Leitsatz (amtlich)
Das Protokoll der Hauptverhandlung ist nicht unterschrieben im Sinn von § 271 Abs. 1 StPO, wenn sich die Unterschrift des Richters lediglich auf einer die Urteilsformel beinhaltenden Anlage befindet.
Tenor
Eine Sachentscheidung des Senats über die Rechtsbeschwerde kann derzeit noch nicht getroffen werden.
Gründe
Die Frist zur Begründung der Rechtsbeschwerde ist mangels ordnungsgemäßer Zustellung des Urteils bisher noch nicht in Lauf gesetzt worden.
Gemäß §§ 79 Abs. 3 OWiG, 345 Abs. 1 StPO beginnt die einmonatige Frist zur Anbringung der Rechtsbeschwerdeanträge und ihrer Begründung (spätestens) mit Zustellung des angefochtenen Urteils.
Die Zustellung darf jedoch nicht erfolgen, bevor nicht das Protokoll fertiggestellt ist (vgl. § 273 Abs. 4 StPO i. V. m. § 71 Abs. 1 OWiG). Die Zustellung vor der Fertigstellung ist unwirksam und setzt die von der Urteilszustellung abhängigen Fristen nicht in Lauf (vgl. BGHSt 27, 80 f). Zur Fertigstellung gehört, dass das Protokoll von dem Vorsitzenden und dem Urkundsbeamten der Geschäftsstelle oder - wie vorliegend bei Absehen der Hinzuziehung eines Urkundsbeamten der Geschäftsstelle gemäß § 78 Abs. 5 OWiG - von dem Richter allein unterschrieben ist (§ 271 Abs. 1 StPO i. V. m. § 71 Abs. 1 OWiG).
Das ist indes bisher nicht der Fall. Nach Aktenlage (Bl. 28 R d. A. ) ist die Sitzungsniederschrift vom 21. Juni 2000 nicht unterzeichnet. Ihr ist allerdings - neben weiteren Anlagen - ein als "Anlage III" bezeichnetes Formular (Vordruck OWi 16 a) beigefügt, das die Urteilsformel beinhaltet und vom amtierenden Richter unterschrieben ist. Da die Unterzeichnung von Protokollanlagen (nur) zweckmäßig, gesetzlich jedoch nicht vorgeschrieben ist (vgl. BGHR StPO § 273 Abs. 1 Protokollinhalt 2; OLG Düsseldorf MDR 1986, 166; Kleinknecht/Meyer-Goßner, StPO, 44. Aufl. , § 271 Rdnr. 13), genügt jedenfalls die Unterzeichnung der Anlage nicht dem Formerfordernis der insoweit eindeutigen Vorschrift des § 271 Abs. 1 StPO, die gemäß § 71 Abs. 1 OWiG auch für das Ordnungswidrigkeitenverfahren gilt (vgl. Senatsbeschluss vom 27. Juni 1991 in 2 Ss OWi 577/91). Hinzu kommt, dass der Urteilsverkündung nachfolgende wesentliche Förmlichkeiten wie die Erteilung der Rechtsmittelbelehrung (vgl. OLG Düsseldorf, NStE Nr. 3 zu § 274 StPO; Kleinknecht/Meyer-Goßner, a. a. O. , § 273 Rdnr. 7) von der Unterschrift unter die als Anlage beigefügte Urteilsformel nicht erfasst werden können.
Dies gilt auch für den Fall, dass der Amtsrichter gemäß § 78 Abs. 5 OWiG von der Hinzuziehung eines Urkundsbeamten der Geschäftsstelle abgesehen hat. Auch in diesem Fall ist ein - vollständiges - Protokoll zu fertigen (vgl. KK-OWiG-Senge, 2. Aufl. , § 78 Rdnr. 8 a; Göhler, OWiG, 12. Aufl. , § 78 Rdnr. 2 a).
Ergänzend wird darauf hingewiesen, dass das Protokoll in der vorliegenden Form auch inhaltliche Mängel aufweist, die der Wirksamkeit der Urteilszustellung allerdings nicht entgegen stünden (vgl. BayObLG NJW 1981, 1795). Nach § 273 Abs. 1 StPO muss das Protokoll u. a. die Urteilsformel enthalten. Es genügt deshalb nicht, dass im Protokoll insofern auf eine Anlage Bezug genommen wird (RGSt 58, 143; KK-Engelhardt, 4. Aufl. , § 273 Rdnr. 14). Auch das Fehlen des Fertigstellungsvermerks gemäß § 271 Abs. 1 S. 2 StPO stünde der faktischen Fertigstellung des Protokolls nicht entgegen (vgl. BGH NJW 1970, 105; Kleinknecht/Meyer-Goßner, a. a. O. , § 271 Rdnr. 19, 20).
Zu einem anderen Ergebnis vermag letztlich auch der Umstand nicht zu führen, dass sich der Amtsrichter bei der Fertigung des Protokolls der amtlichen Vordrucke OWi 16, OWi 16 a und OWi 16 c bedient hat, die jedoch - wie dargelegt, mit dem Gesetz und der darauf aufbauenden Rechtsprechung zum Inhalt eines Protokolls nicht in Einklang stehen.
Nach der noch vorzunehmenden Fertigstellung des Protokolls ist das Urteil daher erneut zuzustellen, was auch von der Generalstaatsanwaltschaft für erforderlich gehalten wird.
Fundstellen
Haufe-Index 2575938 |
NStZ 2001, 220 |