Entscheidungsstichwort (Thema)
Vollzug der Sicherungsverwahrung. Aufnahme von Rufnummern in die Telefonliste eines sog. Telekommunikationssystems
Leitsatz (amtlich)
1. Der Vollzugseinrichtung steht hinsichtlich der Entscheidung, einem Sicherungsverwahrten über seinen Anspruch, ihm durch die Einrichtung vermittelte Telefongespräche zu gestatten (§ 26 Abs. 1 S. 1 SVVollzG NRW), hinaus die Nutzung eines Telekommunikationssystem im Sinne des § 26 Abs. 3 SVVollzG NRW zu erlauben, ein gerichtlich nur eingeschränkt überprüfbares Ermessen zu (vgl. Senat, Beschluss vom 16.09.2014 - III-1 Vollz (Ws) 446/14 -, juris).
2. Die - von der Vollzugsanstalt konkret darzulegende - Gefahr, dass ein Untergebrachter Vorfälle im Maßregelvollzug am Telefon unzutreffend, verzerrt oder auch bewusst wahrheitswidrig darstellt, kann grundsätzlich Anlass für eine Beschränkung der telefonischen Kommunikation sein, sofern sich diese Beschränkung in der Versagung der Möglichkeit erschöpft, ohne Genehmigung und Vermittlung jedes einzelnen Gesprächs durch die Vollzugseinrichtung telefonieren zu können. Eine derart begründete Beschränkung hinsichtlich der Telefonnummern bestimmter Zeitungen und anderer öffentlicher bzw. öffentlichkeitswirksamer Institutionen scheidet indes aus, wenn nicht ersichtlich ist, warum die befürchteten Folgen einer grob unrichtigen oder erheblich entstellenden Darstellung von Verhältnissen der Vollzugseinrichtung nicht bereits der Freischaltung anderer Telefonnummern vergleichbarer Institutionen entscheidend entgegenstanden haben.
Normenkette
SVVollzG NRW § 26 Abs. 1 S. 1, Abs. 3
Verfahrensgang
LG Arnsberg (Aktenzeichen 2 StVK 618/17) |
Tenor
Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.
Der angefochtene Beschluss wird mit Ausnahme der Festsetzung des Gegenstandswertes ebenso wie der Bescheid der Justizvollzugsanstalt Werl vom 02.11.2017 aufgehoben.
Die Vollzugsbehörde wird angewiesen, den Betroffenen unter Berücksichtigung der Rechtsauffassung des Senats neu zu bescheiden.
Im Übrigen wird die Rechtsbeschwerde als unbegründet verworfen.
Die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens einschließlich der notwendigen Auslagen des Betroffenen hat die Landeskasse zu tragen.
Das Prozesskostenhilfegesuch des Betroffenen hat sich erledigt.
Gründe
I.
Der in der Sicherungsverwahrung in der JVA Werl befindliche Betroffene hat am 02.08.2017 beantragt, die Telefonnummer von bestimmten Fernsehsendern (z.B. ZDF, WDR und 3sat), Zeitungen (z.B. Frankfurter Rundschau, Westfälische Rundschau und TAZ), Pressestellen (z.B. DPA, Ev. Pressedienst und Kath. Nachrichtenagentur), öffentlichen Verbänden (DGB, Dt. Juristinnenbund), der Partei "Die Linke" sowie der Menschenrechtsorganisation ECCHR e.V. in die Liste mit Telefonnummern (sog. Weißliste) aufzunehmen, die der Betroffene über das für Sicherungsverwahrte in der JVA Werl eingerichteten Telekommunikationssystem im Sinne des § 26 Abs. 3 SVVollzG NRW anrufen kann, ohne sich gemäß § 26 Abs. 1 SVVollzG NRW jedes einzelne Gespräch durch die JVA genehmigen und vermitteln lassen zu müssen.
Diesen Antrag hat die Antragsgegnerin mit Bescheid vom 02.11.2017 abgelehnt und zur Begründung maßgeblich darauf abgestellt, dass bei der beantragten Freischaltung eine erhebliche Störung der Anstaltsordnung im Sinne des § 27 SVVollzG NRW zu befürchten sei, insofern konkrete Anhaltspunkte dafür bestünden, dass der Betroffene unkontrolliert grob unrichtige und erheblich entstellende Darstellungen von Verhältnissen der Einrichtung gegenüber den vorgenannten Organisationen vornehmen könne. Zwar habe der Betroffene das Recht, gegen vermeintliche Missstände im Vollzug der Sicherungsverwahrung im Rahmen von Beschwerden und gerichtlichen Verfahren vorzugehen. "Im Rahmen" - so die Antragsgegnerin weiter - "Ihrer vielen Beschwerden und gerichtlichen Rechtsstreitigkeiten üben Sie jedoch regelmäßig über den konkreten Streitgegenstand hinaus Fundamentalkritik. Sie stellen die Rechtmäßigkeit der Maßnahme "Sicherungsverwahrung" generell in Frage, argumentieren nicht allein auf sachlicher Basis im konkreten Fall, sondern greifen persönlich Bedienstete an, indem Sie zum Beispiel die für Sie zuständige Fachkraft für Sicherheit und Ordnung als "Schergen" bezeichnet haben. Darüber hinaus unterstellen Sie der Justizvollzugsanstalt Werl generell offene Rechts- und Verfassungsbrüche und Willkür und stellen sich in verschiedener Weise als Opfer der Justiz dar.
Die Art und Weise der Darstellung in Ihren Schriftsätzen im Rahmen von Beschwerden und gerichtlichen Anträgen zeigt, dass die konkrete Gefahr besteht, dass Sie auch gegenüber anderen Organisationen in unkontrollierten Telefongesprächen grob unrichtige oder erheblich entstellende Darstellungen von Verhältnissen der Einrichtung vornehmen werden und hierdurch die Anstaltsordnung gefährden. Die Freischaltung der Telefonnummern hätte zur Folge, dass die hiesige Anstalt die von Ihnen verbreiteten und die Anstaltsordnung gefährdenden Inhalte nicht kontrollieren könnte."
Aus diesen Erwägungen leitet die Antragsg...