Leitsatz (amtlich)
Macht der Käufer eines vom sog. Abgasskandal betroffenen und bei einem Händler erworbenen Fahrzeugs Schadensersatzansprüche aus unerlaubter Handlung (§§ 823 Abs. 2 BGB i.V.m. 263 StGB, 826 BGB) allein gegen den Hersteller geltend, kann ein Gerichtstand gem. § 32 ZPO an dem Ort begründet sein, an dem der Kaufvertrag abgeschlossen worden ist, und an dem Ort, an dem die Erfüllungshandlungen zu dem Vertrag vorgenommen wurden. Ein Gerichtsstand an den genannten Orten setzt einen schlüssigen Klagevortrag zu einer beim Abschluss des Kaufvertrages und/oder seiner Erfüllung begangenen unerlaubten Handlung voraus. Wird die Zuständigkeit von einem verweisenden Gericht rechtsfehlerhaft und mit einer den vorgetragenen Tatsachen nicht Rechnung tragenden Prüfung des § 32 ZPO verneint, kann der Verweisungsbeschluss grob fehlerhaft und damit unverbindlich sein.
Normenkette
BGB §§ 823, 826; StGB § 263; ZPO §§ 32, 36 Abs. 1 Nr. 6
Verfahrensgang
LG Arnsberg (Aktenzeichen 2 O 362/17) |
Tenor
Örtlich zuständig ist das Landgericht Arnsberg.
Gründe
I. Der in X wohnhafte Kläger hat beim Landgericht Arnsberg gegen die W AG Klage auf Schadensersatz in Höhe von 44.163,75 EUR nebst Zinsen und vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten unter Anrechnung einer noch zu beziffernden Nutzungsentschädigung erhoben, die er damit begründet hat, dass die Beklagte über das Vorhandensein einer sog. Vorschalteinrichtung eines B 2,0 TDI getäuscht habe. Der Kaufvertrag wurde am 21.6.2013 mit der in C ansässigen B GmbH in C auf den Namen der Schwägerin des Klägers geschlossen (Anl. K 1), da diese aufgrund eines Schwerbehinderungsgrades von 50 Prozent einen entsprechenden Rabatt erhielt. Der Kaufpreis wurde am 22.10.2013 vom Kläger von dessen Konto bei der Volksbank X eG an die B GmbH überwiesen (Anl. K 17). Das Fahrzeug wurde daraufhin zunächst am 23.10.2013 auf die Schwägerin des Klägers und schließlich am 30.10.2014 auf den Kläger zugelassen (Anl. K 1b).
Mit Abtretungsvertrag vom 08.05.2018 hat die Schwägerin des Klägers ihre sich aus dem Eigentum an den Kraftfahrzeug ergebenden Ansprüche gegen die Beklagte an den Kläger abgetreten (Anl. K 18).
Mit Verfügung vom 11.05.2018 hat das Landgericht Arnsberg darauf hingewiesen, dass es sich nicht für zuständig hält. Der geltend gemachte Schaden bestehe darin, dass eine Verbindlichkeit eingegangen worden sei. Der maßgebliche Kaufvertrag sei jedoch in C geschlossen worden (Bl. 131 d.A.).
Der Kläger hat daraufhin mit Schriftsatz vom 15.05.2018 vorgetragen, die Vertragsanbahnung habe über das Internetportal www.t.de stattgefunden. Die Vertragsunterlagen wurden durch den Betreiber dieses Portals an den Kläger mit der Bitte übersandt, sie unterschrieben an die Verkäuferin zurückzuschicken. Daher sei von einem Vertragsschluss am Wohnsitz des Klägers auszugehen. Hilfsweise hat der Kläger die Verweisung der Rechtsstreits an das Landgericht Berlin beantragt (Bl. 133 ff. d.A.).
Nachdem die Beklagte in der mündlichen Verhandlung erklärt hat, sich nicht rügelos auf die Klage einzulassen, hat sich das Landgericht Arnsberg mit Beschluss vom 17.05.2018 für örtlich unzuständig erklärt und den Rechtsstreit an das Landgericht Berlin verwiesen (Bl. 138 ff. d.A.). Schadensort i.S.v. § 32 ZPO sei nur der Begehungs-, nicht auch der Schadensort. Ein Grundsatz dahingehend, dass im Falle des § 826 BGB stets ein Gerichtsstand der unerlaubten Handlung am Wohnsitz des Opfers begründet sei, bestehe nicht.
Das Landgericht Berlin hat die Parteien nach Eingang der Akte mit Schreiben vom 23.06.2018 darauf hingewiesen, dass es seine Zuständigkeit nicht für gegeben halte (Bl. 220 f. d.A.). Ein Teil der deliktischen Anspruchsvoraussetzungen, nämlich der Vermögensschaden, sei im Bezirk des Landgerichts Arnsberg eingetreten. Zudem sei nicht nachvollziehbar, dass das Landgericht Arnsberg von einem Vertragsschluss in C ausgehe. Vertragspartnerin sei zunächst die Schwägerin des Klägers gewesen, wie sich aus der verbindlichen Bestellung vom 21.06.2013 ergebe. Diese habe - soweit ersichtlich - auch nicht als Vertreterin des Klägers gehandelt. Hinzu komme, dass eine Schickschuld vereinbart worden sei, so dass der Erfüllungsort in jedem Fall in Arnsberg gelegen habe.
Der Kläger hat dazu nicht Stellung genommen. Die Beklagte hat angeregt, den Rechtsstreit an das für ihren Geschäftssitz nach §§ 12, 17 ZPO zuständige Landgericht Braunschweig zu verweisen (Bl. 224 ff. d.A.).
Das Landgericht Berlin hat sich daraufhin mit Beschluss vom 16.07.2018 für örtlich unzuständig erklärt, da angesichts des Sitzes beider Parteien oder der Erfüllung vertraglicher Verpflichtungen ein örtlicher Bezug zu Berlin nicht ersichtlich sei(Bl. 227 ff. d.A.). Zur weiteren Begründung hat es auf seinen vorhergehenden Hinweis Bezug genommen und ergänzend ausgeführt, dass der Eintritt des Schadens zu den haftungsbegründenden Umständen gehöre. Wolle man mit dem Landgericht Arnsberg davon ausgehen, dass der Schaden bereits in der Begründung der Verbindlichkeit mit Abschluss des Kaufv...