Leitsatz (amtlich)
1) Im Verfahren nach § 7 Abs. 3 ErbbauRG ist die Beschwerde auch dann in der verkürzten Frist des § 63 Abs. 2 Nr. 2 FamFG einzulegen, wenn durch die angefochtene Entscheidung der Ersetzungsantrag zurückgewiesen worden ist.
2) Eine sachlich unrichtige Rechtsmittelbelehrung, die für die Anfechtung einer solchen Entscheidung eine Beschwerdefrist von einem Monat benennt, löst auch für den anwaltlich vertretenen Beteiligten einen Vertrauensschutz aus, der die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die infolge der unrichtigen Belehrung eingetretene Fristversäumung rechtfertigt.
3) Der Grundstückseigentümer darf seine Zustimmung zur Veräußerung eines Wohnungserbbaurechts nicht davon abhängig machen, dass das veräußerte Recht zur Sicherung in der Vergangenheit schuldrechtlich erfolgter Erbbauzinserhöhungen mit einer Einzelreallast im Umfang der Gesamtbelastung des Erbbaurechts belastet wird.
Normenkette
FamFG § 17 Abs. 2; ErbbauRG § 7 Abs. 1, 3 S. 2
Verfahrensgang
AG Bochum (Beschluss vom 23.04.2012; Aktenzeichen 71 II 3/11) |
Tenor
Den Beteiligten zu 1) und 2) wird Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Beschwerdefrist gewährt.
Der angefochtene Beschluss wird abgeändert und wie folgt neu gefasst:
Die Zustimmung des Beteiligten zu 3) zur Veräußerung des im Wohnungs-erbbaugrundbuch von X Blatt...1 eingetragenen Wohnungs-erbbaurechts an den Erwerber B gemäß dem notariellen Vertrag vom 19.5.2011 (UR-Nr. 103/2011 Notar T in C mit Ergänzung durch notariellen Vertrag vom 4.6.2012 (UR-Nr. 226/2012 Notar T in C) wird gem. § 7 Abs. 3 ErbbauRG ersetzt.
Der Beteiligte zu 3) trägt die Kosten des Verfahrens beider Instanzen einschließlich der notwendigen außergerichtlichen Kosten der Beteiligten zu 1) und 2).
Der Gegenstandswert des Beschwerdeverfahrens wird auf 7.000 EUR festgesetzt.
Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.
Gründe
Die Beschwerde der Beteiligten zu 1) und 2) ist nach §§ 7 Abs. 3 S. 2 ErbbauRG, 58 FamFG statthaft sowie formgerecht bei dem AG eingelegt. Allerdings haben die Beteiligten zu 1) und 2) die Beschwerdefrist versäumt, die infolge der Verweisung in § 7 Abs. 3 S. 2 ErbbauRG auf § 63 Abs. 2 Nr. 2 FamFG lediglich zwei Wochen beträgt, die mit der Zustellung der angefochtenen Entscheidung am 2.5.2012 in Lauf gesetzt worden ist. Während die Regelfrist für die Beschwerde nach § 63 Abs. 1 FamFG ein Monat beträgt, stellt § 7 Abs. 3 S. 2 ErbbauRG die in diesem Verfahren ergehende Entscheidung in Ansehung ihrer Anfechtbarkeit einem Beschluss gleich, der die Genehmigung eines Rechtsgeschäfts zum Gegenstand hat. Diese gesetzliche Formulierung in § 63 Abs. 2 Nr. 2 FamFG stellt auf den Gegenstand des Verfahrens ab, über den die angefochtene Entscheidung ergangen ist, trifft also keine Differenzierung nach dem Inhalt der erlassenen Entscheidung. Dementsprechend gilt die Vorschrift nicht nur dann, wenn die Genehmigung erteilt worden ist, sondern auch dann, wenn der darauf gerichtete Antrag zurückgewiesen worden ist (Keidel/Sternal, FamFG, 17. Aufl., § 63 Rz. 14b; Schulte-Bunert/Weinreich/Unger, FamFG, 3. Aufl., § 63 Rz. 6). Dasselbe Ergebnis muss folglich bei der entsprechenden Anwendung der Vorschrift im Rahmen des § 7 Abs. 3 S. 2 ErbbauRG gelten (MünchKomm/BGB-von Oefele/Heinemann, 6. Aufl., § 7 ErbbauRG, Rz. 16, a.A. Palandt/Bassenge, BGB, 72. Aufl., § 7 ErbbauRG, Rz. 9).
Die Fristversäumung wird jedoch dadurch geheilt, dass der Senat den Beteiligten zu 1) und 2) auf ihren nach entsprechendem Hinweis rechtzeitig gestellten Antrag Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gewährt hat. Denn die Fristversäumung ist nach den besonderen Umständen des vorliegenden Falles als unverschuldet i.S.d. § 17 Abs. 1 FamFG zu bewerten. Ausschlaggebend dafür ist, dass die Rechtsmittelbelehrung, die das AG den Beteiligten zu 1) und 2) in dem angefochtenen Beschluss erteilt hat, auf der Grundlage des oben dargestellten Standpunkts des Senats zur inhaltlichen Reichweite der Regelung der §§ 7 Abs. 3 S. 2 ErbbauRG, 63 Abs. 2 Nr. 2 FamFG sachlich unrichtig ist. Denn in dieser Rechtsmittelbelehrung wird statt der auf zwei Wochen verkürzten Frist die Regelfrist von einem Monat für die Einlegung der Beschwerde genannt. Nach der Rechtsprechung des BGH darf auch ein Rechtsanwalt grundsätzlich auf die Richtigkeit einer durch das Gericht erteilten Rechtsbehelfsbelehrung vertrauen. Gleichwohl muss von einem Rechtsanwalt erwartet werden, dass er die Grundzüge des Verfahrensrechts und das Rechtsmittelsystem in der jeweiligen Verfahrensart kennt. Das Vertrauen in die Richtigkeit einer Rechtsbehelfsbelehrung kann er deshalb nicht uneingeschränkt, sondern nur in solchen Fällen in Anspruch nehmen, in denen die inhaltlich fehlerhafte Rechtsbehelfsbelehrung zu einem unvermeidbaren, zumindest aber zu einem nachvollziehbaren und daher verständlichen Rechtsirrtum des Rechtsanwaltes geführt hat (vgl. BGH FamRZ 2012, 1287).
Nach diesen Kriterien durfte hier der Verfahrensbevollmächtigte der Beteiligten zu 1) und 2) auf die Rich...