Entscheidungsstichwort (Thema)
Strafurteil. Anforderungen an die Unterschrift des Richters
Leitsatz (amtlich)
1. Das Fehlen einer individualisierbaren richterlichen Unterschrift des schriftlichen Urteils (§ 275 Abs. 2 S. 1 StPO) führt - abgesehen von dem Fall des Fehlens nur einer richterlichen Unterschrift bei der Entscheidung durch ein Kollegialgericht - grundsätzlich bereits auf die Sachrüge zur Aufhebung des Urteils, wenn nach Ablauf der Frist des § 275 Abs. 1 S. 2 StPO die Unterschrift auch nicht mehr nachgeholt werden kann.
2. Diese Unterschrift erfordert einen die Identität des Unterschreibenden ausreichend kennzeichnenden individuellen Schriftzug, der sich nicht nur als Namenskürzel (Paraphe) darstellt, sondern charakteristische Merkmale einer Unterschrift mit vollem Namen aufweist und die Nachahmung durch einen Dritten zumindest erschwert. Das setzt voraus, dass mindestens einzelne Buchstaben zu erkennen sind, weil es sonst am Merkmal einer Schrift überhaupt fehlt.
Normenkette
StPO § 275 Abs. 2 S. 1
Verfahrensgang
AG Dortmund (Entscheidung vom 05.08.2016; Aktenzeichen 601 Ls 69/16) |
Tenor
Das angefochtene Urteil wird, soweit es den Angeklagten y betrifft, mit den zugrunde liegenden Feststellungen aufgehoben.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an eine andere Abteilung des Amtsgerichts - Jugendschöffengericht - Dortmund zurückverwiesen.
Gründe
I.
Die Angeklagte ist am 05.08.2016 durch das Amtsgericht - Jugendschöffengericht - Dortmund des "gemeinschaftlichen Diebstahls im besonders schweren Fall" in vier Fällen, wobei es in einem Fall beim Versuch blieb, schuldig gesprochen worden. Unter Einbeziehung des im Verfahren 605 Ls 300 Js 412/14 - 56/14 ergangenen Urteils des Amtsgerichts Dortmund vom 17.10.2014 (im schriftlichen Urteil und in dem in der Hauptverhandlung vom 05.08.2016 protokollierten Tenor auf den "17.19.2014" bzw. den "17.10.2024" datiert) wurde gegen ihn eine Einheitsjugendstrafe von einem Jahr und vier Monaten verhängt. Die Entscheidung über eine Strafaussetzung zur Bewährung ist für die Dauer von sechs Monaten zurückgestellt worden.
Gegen dieses Urteil wendet sich der Angeklagte mit seinem rechtzeitig eingelegten Rechtsmittel, das er nach Zustellung des Urteils innerhalb der Revisionsbegründungsfrist als (Sprung-)Revision bezeichnet und begründet hat. Er rügt die Verletzung materiellen Rechts.
II.
Die Revision hat in der Sache zumindest vorläufig teilweise Erfolg. Sie führt hinsichtlich des Angeklagten y einer Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Amtsgericht - Jugendschöffengericht - Dortmund.
Das angefochtene Urteil hält materiell-rechtlicher Überprüfung schon deshalb nicht stand, da es insofern bereits an der notwendigen Prüfungsgrundlage fehlt.
Gegenstand der revisionsgerichtlichen Überprüfung in sachlich-rechtlicher Hinsicht sind allein die schriftlichen Entscheidungsgründe, wie sie sich aus der gemäß § 275 StPO mit der Unterschrift des Richters zu den Akten gebrachten Urteilsurkunde ergeben (vgl. OLG Köln, NStZ-RR 2011, 348; KK-Gericke, StPO, 7. Aufl., § 337 Rn. 27; Meyer-Goßner in: Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 59. Aufl., § 337 Rn. 22). Das Fehlen einer individualisierbaren richterlichen Unterschrift ist hierbei - abgesehen von dem hier nicht einschlägigen Fall des Fehlens nur einer richterlichen Unterschrift bei der Entscheidung durch ein Kollegialgericht - dem völligen Fehlen der Urteilsgründe gleichzustellen (vgl. BGH, NStZ 2001, 219; OLG Saarbrücken, NJOZ 2016, 1890; OLG Frankfurt, NStZ-RR 2016, 287; OLG Hamm, NStZ-RR 2009, 24) und führt bereits auf die Sachrüge zur Aufhebung des Urteils, wenn nach Ablauf der Frist des § 275 Abs. 1 S. 2 StPO die Unterschrift auch nicht mehr nachgeholt werden kann (vgl. OLG Köln, a.a.O.; OLG Frankfurt, a.a.O.; OLG Hamm, a.a.O.; KK-Greger, a.a.O., § 275 Rn. 68; Meyer-Goßner in: Meyer-Goßner/Schmitt, a.a.O., § 275 Rn. 29).
So liegt der Fall hier, da die Unterzeichnung des vorliegend angefochtenen Urteils nicht den Anforderungen genügt, die von der Rechtsprechung an eine Unterschrift gestellt werden.
Der erkennende Richter hat das von ihm verfasste schriftliche Urteil zu unterschreiben (§ 275 Abs. 2 S. 1 StPO), was einen die Identität des Unterschreibenden ausreichend kennzeichnenden individuellen Schriftzug erfordert, der sich nicht nur als Namenskürzel (Paraphe) darstellt, sondern charakteristische Merkmale einer Unterschrift mit vollem Namen aufweist und die Nachahmung durch einen Dritten zumindest erschwert (vgl. so und zum Folgenden OLG Köln, a.a.O.; OLG Saarbrücken, a.a.O.; allg. Meyer-Goßner in: Meyer-Goßner/Schmitt, a.a.O., Einl. Rn. 129, jew. m. w. N.). Dazu bedarf es nicht der Lesbarkeit des Schriftgebildes; ausreichend ist vielmehr, dass jemand, der den Namen des Unterzeichnenden und dessen Unterschrift kennt, den Namen aus dem Schriftbild herauslesen kann. Das setzt allerdings voraus, dass...