Leitsatz (amtlich)
Eine rechtskräftige Unzuständigkeitserklärung im Sinne von § 36 Abs. 1 Nr. 6 ZPO setzt die Mitteilung der Entscheidung an die Parteien voraus. Solange diese nicht erfolgt ist, handelt es sich um einen akteninternen, den Parteien gegenüber nicht wirksamen Vorgang. Das zur Zuständigkeitsbestimmung angerufene Gericht hat die unterbliebene Mitteilung nicht nachzuholen, sondern eine Zuständigkeitsbestimmung gemäß § 36 Abs. 1 Nr. 6 ZPO abzulehnen.
Normenkette
ZPO § 36 Abs. 1 Nr. 6
Verfahrensgang
AG Essen (Aktenzeichen 29 C 97/18) |
Tenor
Die Bestimmung des zuständigen Gerichts wird abgelehnt.
Gründe
I. Der Rechtsstreit liegt dem Senat zur Bestimmung des zuständigen Gerichts gemäß § 36 Abs. 1 Nr. 6 ZPO vor.
Dem Rechtsstreit liegt - soweit für das Zuständigkeitsbestimmungsverfahren von Belang - im Kern folgender Sachverhalt zugrunde:
Der Kläger nimmt die Beklagten aus § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 32 KWG im Wege persönlicher Haftung als ehemalige Vorstände der Fa. H AG auf Schadensersatz in Anspruch. Die Fa. H AG habe, so der Kläger, unerlaubte Einlagengeschäfte betrieben, was den Beklagten auch bekannt gewesen sei. Hierdurch sei ihm, dem Kläger, einen Schaden in Höhe von 1.654,02 EUR entstanden.
Mit - bestandskräftigen - Bescheiden vom 05.10.2012 und vom 25.11.2013 hat die BaFin der Fa. H AG das unerlaubte Betreiben eines Einlagengeschäfts untersagt und die Abwicklung des unerlaubt betriebenen Geschäfts angeordnet.
Zu Begründung seines Anspruches weist der Kläger darauf hin, er habe bei der T Lebensversicherung AG eine Versicherung unter der Nummer .../... unterhalten. Über einen Vermittler, Herrn C, sei ihm deshalb im Zuge eines Vermittlungsgespräches in seiner Wohnung das Geschäftsmodell der Fa. H2 AG angeboten worden. Er habe daraufhin der Fa. H2 AG am 08.03.2010 die v.g. Versicherungssumme zu einem Preis von 11.063,07 EUR "verkauft". Zuvor habe der Kläger über den von der Fa. H2 AG eingesetzten und benannten Treuhänder die Versicherung kündigen lassen, die den damaligen Rückkaufswert von 14.750,76 EUR - entsprechend dem oben beschriebenen Geschäftsmodell - an den Treuhänder ausgezahlt habe. Dieser habe sodann unter Abzug der vereinbarten Vorauszahlung von 25% (3.687,69 EUR) den o.g. Betrag i.H.v. 11.063,07 EUR an die Fa. H AG weitergeleitet. Nach dem sog. "Modell B" habe diese dem Kläger sodann mit Schreiben vom 08.03.2010 die Zahlung der doppelten Summe von insgesamt 22.126,14 EUR bei einer Laufzeit von 10 Jahren zugesichert.
Am 15.03.2011 wiederum sei zwischen dem Kläger und der Fa. H AG ein "Rückabwicklungsvertrag" geschlossen worden. Unter Anrechnung bereits auf die bestehenden Vereinbarungen gezahlten Beträge sei ein Rückabwicklungsbetrag i.H.v. 9.569,57 EUR zu einem Zins von 12,922 % p.a. vereinbart worden. Die Höhe der monatlichen Rate habe bei einer Laufzeit von 110 Monaten 149,35 EUR, die zugesicherte Schlussrate 4.203,97 EUR betragen. Von Mai 2011 bis einschließlich 2014 habe die Fa. H AG die monatlichen Raten gezahlt; danach seien die Zahlungen ausgeblieben. Im Ergebnis sei dem Kläger so ein Schaden in Höhe der Klagesumme entstanden.
Das Amtsgericht Essen hat die Parteien mit Verfügung vom 26.07.2018 zunächst auf Bedenken gegen seine örtliche Zuständigkeit hingewiesen, die der Beklagte zu 1) darauf hin auch gerügt hat, an diesen Bedenken aber nach dem Hinweis des Klägers auf die Vorschrift des § 32 ZPO nicht festgehalten.
Nach zwischenzeitlich erfolgtem Dezernatswechsel hat das Amtsgericht Essen mit weiterer Verfügung vom 12.12.2017 darauf hingewiesen, dass die ausschließliche sachliche Zuständigkeit des Landgerichts Essen nach § 71 Abs. 2 Nr. 3 GVG gegeben sei. Zur Begründung hat das Amtsgericht Essen darauf verwiesen, dass die Beklagten als Vertreter und Organ der H AG deren Produkte über Dienstleister vertrieben hätten und es sich bei der Tatsache, dass die AG über keine Erlaubnis nach § 32 KWG verfüge, um eine öffentliche Kapitalmarktinformation gehandelt habe, die i. S. d. §§ 71 Abs. 2 Nr. 3 GVG, 32b ZPO unterlassen worden sei.
Dem hat sich der Beklagte zu 1) mit Schriftsatz vom 20.12.2017 unter Hinweis darauf, dass örtlich nicht das Landgericht Essen, sondern das Landgericht Frankfurt a.M. zuständig sein dürfte, angeschlossen. Demgegenüber hat der Kläger mit Schriftsatz vom 10.01.2018 daran festgehalten, dass sich die Zuständigkeit des Amtsgerichts Essen aus § 32 ZPO ergebe. Ein Fall des § 32b ZPO liege nicht vor. Hilfsweise hat der Kläger Verweisung an das zuständige Gericht beantragt.
Daraufhin hat das Amtsgericht Essen - nach Hinweise im Beschluss vom 01.03.2018, dass es nunmehr von einer örtlichen und sachlichen Zuständigkeit des Landgerichts Frankfurt ausgehe - sich mit weiterem Beschluss vom 07.03.2018 für örtlich und sachlich unzuständig erklärt und den Rechtsstreit gemäß § 281 ZPO an das Landgericht Frankfurt a.M. verwiesen.
Mit - den Parteien nicht bekannt gemachter - Verfügung vom 21.03.2018 hat das Landgericht Frankfurt a.M. die Übernahme der Sache abgelehnt und an das Amtsgericht ...