Verfahrensgang

AG Bochum (Beschluss vom 30.06.2014; Aktenzeichen 59 F 58/14)

 

Nachgehend

BVerfG (Nichtannahmebeschluss vom 04.08.2016; Aktenzeichen 1 BvR 1291/16)

 

Tenor

Auf die Beschwerde des Vaters und Antragsgegners wird der Beschluss des AG - Familiengerichts - Bochum vom 30.6.2014 teilweise abgeändert und wie folgt neu gefasst:

Der Umgang des Antragsgegners mit den beiden betroffenen Kindern wird - mit Ausnahme von Kontakten durch Briefverkehr und sonstige schriftliche Fernkommunikationsmittel - für die Dauer von zwei Jahren ausgeschlossen.

Die gerichtlichen Kosten beider Instanzen haben die beteiligten Elternteile je zur Hälfte zu tragen. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

Der Wert des Beschwerdeverfahrens wird auf 6.000 EUR festgesetzt.

 

Gründe

Die zulässige Beschwerde führt in der Sache zu der aus der Beschlussformel ersichtlichen Abänderung.

1. Der angefochtene Beschluss konnte aus mehreren Gründen keinen Bestand haben.

Zum einen ist das AG von dem Votum der von ihm bestellten Sachverständigen Dipl.-Psych. A, dem Vater durch einen Umgangspfleger organisierte und begleitete Umgänge einzuräumen, zu dessen Lasten abgewichen, indem es lediglich briefliche Kontakte zugelassen hat. Dabei hat es nicht dargelegt, warum es selbst über die notwendige familienpsychologische Sachkunde verfüge, um die Abweichung zu begründen (vgl. BGH NJW 1997, 1446; BVerfG FamRZ 2009, 399, Juris-Rn. 52). Jedenfalls wegen dieser beabsichtigten Abweichung hätte es einer ergänzenden Befragung der Sachverständigen bedurft, beispielsweise im Rahmen einer mündlichen Anhörung im Termin, wie sie das AG ursprünglich auch selbst beabsichtigt und durch die Terminsverfügung vom 21.3.2014 angeordnet hatte. Dass bei der Verlegung des zunächst anberaumten Termins die Umladung der Sachverständigen versehentlich unterblieben ist und die Sachverständige folglich in dem stattgefundenen Termin nicht anwesend war, konnte keinen Grund darstellen, die Sache nunmehr ohne ihre ergänzende Anhörung zu entscheiden.

Zum zweiten hat das AG den Ausschluss des persönlichen Umgangs zwischen dem Antragsgegner und den Kindern nicht mit einer Befristung versehen, was zur Wahrung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes (vgl. BVerfG FamRZ 2013, 361, Juris-Rn. 34) indes grundsätzlich erforderlich ist, wenngleich es auch ausreichend sein kann, wenn ein Zeitraum, nach dem eine erneute Prüfung des Umgangsrechts begehrt werden kann, aus den Entscheidungsgründen erkennbar ist (vgl. BVerfG FamRZ 2006, 1005, Juris-Rn. 10; Palandt/Götz, BGB, 75. Aufl. 2016, Rn. 36 zu § 1684), hier ggf. aufgrund der Formulierung, "bei einem vernünftig ablaufenden brieflichen Kontakt" könnten die Kinder in den nächsten 6 Monaten "durchaus wieder so weit Vertrauen" zum Antragsgegner fassen, dass sodann die Möglichkeit von begleiteten Kontakten geprüft werden könne.

Zum dritten schließlich fehlt es an einer Feststellung der Tatbestandsvoraussetzungen für die Einrichtung einer Umgangspflegschaft, nämlich einer dauerhaften oder wiederholten erheblichen Verletzung der Wohlverhaltenspflichten (§ 1684 Abs. 3 S. 3 i.V.m. Abs. 2 S. 1 BGB). Ob überdies durch den Umstand, dass der Umgangspfleger im vorliegenden Fall einen brieflichen Umgang überwachen sollte, das durch Art. 10 Abs. 1 GG gewährleistete Briefgeheimnis berührt wäre, kann dahingestellt bleiben.

2. Nach dem Ergebnis der vom Senat ergänzten Beweisaufnahme ist die amtsgerichtliche Regelung allerdings durch eine Regelung zu ersetzen, durch die der Antragsgegner im Ergebnis stärker beschwert ist, nämlich durch einen Ausschluss des persönlichen Umgangs, der erst nach Ablauf von 2 Jahren einer erneuten Überprüfung zugänglich ist. Dies ist im vorliegenden Fall zulässig, weil im Umgangsverfahren von Amts wegen die nach materiellem Recht gebotene Regelung zu treffen ist, das Umgangsrecht dem Senat mit der Beschwerde auch in vollem Umfang angefallen ist, und schließlich, anders als in Familienstreitsachen (vgl. § 117 Abs. 2 i.V.m. § 528 ZPO), das Verschlechterungsverbot nicht gilt.

10. Der Ausschluss des persönlichen Umgangs des Antragsgegners mit den betroffenen Kindern in Abänderung des Vergleichs vom 30.11.2010 beruht auf den §§ 1684 Abs. 4 S. 1, 2, § 1696 Abs. 1 S. 1 BGB. Er ist zur Abwendung einer ansonsten eintretenden Kindeswohlgefährdung, d.h. einer Gefährdung der seelischen oder körperlichen Entwicklung (vgl. BVerfG FamRZ 2008, 494, Juris-Rn. 17 m.w.N.), und damit zugleich aus triftigen, das Wohl der Kinder nachhaltig berührenden Gründen erforderlich.

11. Wie die im Termin mündlich ergänzten Ausführungen der psychologischen Sachverständigen X ergeben haben, besteht bei dem aktuell 14jährigen Kind bzw. Jugendlichen P ein seit Jahren beständiger Wille, keine persönlichen Kontakte mit dem Antragsgegner zu pflegen. Würden in dem für die Beurteilung maßgeblichen jetzigen Zeitpunkt entgegen diesem Willen Umgangskontakte gleich welchen Umfangs angeordnet, wären bei P gravierende psychische Schädigungen bin hin zu einem Zusammenbruch die Folge. Bezüg...

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