Entscheidungsstichwort (Thema)
Erstattungsfähigkeit einer Verfahrensgebühr bei Antragsrücknahme vor Beauftragung des Rechtsanwalts
Leitsatz (amtlich)
Auch wenn im Zeitpunkt der Beauftragung eines Rechtsanwalts der Antrag bereits zurückgenommen ist, steht dies der Erstattungsfähigkeit der Kosten des Rechtsanwalts nicht grundsätzlich entgegen.
Normenkette
ZPO § 91 Abs. 1
Verfahrensgang
AG Bielefeld (Entscheidung vom 02.08.2012; Aktenzeichen 34 F 497/12) |
Tenor
Auf die sofortige Beschwerde des Antragstellers vom 7.8.2012 wird der Beschluss des Amtsgerichts - Familiengericht - Bielefeld vom 2.8.2012 dahingehend abgeändert, dass aufgrund des Beschlusses vom 23.4.2012 ein Betrag von 345,58 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz nach § 247 BGB seit dem 7.5.2012 an den Antragsgegner zu erstatten ist.
Die weitergehende Beschwerde wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Beschwerdeverfahrens werden gegeneinander aufgehoben.
Der Wert des Beschwerdeverfahrens wird auf 546,69 € festgesetzt.
Gründe
I.
Durch Schriftsatz vom 23.2.2012 hat der Antragsteller beantragt, den Antragsgegner zur Zahlung von Kindesunterhalt für den Zeitraum ab Juli 2012 zu verpflichten. Dieser Antrag ist dem Antragsgegner am 6.3.2012 zugestellt worden. Durch einen am 6.3.2012 per Fax eingegangenen Schriftsatz hat der Antragsteller den Antrag zurückgenommen. Dieser Schriftsatz ist dem Antragsgegner am 10.3.2012 zugestellt worden. Bereits am 9.3.2012 hatte der Antragsgegner seinen Verfahrensbevollmächtigten eine Vollmacht erteilt.
Durch Schriftsatz vom 14.3.2012 haben die Verfahrensbevollmächtigten des Antragsgegners dessen Vertretung angezeigt und angekündigt, dass sich dieser gegen den Antrag verteidigen will. Die Verfahrensbevollmächtigten des Antragsgegners haben erst nach Fertigung dieses Schriftsatzes von der Antragsrücknahme Kenntnis erlangt.
Durch Beschluss vom 23.4.2012 hat das Amtsgericht - Familiengericht - Bielefeld dem Antragsteller die Kosten des Verfahrens aufgelegt. Der Verfahrenswert wurde auf 5.932,00 € festgesetzt.
Durch Kostenfestsetzungsantrag vom 7.5.2012 hat der Antragsgegner beantragt, die Kosten gegen den Antragsteller in Höhe von 546,69 € festzusetzen. Neben der Pauschale wurde eine Verfahrensgebühr nach § 13 RVG, Nr. 3100 VV RVG von 439,40 € (1,3 Gebühren) geltend gemacht.
Durch Kostenfestsetzungsbeschluss vom 2.8.2012 hat das Amtsgericht die Kosten antragsgemäß festgesetzt.
Dagegen richtet sich die Beschwerde des Antragstellers. Er beruft sich darauf, dass die Antragsrücknahme dem Antragsgegner bereits am 10.3.2012 zugestellt wurde und deshalb allenfalls eine 0,8 Gebühr nach Nr. 3101 VV RVG entstanden sei.
II.
Die gemäß §§ 104 Abs. 3, 567 ff. ZPO zulässige Beschwerde ist teilweise begründet. Notwendig im Sinne des § 91 Abs. 1 ZPO waren nur Kosten in Höhe von 345,58 €. Der Antragsgegner kann lediglich eine 0,8 Gebühr nach Nr. 3101 VV RVG beanspruchen.
1.
Der Antragsgegner kann nur eine ermäßigte Gebühr beanspruchen, da der Auftrag endete, bevor sein Verfahrensbevollmächtigter einen Schriftsatz gefertigt hat. Bereits am 10.3.2012 hat der Antragsgegner Kenntnis von der Rücknahme des Antrages erlangt. Erst durch Schriftsatz vom 14.3.2012 wurde die Verteidigungsbreitschaft angezeigt. Die Kenntnis seines Mandanten muss sich der Verfahrensbevollmächtigte des Antragsgegners zurechnen lassen (vgl. Zöller-Herget, ZPO, 29. Auflage 2012, § 91 Rn. 13 Stichwort "Klagerücknahme").
2.
Dass die Beauftragung der Verfahrensbevollmächtigten durch den Antragsgegner erst am 9.3.2012 erfolgte, also nach der Rücknahme des Antrages am 6.3.2012, hindert das Entstehen einer Gebühr nach Nr. 3101 VV RVG nicht. Entscheidend ist, dass der Antragsgegner erst am 10.3.2012 durch Zustellung des entsprechenden Schriftsatzes Kenntnis von der Rücknahme des Antrages erlangt hat (vgl. Zöller-Herget, ZPO, 29. Auflage 2012, § 91 Rn. 13 Stichwort "Klagerücknahme").
Soweit der Bundesgerichtshof (BGH NJW-RR 2007, 1575) die Auffassung vertreten hat, dass bei der Rücknahme eines Eilantrages vor dem Eingang einer Schutzschrift bei Gericht eine Erstattung der Verfahrensgebühr ausscheidet, da auf die objektive Rechtslage abzustellen sei, ist dies auf den vorliegenden Fall nicht übertragbar. Bei einer Schutzschrift handelt es sich um ein in der Zivilprozessordnung nicht vorgesehenes,lediglich vorbeugendes Verteidigungsmittel. Die Verteidigungsanzeige ist dagegen ein in § 276 ZPO geregeltes Mittel zur Rechtsverteidigung, das erforderlich ist, um ggf. einen Versäumnisbeschluss zu verhindern (vgl. im Ergebnis ebenso OLG Celle NJOZ 2010, 2421; a. A. OLG Düsseldorf, JurBüro 2009, 37).
Entsprechend den vorstehenden Ausführungen errechnet sich der Kostenerstattungsanspruch wie folgt:
Verfahrensgebühr Nr. 3101 VV RVG |
270,40 € |
Pauschale Nr. 7002 VV RVG |
20,00 € |
Zwischensumme netto |
290,40 € |
Umsatzsteuer |
55,18 € |
zu zahlender Betrag |
345,58 € |
Fundstellen
Haufe-Index 3740185 |
ZfS 2013, 106 |
AGS 2013, 253 |
RVGreport 2013, 63 |