Entscheidungsstichwort (Thema)

Unterbrechung des selbständigen Beweisverfahrens durch Eröffnung des Insolvenzverfahrens

 

Leitsatz (amtlich)

Ein selbständiges Beweisverfahren wird mit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der antragstellenden Partei unterbrochen.

 

Verfahrensgang

LG Essen (Beschluss vom 29.08.2002; Aktenzeichen 18 OH 03/03)

 

Tenor

Der Beschluss des LG Essen vom 29.8.2002 wird aufgehoben. Es wird festgestellt, dass das selbständige Beweisverfahren mit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der Antragstellerin unterbrochen worden ist.

Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.

 

Gründe

I. Mit Schriftsatz vom 25.1.2001 leitete die Antragstellerin zur Feststellung von Mängeln an einem von ihr übernommenen Bauvorhaben in Essen ein selbständiges Beweisverfahren gegen die Antragsgegnerinnen ein. Dem selbständigen Beweisverfahren ist die Streitverkündete zu 1) auf Seiten der Antragstellerin beigetreten. In dem Verfahren hat das LG die Beweisaufnahme durch ein schriftliches Sachverständigengutachten angeordnet, das noch nicht vorliegt. Mit Beschluss vom 1.8.2002 eröffnete das zuständige Insolvenzgericht das Insolvenzverfahren über das Vermögen der Antragstellerin. Mit Beschluss vom 29.8.2002 hat das LG der Antragstellerin sodann die Einzahlung eines weiteren Auslagenvorschusses für das Sachverständigengutachten aufgegeben und darauf hingewiesen, dass die Eröffnung des Insolvenzverfahrens das selbständige Beweisverfahren nicht unterbrochen habe. Gegen diesen Beschluss wendet sich die Streitverkündete zu 1) mit ihren Schriftsätzen vom 16.9.2002 und 14.10.2002, in denen sie die Auffassung vertritt, dass die Insolvenzeröffnung auch das selbständige Beweisverfahren unterbrochen habe.

II. Der Senat fasst den Schriftsatz der Streitverkündeten zu 1) als sofortige Beschwerde gegen den Beschluss des LG vom 29.8.2002 auf. Er lässt erkennen, dass die Streitverkündete zu 1) den angefochtenen Beschluss nicht hinnehmen und das zulässige Rechtsmittel einlegen wollte. Die Beschwerde ist zulässig. Sie ist analog § 252 ZPO als sofortige Beschwerde statthaft und auch fristgerecht, weil sie innerhalb der Beschwerdefrist eingelegt wurde. Gemäß § 66 Abs. 2 ZPO konnte sie von der Streitverkündeten zu 1) eingelegt werden, weil diese dem selbständigen Beweisverfahren auf Seiten der Antragstellerin wirksam beigetreten ist.

Die Beschwerde ist auch begründet. Die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der Antragstellerin hat das selbständige Beweisverfahren gem. § 240 ZPO unterbrochen. In Rspr. und Lit. ist umstritten, ob das selbständige Beweisverfahren durch die Eröffnung des Insolvenzverfahrens gem. § 240 ZPO unterbrochen wird (bejahend OLG Hamburg v. 22.3.2000 – 11 W 11/00, OLGReport Hamburg 2000, 436 f.; OLG München BauR 2002, 983 f.; OLG Frankfurt BauR 2003, 756 f.; Thomas/Putzo, ZPO, 25. Aufl. 2003, vor § 239 Rz. 1; Stein/Jonas/Roth, ZPO, 21. Aufl. 1994, Vor § 239 Rz. 2; Feiber in MünchKomm/ZPO, 2. Aufl. 2000, § 239 Rz. 7 und § 240 Rz. 3; Werner/Pastor, Der Bauprozess, 10. Aufl. 2002, Rz. 6; verneinend OLG Frankfurt BauR 2002, 1886 f.; Zöller/Greger, ZPO, 23. Aufl. 2002, Vor § 239 Rz. 8; Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, ZPO, 62. Aufl. 2004, Übers § 239 Rz. 5). Der Senat hat die Unterbrechung mit Beschluss vom 4.2.1997 (OLG Hamm, Beschl. v. 4.2.1997 – 21 W 12/96, NJW-RR 1997, 723 f.) für den Fall der Eröffnung des Konkursverfahrens über das Vermögen des Antragsgegners verneint. Aus heutiger Sicht lässt der Senat offen, ob an dieser Rechtsauffassung festzuhalten ist. Jedenfalls in den Fällen, in denen das Insolvenzverfahren über das Vermögen der antragstellenden Partei eröffnet wird, ist § 240 ZPO auf das selbständige Beweisverfahren anzuwenden, so dass dieses unterbrochen wird. Von Teilen der Rspr. und Lit. wird eine Unterbrechungswirkung abgelehnt, weil die Vorschriften über die Unterbrechung und Aussetzung des Verfahrens dem Sinn und Zweck des selbständigen Beweisverfahrens widersprächen. Das Verfahren solle eine Beweissicherung ermöglichen und Vorfragen in tatsächlicher Hinsicht rasch und kostengünstig klären, um einen sich anschließenden Rechtsstreit möglichst zu vermeiden. Die Fortführung des Verfahrens beeinträchtige auch nicht die Interessen des Insolvenzverwalters und der Insolvenzgläubiger, da es zu keiner str. Entscheidung führe.

Der Senat hält es aber für richtiger, § 240 ZPO jedenfalls in den Fällen anzuwenden, in denen das Insolvenzverfahren über das Vermögen der antragstellenden Partei eröffnet wird. § 240 ZPO ist nach seiner systematischen Stellung auf das selbständige Beweisverfahren anzuwenden. § 240 ZPO ist eine allgemeine Vorschrift, die jedenfalls für das kontradiktorische Klageverfahren gilt. Hierbei entspricht es allgemeiner Meinung, § 240 ZPO auch in kontradiktorischen Verfahren mit freigestellter mündlicher Verhandlung, z.B. dem Arrestverfahren, anzuwenden. Zu den kontradiktorischen Verfahren mit freigestellter mündlicher Verhandlung gehört regelmäßig auch das selbst...

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