behauptet, die Übertragung der elterlichen Sorge auf den Kindesvater allein entspreche nicht dem Kindeswohl. Sie hat insbesondere Zweifel an dessen Erziehungsfähigkeit geäußert.

Das Familiengericht hat mit dem angefochtenen Beschluss nach Anhörung aller Beteiligten die gemeinsame elterliche Sorge aufgehoben und auf den Kindesvater alleine übertragen.

Zur Begründung ist ausgeführt, dass die Kindesmutter aufgrund ihrer Erkrankung und der damit verbundenen Unterbringung auf unabsehbare Zeit nicht in der Lage sei, die elterliche Sorge entsprechend dem Kindeswohl auszuüben. Die bestehende bloße Anordnung des Ruhens der elterlichen Sorge sei nicht ausreichend, weil mit der Entlassung der Kindesmutter aus der psychiatrischen Klinik die elterliche Sorge automatisch wieder auflebe. Soweit sie für diesen Fall die Mitübertragung der elterlichen Sorge beantrage, solle in jedem Fall ein gerichtliches Verfahren vorgeschaltet sein.

Gegen diesen Beschluss wendet sich die Kindesmutter mit ihrer Beschwerde, in der insbesondere unter ausführlicher Darlegung Zweifel an der Erziehungsfähigkeit des Kindesvaters geäußert werden. Sie selber sei dagegen jedenfalls nach einer möglichen Entlassung aus der Klinik erziehungsfähig. Eine Kooperationsfähigkeit zwischen den beteiligten Eltern bestehe. Mit einem weiteren Ruhen des Sorgerechts für die Zeit der stationären Behandlung und Unterbringung erklärt sie sich ausdrücklich einverstanden.

II. 1. Die Beschwerde ist gemäß § 58 Abs. 1 FamFG statthaft und gemäß §§ 63 Abs. 1, 64 Abs. 1 und 2 FamFG frist- und formgerecht eingelegt worden. Als Kindesmutter, der das Sorgerecht bezüglich ihrer beiden Kinder entzogen worden ist, besteht auch eine Beschwerdeberechtigung gemäß § 59 Abs. 1 FamFG.

2. Die Beschwerde hat auch in der Sache Erfolg.

Die vollständige Entziehung der elterlichen Sorge gemäß § 1671 Abs. 1 S.2 Nr. 2 BGB kommt schon deshal...

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