Entscheidungsstichwort (Thema)

Ruhen der elterlichen Sorge; Feststellung gemäß § 1674 Abs. 2 BGB; Zuständiges Familiengericht

 

Leitsatz (amtlich)

1. Zur Frage des zuständigen Familiengerichts für die Entscheidung des Ruhens der elterlichen Sorge gem. § 1674 Abs. 1 BGB und der gerichtlichen Aufhebung des Ruhens der elterlichen Sorge nach § 1674 Abs. 2 BGB.

2. Kein Ausschluss der gerichtlichen Feststellung der Aufhebung des Ruhens der elterlichen Sorge bei fortdauerndem Aufenthalt des Elternteils im Maßregelvollzug.

3. Zur Abgrenzung des Prüfungsumfanges bei Verfahren nach § 1674 Abs. 2 BGB gegenüber gerichtlichen Sorgerechtsentscheidungen nach § 1666 BGB bzw. Sorgerechtsübertragungen nach § 1671 BGB.

 

Normenkette

BGB §§ 1666, 1671, 1674 Abs. 2; FamFG § 152 Abs. 1, § 153 S. 2

 

Verfahrensgang

AG Kleve (Aktenzeichen 5 F 36/18)

 

Tenor

1. Die Beschwerde des Antragsgegners gegen den Beschluss des Amtsgerichts - Familiengericht - Kleve vom 20.03.2019 wird auf seine Kosten zurückgewiesen.

2. Beschwerdewert: 3.000 EUR

 

Gründe

I. Die Beschwerde des Antragsgegners ist unbegründet.

Zu Recht und mit zutreffender wie fortgeltender Begründung, auf die zur Vermeidung von Wiederholungen Bezug genommen wird, hat das Amtsgericht gemäß § 1674 Abs. 2 BGB festgestellt, dass die Antragstellerin nicht mehr an der Ausübung der elterlichen Sorge gehindert ist.

1. Unerheblich ist, dass sowohl die Antragstellerin in ihrem Antrag vom 21.02.2018 als auch das Amtsgericht im angefochtenen Beschluss darauf abgestellt haben, dass die Antragstellerin aufgrund des Beschlusses des Amtsgerichts Essen vom 21.11.2014 (108b F 257/14), in welchem das Ruhen der elterlichen Sorge der Kindesmutter festgestellt wurde, an der Ausübung des Sorgerechts gehindert ist. Tatsächlich ist dieser Beschluss aufgrund des zwischenzeitlich durchgeführten Sorgerechtsverfahrens vor dem Amtsgericht Essen (108b F 50/15), in welchem dem Antragsgegner mit Beschluss vom 29.12.2015 gemäß § 1671 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 BGB das alleinige Sorgerecht übertragen wurde, gegenstandslos geworden. Auch wenn dieser Beschluss auf die Beschwerde der Kindesmutter durch Beschluss des Oberlandesgerichts Hamm vom 12.05.2016 (II-4 UF 20/16) abgeändert und der Antrag des Kindesvaters auf Übertragung des alleinigen Sorgerechts zurückgewiesen wurde, änderte dies nichts daran, dass er zwischenzeitlich alleiniger Sorgerechtsinhaber war. Das Amtsgericht Essen sah sich daher veranlasst, im Verfahren 108b F 184/16 durch Beschluss vom 30.06.2016 erneut das Ruhen der elterlichen Sorge gemäß § 1674 Abs. 1 BGB festzustellen. Da die Beschlüsse des Amtsgerichts Essen vom 21.11.2014 und 30.06.2016 letztlich inhaltsgleich sind, ist unerheblich, dass das Amtsgericht Kleve in der Begründung des angefochtenen Beschlusses nicht auf den aktuellen Beschluss abgestellt hat. Jedenfalls wurde durch den angefochtenen Beschluss im Ergebnis der aktuell wirksame Beschluss vom 30.06.2016 abgeändert.

2. Das Amtsgericht Kleve war auch zuständig, über den Antrag nach § 1674 Abs. 2 BGB zu entscheiden, weil dort zum maßgeblichen Zeitpunkt das Scheidungsverfahren anhängig war, § 152 Abs. 1 FamFG. Allerdings wäre der Antrag beim Amtsgericht Essen zu stellen gewesen, weil das Verfahren nach § 1674 BGB bis zur Entscheidung über die Aufhebung des Ruhens der elterlichen Sorge dort noch rechtshängig war. Das Amtsgericht Essen hätte das Verfahren aber nach § 153 FamFG an das Gericht der Ehesache, also an das Amtsgericht Kleve, abgeben müssen, so dass im Ergebnis das zuständige Gericht über den Antrag entschieden hat.

3. Die Entscheidung des Amtsgerichts ist auch in der Sache nicht zu beanstanden.

a) Dem Aufheben des Ruhens der elterlichen Sorge steht zunächst nicht entgegen, dass sich die Antragstellerin nach wie vor im Maßregelvollzug in der LVR-Klinik in Bedburg-Hau befindet. Entscheidend für die Ausübung des Sorgerechts ist nicht die physische Abwesenheit, da stets zu prüfen ist, ob dem abwesenden Elternteil angesichts moderner Kommunikationsmöglichkeiten nicht die Möglichkeit der Sorgerechtsausübung aus der Ferne verblieben ist (BGH, Beschluss vom 06.10.2014, XII ZB 80/04, zit. nach juris Rn. 9). Hierauf beruft sich der Antragsgegner auch nicht, zumal er sich selbst aufgrund seines Wohnsitzes im Vereinigten Königreich nicht am Aufenthaltsort der Kinder, die in verschiedenen Pflegefamilien in Antwerpen untergebracht sind, aufhält.

b) Entscheidend ist daher allein, ob die Antragstellerin nach wie vor aufgrund ihrer psychischen Erkrankung an der Ausübung des Sorgerechts gehindert ist.

In Fällen einer psychischen Erkrankung unterhalb der Schwelle der Geschäftsunfähigkeit (§ 1673 BGB), die hier offenkundig nicht (mehr) vorliegt, verbleibt das Spannungsverhältnis des § 1674 BGB zu §§ 1666 ff. BGB (hierzu Staudinger-Coester, BGB (2016), § 1674 Rn. 16 f.). Zu beachten ist hier, dass, wenn die Verhinderung selbst zweifelhaft ist, nicht nach § 1674 BGB, sondern - bei Kindeswohlgefährdung - nur nach § 1666 BGB entschieden werden kann (Staudinger-Coester, a.a.O., Rn. ...

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