Entscheidungsstichwort (Thema)
Modernisierende Instandsetzung
Leitsatz (amtlich)
1. Eine Instandsetzungsmaßnahme kann auch dann vorliegen, wenn die Fassadenverkleidung unter Anbringung eines zusätzlichen Wärmeschutzes erneuert wird.
2. Die Wohnungseigentümer handeln im Rahmen des ihnen eingeräumten Ermessens, wenn sie bei der Beschlussfassung über die Anbringung wärmedämmender Maßnahmen an der Außenfassade die Anbringung einer bislang fehlenden Dämmung der Kellerdecken einschließen.
Normenkette
WEG § 21 Abs. 3, 5 Nr. 2, § 22 Abs. 1
Verfahrensgang
LG Essen (Beschluss vom 16.12.2005; Aktenzeichen 9 T 76/05) |
AG Essen-Steele (Beschluss vom 25.04.2005; Aktenzeichen 10 II 49/04 WEG) |
Tenor
Die Beschlüsse der Eigentümerversammlung vom 27.5.2004 zu TOP 3 und TOP 4 werden für ungültig erklärt.
Im Übrigen wird der Antrag der Antragsteller vom 28.6.2004 zurückgewiesen.
Die Gerichtskosten aller Instanzen werden den Antragstellern zu 1/10 und den Antragsgegnern zu 9/10 auferlegt.
Eine Erstattung außergerichtlicher Auslagen findet in allen Instanzen nicht statt.
Der Geschäftswert wird auf 10.000 EUR festgesetzt.
Gründe
I. Die Beteiligten zu 1) bis 31) sind die Mitglieder der eingangs genannten, im Jahr 1970 errichteten Anlage, die aus drei jeweils dreistöckigen Häusern mit insgesamt 32 Wohnungen besteht. Die Beteiligte zu 31) ist die Verwalterin der Wohnanlage.
Am 27.5.2004 fasste die Eigentümerversammlung folgende Beschlüsse:
Tagesordnungspunkt 1 A
"Eine Vollwärmedämmung der Fassade einschließlich Sockelbereich - im Schienensystem - unter zwingendem Einschluss der Kellerdeckendämmung vornehmen zu lassen - Kunstharzputz. Die Firma C, F soll den Auftrag zur Vollwärmedämmung erhalten. Material der Kellerdeckendämmung: Schwenk Kellerdecken Dämmplatten (Fermacell). Die Kellerdeckendämmung soll von der Firma T, F ausgeführt werden."
Tagesordnungspunkt 3
"Die Balkoninnenwände mit einer geringeren Wärmedämmung zu versehen - s. schriftliche Erklärung des Architektenbüro II, F vom 11.5.2004/Haftungsfreistellung des Architekten."
Tagesordnungspunkt 4
"Die Schäden an den Balkonen in dem Umfang zu sanieren, die technisch notwendig sind, und nicht nach den ursprünglichen Entwürfen des Architekten-Büro II, F. Die Firma T, F soll den Auftrag erhalten."
Mit dem am 28.6.2004, einem Montag, bei dem AG eingegangenen Antrag haben die Antragsteller beantragt, diese Beschlüsse für ungültig zu erklären, den Beschluss zu TOP 1 A jedoch nur insoweit, als neben der Fassadendämmung auch eine Kellerdeckendämmung beschlossen wurde.
Die Beteiligten zu 4) bis 32) sind dem Antrag entgegengetreten.
Das AG hat mit Beschluss vom 25.4.2005 den Antrag zurückgewiesen.
Gegen diese Entscheidung haben die Antragsteller rechtzeitig sofortige Beschwerde eingelegt, mit der sie ihren ursprünglichen Antrag weiterverfolgt haben.
Mit Beschluss vom 16.12.2005 hat das LG die sofortige Beschwerde zurückgewiesen. Die Gerichtskosten des Beschwerdeverfahrens es den Antragstellern auferlegt, eine Erstattung außergerichtlicher Kosten hat es nicht angeordnet.
Gegen diese ihren Verfahrensbevollmächtigten am 17.2.2006 zugestellte Entscheidung richtet sich die mit Anwaltsschriftsatz vom 17.2.2006 eingelegte sofortige weitere Beschwerde der Antragsteller, die am 21.2.2006 bei dem LG eingegangen ist.
II. Die sofortige weitere Beschwerde ist nach den §§ 27, 29 FGG, 45 Abs. 1 WEG statthaft sowie form- und fristgerecht eingelegt worden. Die Beschwerdebefugnis der Antragssteller ergibt sich daraus, dass ihre erste Beschwerde ohne Erfolg geblieben ist.
In der Sache hat die weitere Beschwerde teilweise Erfolg, weil die Entscheidung des LG nicht in allen Punkten einer rechtlichen Überprüfung standhält, § 27 FGG i.V.m. § 546 ZPO.
1. Zutreffend haben die Vorinstanzen den Beschluss der Wohnungseigentümergemeinschaft zu TOP 1 A als wirksam angesehen.
Bauliche Veränderungen, die der ordnungsmäßigen Instandhaltung oder Instandsetzung des Gemeinschaftseigentums dienen, können grundsätzlich als Maßnahme der ordnungsmäßigen Verwaltung durch Stimmenmehrheit von den Wohnungseigentümern beschlossen werden (§ 21 Abs. 3, Abs. 5 Nr. 2, § 22 Abs. 1 WEG). Die für die Wohnanlage der Beteiligten maßgebende Gemeinschaftsordnung enthält keine abweichende Regelung.
Unter Instandsetzung ist grundsätzlich die Wiederherstellung des ursprünglichen ordnungsmäßigen Zustands zu verstehen (BayObLG v. 14.12.1989 - BReg.1b Z 36/88, MDR 1990, 551 = BayObLGZ 1989, 465 [467]). Nach gefestigter Rechtsprechung ist darüber hinaus eine Maßnahme auch dann als eine solche ordnungsmäßige Instandsetzung anzusehen, wenn sie sich nicht auf die bloße Wiederherstellung des ursprünglichen Zustands in Form einer Reparatur beschränkt. Entscheidend ist eine Abwägung aller Vor- und Nachteile einer bloßen Reparatur des vorhandenen Zustands einerseits und der Herstellung eines neuen Zustands andererseits. Ist eine Maßnahme wirtschaftlich sinnvoll und hält sie sich im Bereich erprobter und bewährter Techniken, so kann eine Instandsetzungsmaßnahme auch dann vorliegen, w...